War es ein Wolf oder ein Bär? Ein Schock ist das Bild von dem bis auf den Rippenbogen abgenagten Ziegenbock für den Nebenerwerbslandwirt allemal. Stefan Baumanns Sohn hat das tote Tier am Mittwoch am Ettenberg (Berchtesgadener Land) gefunden.
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Für Baumann ist der wirtschaftliche Schaden zwar nur gering: „Ich mache mir aber mehr Sorgen um die Bevölkerung und unsere Kinder“, sagt er.
Drei Monate alt war der Ziegenbock, den Stefan Baumann nun zu beklagen hat. Im Nebenerwerb ist Baumann Ziegenbauer. 20 Ziegen nennt er sein Eigen, acht Mutterziegen, einen Bock, der Rest sind Jungtiere. An schönen Tagen befinden sie sich auf der Weide unweit des Hofes. „Ich mache das nur als Hobby, damit unsere Landschaft gepflegt bleibt“, sagt Baumann.
Ziegenbock bei Wasserkontrolle gefunden
Am Mittwoch schickte er seinen Sohn zur Wasserkontrolle zur Weide. Dort lag der junge Ziegenbock, den Stefan Baumann auf rund 25 Kilo Gewicht schätzt. Die Hinterläufe fehlen. Der Körper des Tieres ist vollständig ausgehöhlt, nur das Rückgrat und den Rippenbogen hat der große Beutegreifer übrig gelassen. Ein Halsbiss liegt nicht vor, antwortet Stefan Baumann auf Nachfrage. Er musste das Tier an Ort und Stelle liegen lassen, denn das Landesamt für Umwelt hatte sich tags darauf für Donnerstagmittag angekündigt, um den Vorfall zu untersuchen - und um DNA-Spuren zu nehmen. Ein Halsbiss könnte auf einen Wolf schließen lassen. Doch der liegt nicht vor. Ist in Marktschellenberg ein Bär unterwegs?
Die Wolfsbeauftragte der Landkreise Berchtesgadener Land und Traunstein, Gabi Thanbichler, wollte am Donnerstagmittag auf telefonische Anfrage dazu keine Stellung nehmen. „Wir müssen erst die Untersuchungen des Landesamtes für Umwelt abwarten“, sagt sie. Die vom Amt eingeleiteten Analysen können bis zu zwei Wochen in Anspruch nehmen, ehe klar ist, welche Art von großem Beutegreifer für die tote Ziege verantwortlich zeichnet.
Premiere im negativen Sinn
Für Stefan Baumann ist der Ziegenriss eine Premiere im negativen Sinn - die er sich so nicht gewünscht hat: „Bislang hatten wir mit möglichen Wolfs- oder Bärensichtungen noch nichts zu tun, mit Angriffen auch nicht“, sagt er. Weil der Hof aber abgelegen und weit oben am Berg liegt, macht er sich nun Gedanken - „um die Sicherheit der vielen Wanderer und der Bevölkerung - und vor allem unserer Kinder“. Diese müssen jeden Tag außerhalb der Ferienzeit in die Schule kommen. „Die Strecken bei uns sind aber lang“, sagt Baumann.
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Die Ziegenherde hat Stefan Baumann erst einmal in den Stall gebracht. Baumann wählt seine Worte mit Bedacht: „In unserer Region brauchen wir unsere Tiere für die Landschaftspflege.“ Nehmen die Angriffe überhand, „wird das für uns Landwirte schwierig“, sagt der Nebenerwerbslandwirt. Was er damit meint, ist klar: Die Kulturlandschaft, die Pflege der Wiesen und Felder könnte auf der Strecke bleiben, wenn Nebenerwerbslandwirte wie er keine Tiere mehr halten.
Aufschrei in sozialen Medien groß
In sozialen Medien ist der Aufschrei nach Bekanntgabe des Risses groß, es wird hektisch diskutiert, dass Bär und Wolf schon vor dem Menschen da gewesen seien, die Tiere geschützt werden müssten - Tierschützer versus Kulturschützer. Es müsse sofort gehandelt werden, schreibt eine Nutzerin - weil Wolf oder Bär eine Gefahr darstellten. Beim Landesamt für Umwelt ist am Donnerstagnachmittag niemand zu erreichen. Stefan Baumann bestätigt, dass am selben Tag die Proben genommen wurden.
„Ich werde meine Ziegen jetzt einige Zeit im Stall stehen lassen“, sagt er. Er will sichergehen, dass es nicht gleich noch einmal zu einem Unglück kommt - und das verantwortliche Tier im besten Fall weiterzieht.
Ende 2021 war es in Marktschellenberg schon einmal zu einem Wolfsriss gekommen. Mehrere Schafe wurden gerissen. Wolfssichtungen sind mehrere bestätigt.
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