Zweite große Tour absolviert
„An einigen Tagen war ich echt am Limit“: Anton Palzer kommt beim 106. Giro d’Italia trotz grippalem Infekt durch

05.06.2023 | Stand 15.09.2023, 0:25 Uhr

Radprofi Anton Palzer (rechts) beim Giro d’Italia bei Hilfsdiensten für Teamkapitän Lennard Kämna. −Foto: Scherzer

Knapp 3500 Kilometer über 51000 Höhenmeter in 21 Etappen hat der Ramsauer Toni Palzer (30) beim 106. Giro d’Italia absolviert, der in der ewigen Stadt Rom zu Ende ging. Von 176 Startern kamen 125 ins Ziel. 51 schieden wegen Erkältungen durch den permanenten Regen und in höheren Regionen sogar durch Schneefall sowie nach Stürzen aus. Auch Palzer erwischte es gesundheitlich, doch er kämpfte sich durch und beendete nach der Vuelta in Spanien seine zweite große Rundfahrt auf Platz 51. Im Gespräch mit Heimatsport.de berichtet er von seinen Erfahrungen.



Herr Palzer, Sie sind beim Giro d’Italia gut durchgekommen. An welche Etappen erinnern Sie sich besonders gern?
Anton Palzer: Richtig cool waren die Etappen auf den Monte Bondone und die Drei-Zinnen-Etappe, wo ich an meine alten Stätten als Skibergsteiger zurückgekommen bin. Am Monte Bondone waren mein Papa und meine Freundin, und am Anstieg zu den Drei Zinnen warteten meine besten Freunde. Das war Gänsehaut pur, ich hatte echt glasige Augen. Sogar „Doni“ haben sie mit Kreide auf die Straße geschrieben. Weniger gerne erinnere ich mich an die Simplon-Etappe aus der Schweiz nach Italien. Da hat es vier Stunden geregnet, und auf der Passhöhe herrschten bei Schnee Null Grad, das war einfach nur fürchterlich.

Fühlt sich Kälte auf dem Rad anders als auf Skiern an?
Palzer: Kälte auf dem Rad ist meistens mit Nässe verbunden, auf den Skiern hatte ich mit trockener Kälte zu kämpfen. Über mehrere Stunden völlig durchnässt zu frieren war eine Grenzerfahrung. Es war teilweise sehr hart, und an einigen Tagen war ich echt am Limit.

Erkältung und Magen-Darm-Infekt

Viele Fahrer waren bereits nach der ersten Woche gesundheitlich angeschlagen. Sie sind lange verschont geblieben. Doch vor der dritten Woche hat es auch Sie erwischt.
Palzer: Ich bin in den ersten beiden Wochen gut durchgekommen, doch nach der 14. Etappe über den Simplon-Pass krank geworden. Ich war nicht nur erkältet, sondern hatte auch noch mit einem Magen-Darm-Infekt zu kämpfen.

Sonst wäre wohl beim zweiten schweren Bergzeitfahren am vorletzten Tag von Tarvisio zum Monte Lussari über 18,6 Kilometer und dabei Rampen bis zu 24 Prozent noch mehr drin gewesen?
Palzer: Da hatte ich mir schon einiges ausgerechnet. Ich hätte auch im Vollbesitz meiner Kräfte viel weiter vorne landen können als auf dem 64. Platz. Doch stark angeschlagen galt es nur durchzukommen.

Wie sahen Ihre Aufgaben im Team überhaupt aus?
Palzer: Die Mannschaft und nach dem Ausfall von Alexander Wlassow unseren Kapitän Lennard Kämna zu unterstützen. Ich habe Flaschen und Regenkleidung vom Auto geholt und aufs Team verteilt. Auf den Bergetappen konnte ich meist bis zum letzten Anstieg bei Kämna bleiben und ihn im Kampf um die Gesamtwertung unterstützen.

Wie sind Sie damit umgegangen, dass Wlassow schon so bald ausgefallen ist?
Palzer: Nachdem auch der Helfer Giovanni Aleotti ausgefallen ist, mussten meine Teamkollegen und ich noch mehr arbeiten. Wlassow zu verlieren war ein harter Schlag, und Kämna hat danach die alleinige Führung übernommen. Dadurch musste ich nur noch einem Kapitän die Flaschen und Kleidung bringen.

„Es ging immer darum, Kräfte zu schonen“

Sie haben den Giro auf Platz 51 beendet. Gab’s während des Rennens Gedanken an ein Ergebnis?
Palzer: Ich habe zwar täglich die Ergebnisliste bis Platz 20 studiert, um auf dem aktuellen Stand zu sein. Doch meine Rolle war klar definiert. Ich war als Helfer dabei und hatte die Aufgabe, die Mannschaft zu unterstützen – egal ob auf Platz 50 oder 100. Es ging immer darum, Kräfte zu schonen, um am nächsten Tag dem Team und vor allem dem Kapitän wieder helfen zu können. Ich bin auf den letzten Kilometern immer recht entspannt und gemütlich ausgerollt.

Dennoch dürfte ein Traum in Erfüllung gegangen sein, oder?
Palzer: Der Traum ging definitiv in Erfüllung. Es waren jedoch sehr spezielle drei Wochen, in denen ich sehr viel leiden musste. Ich wollte es auch nicht anders. Es war extrem hart, vielleicht härter, als ich mir es vorgestellt habe. Es war aber auch unglaublich schön, Tausende Radsportanhänger neben der Strecke zu sehen. Ferner waren die beiden Etappensiege meines Mannschaftskameraden Nico Denz besondere Momente. Und natürlich die Anwesenheit meiner Familie und meiner Freunde gegen Rennende. Vor allem haben die Berchtesgadener einmal gesehen, was bei solch einem Rennen wirklich abgeht.

„Ich bin dreimal gestürzt“

Die Abfahrten waren durch den Dauerregen gefährlich. Wie sind Sie damit zurechtgekommen?
Palzer: Ich bin dreimal gestürzt, habe mir jedoch nicht wehgetan und konnte meine Fahrt immer fortsetzen.

Man konnte Sie in Rom beim Zielsprint sehen, als Sie Ihrem gestürzten Mannschaftskameraden Patrick Konrad und auch Pascal Ackermann zu Hilfe gekommen sind, dem es beim Sturz den Helm vom Kopf gerissen hat.
Palzer: Das ist doch menschlich, da stehen zu bleiben und zu helfen. Dann bin ich halt etwas später in Rom über die Ziellinie gefahren.

Sie sind vor zwei Jahren nach kurzer Zeit als Radprofi die Vuelta in Spanien gefahren. Jetzt haben Sie den Giro bewältigt. Können Sie die beiden Rundfahrten miteinander vergleichen?
Palzer: Die Vuelta war eine Höllentour und 21 Tage am absoluten Limit. Den Giro habe ich als echter Radprofi bestritten, konnte dabei meine Aufgaben erledigen und das Rennen sowie die Atmosphäre genießen.

Das wichtigste Rennen im Radsport ist die Tour de France. Könnte es sein, dass Sie im nächsten Jahr dabei sind?
Palzer: Das kommt ganz auf meine weitere Entwicklung an, es könnte natürlich sein. Aber daran denke ich derzeit noch nicht.

− pcw