Laufen
Auch hinter Gittern beschäftigt der Klimawandel die Jugendlichen

„Wir sind hier“: Jugendliche in der Lebenau üben bei politischem Bildungs-Workshop fiktiven Protest

25.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:39 Uhr
Brigitte Janoschka

Die fiktive Protest-Gruppe hat sich den Namen „Der Tag des jüngsten Gerichts“ gegeben. Das von ihnen entworfene Banner wird von der Anstalt so geschätzt wird, dass es im Besucherraum aufgehängt wird. Zur Erklärung finden die Besucher dann daneben einen Ausdruck des hier zu lesenden Zeitungsartikels. −Foto: Brigitte Janoschka

Von Brigitte Janoschka

Ein brennender Feuerball in Gestalt der Erde rauscht im linken Winkel zu Boden, auf der rechten Seite des großformatigen Plakats scheint das Grab schon geschaufelt. Der symbolische Grabstein trägt die Inschrift: „Ruhe in Frieden, Klima“. Inmitten ist ein eindringlicher Appell zu lesen: „Wir schaufeln unser eigenes Grab.“ Der Klimawandel beschäftigt Jugendliche auch hinter Gefängnismauern. Diese Tatsache und der hohe Grad an Reflexion von acht in der JVA Laufen/Lebenau inhaftierten Jugendlichen hat die Kooperationspartner eines politischen Projekts zuletzt positiv überrascht.

Der Workshop mit dem Titel „Wir sind hier – Protest als demokratische Beteiligung“ entstand unter Leitung der Volkshochschule Rupertiwinkel in Kooperation mit der Kommunalen Jugendpflege des Landratsamtes Berchtesgadener Land und war ein Pilotprojekt. Durchgeführt wurden die insgesamt sechs Workshops im Oktober und November 2022. Die acht Teilnehmer hatten sich auf eine Ausschreibung hin freiwillig zu dem Kurs gemeldet.

Kreativer, demokratischer Protest

Für die theoretische und pädagogische Ausgestaltung und die praktische Durchführung vor Ort war Andreas Lindner, Sozialpädagoge B.A., als Kursleiter verantwortlich. An sechs Samstagen lernten die jungen Menschen, ein von ihnen selbst gewähltes gesellschaftliches Problem zu diskutieren und Ideen zu entwickeln. Wie kreativer, demokratischer Protest zum Finden von friedlichen und zielgerichteten Lösungen beitragen kann, war ebenso Thema wie die Erarbeitung von elementarem Handwerkzeug für die Beteiligung als mündige Bürger in einer demokratischen Gesellschaft.

Die Kommunale Jugendpflegerin Tanja Kosmaier hatte die Idee, ein Projekt in der Justizvollzugsanstalt zu starten. Die Ergebnisse bestätigen ihr Vertrauen in die Jugendlichen. Demokratisch und mit Sinn für die größeren Zusammenhänge formulierten die Jugendlichen sehr eindringlich das, was sie für eine Notwendigkeit halten: umzudenken und klimagerecht zu handeln.

Sechs Workshops

Die Themen der sechs Workshops bauten pädagogisch sinnvoll aufeinander auf: Lernten die Jugendlichen zu Beginn, ihr Anliegen zu formulieren und Problemlagen zu identifizieren, wurden sie danach zu Experten des eigenen Anliegens, indem sie Methoden lernten, wie sie ihre Interessen authentisch vertreten können. Um Kommunikation im öffentlichen Raum und mit einem persönlichen Gegenüber ging es im dritten Workshop. Wertesysteme, Engagement und Moralvorstellungen, aber auch die UN-Menschenrechtskonvention standen danach im Mittelpunkt. So vorbereitet, war die Gruppe ausgerüstet mit den notwendigen Kompetenzen dafür, wie man sich in der Gesellschaft einmischt und einbringt. Rückblick und Einordnung des bis dahin Vermittelten und Geübten schlossen dieses Pilotprojekt ab.

Amtsleiter Florian Zecha überlegt mit seinem pädagogischen Team, den Jugendlichen Möglichkeiten innerhalb der Einrichtung zu eröffnen, um sich mehr im Bereich Nachhaltigkeit und Umweltschutz zu engagieren. Weitere Bildungs-Workshops in der JVA sind geplant.

Die Leiterin der Vhs Rupertiwinkel, Dr. Helga Huber, ist überzeugt: „Bildung funktioniert am besten, wenn man sich auf Augenhöhe begegnet. Kursleiter Andreas Lindner hat die Jugendlichen ernst genommen, sich Zeit genommen, ihre Sichtweisen anzuhören und mit ihnen gemeinsam gearbeitet.“ Herausgekommen seien dabei Forderungen nach Änderungen auf struktureller Ebene, aber auch ein Appell, die eigenen Handlungsmöglichkeiten zu überdenken. „Wir sollten die Jugendlichen, die sich für Klimaschutz engagieren, ernst nehmen. Innerhalb und außerhalb der Gefängnismauern“, sagte Huber.