Müllerkennung per KI
An der MINT-Akademie in Berchtesgaden tüfteln Jungforscher an kniffligen Aufgaben

17.07.2024 | Stand 17.07.2024, 18:23 Uhr |

Ungewohnt auf großer Bühne: Die Schüler meistern ihre Präsentationen. − Foto: Kilian Pfeiffer

Mathematisches Chaos, klirrende Kälte und künstliche Intelligenz, die bei der Trennung von Müll helfen soll. Eine Woche forschten Schüler aus dem Berchtesgadener Land, aus Traunstein, Salzburg und dem Münchner Raum im Schülerforschungszentrum an kniffligen Aufgabenstellungen bei der MINT Akademie. Die Ergebnisse präsentierten sie nun im Alpen Congress in Berchtesgaden.

„Maschine“ erkennt Plastik, Glas oder Papier



Das Teil, mit dem die Informatik-Gruppe sich der Zukunft des Recyclings widmet, ist unscheinbar: Ein brauner Karton, mehrere Löcher, darauf zwei Taschenlampen und mehrere Sensoren. Daneben ein PC. Das selbst gebaute Objekt soll eine Mülltrennungsanlage sein. Mit Hilfe eines Computers und Künstlicher Intelligenz haben die Schüler rund um Informatiker Stefan Hager eine Woche lang viel Hirnschmalz investiert. Für ihr KI-Projekt haben Rasso, Kilian, Greta, Jonas, Erik und Luke ein Programm mit Bildern gespeist, Daten gesammelt, analysiert und sich auf die Suche nach einer effektiven Lösung begeben. „Wir erreichen richtig gute Ergebnisse“, freut sich Rasso. Mittlerweile erkennt die selbst gebaute „Maschine“ mehrere Materialien, sei es Plastik, Glas oder Papier. Anders als bei Mülltrennungsanlagen, in denen etwa Magnetismus Metall aussortiert, kann hier die KI die verschiedenen Materialien im Vorfeld benennen. Einfach mal probieren, was möglich ist, sagen die Schüler. Auch Prof. Dr. Claudia Nerdel, Leiterin der Professur Fachdidaktik Life Sciences an der TU München, sagt, die MINT-Akademie sei ein „bunter Ritt durch Mathematik, Technik, Informatik und Naturwissenschaften“.

Zum mittlerweile siebten Mal fand die MINT-Akademie in Berchtesgaden statt. Mit 65 Teilnehmern aus dem bayerischen und dem nahe gelegenen österreichischen Raum gab es mehr Teilnehmer als in den vergangenen Jahren.

Landrat Bernhard Kern freut sich nicht nur über die stetig wachsende Beliebtheit des Schülerforschungszentrums (SFZ), das als Leuchtturmprojekt des Landkreises gilt und sich mittlerweile etabliert hat, sondern auch darüber, dass die Technische Universität München das SFZ zehn weitere Jahre betreiben wird. Landrat Kern bezeichnet dieses als „einmalige Einrichtung in Oberbayern“. Bettina Oestreich ist Mitglied des Fördervereins. Dieser unterstützt Jahr für Jahr mit großem finanziellen Engagement. Bildung dürfe nicht am Geld scheitern, heißt es beim Förderverein. Die studierte Informatikerin sagt: „Andere Regionen haben nicht so einen großen Gewinn wie wir im Süden mit dem Schülerforschungszentrum.“

Am Hintersee beim Netzwerken kennengelernt



Der Förderverein des Schülerforschungszentrums, in dem zahlreiche große, heimische Unternehmen Mitglied sind, hatte den 65 Schülern die Übernachtungen in einem Aktivhotel am Hintersee im Bergsteigerdorf Ramsau spendiert. Dort konnten die Jugendlichen netzwerken und sich kennenlernen.

Bei der Abschlussveranstaltung im Alpen Congress präsentierten die einzelnen Gruppen ihre Arbeit der vergangenen fünf Projekttage. Was Chaos aus mathematischer Sicht bedeutet, bewies das Mathe-Team. Wachstumsmodell, Sättigungskurven, Feigenbaumdiagramm: Die Jugendlichen zeigten ihre Ergebnisse auf großer Bühne und veranschaulichten, dass kleinste Veränderungen komplexe Folgen haben – und damit ein charakteristisches Merkmal von mathematischem Chaos sind.

Programmierung einer Software-Simulation



Vorstellungskraft und kreatives Denken wurde den Mitgliedern der Informatik-Gruppe abverlangt. Im Mittelpunkt stand die Programmierung einer Software-Simulation, wobei die Schüler hierfür bereits Grundlagenwissen in Programmiersprachen mitbringen mussten.

In der Arbeitsgruppe „Iss dies, lass das“ lernten die Beteiligten das Verdauungssystem des Menschen besser kennen. Anhand eines menschlichen Beispiels, eines Schülers, der unter Zöliakie leidet – einer Glutenunverträglichkeit – wurde die Autoimmunkrankheit und dahinter stehende Mechanismen besprochen. Das Arbeitsziel lautete, anhand biochemischer und molekularbiologischer Verfahren potenzielle Therapiemöglichkeiten ausfindig zu machen. Vorkenntnisse dazu bekamen die Gruppenteilnehmer in einem Online-Crashkurs. Das Team der Biochemiker widmete sich den Enzymen, jenen Molekülen, die für unzählige chemische Prozesse im Körper verantwortlich sind. „Ohne Enzyme würde das Leben, wie wir es kennen, nicht existieren.“ In der Rolle von Biochemie-Detektiven machte sich die Schülergruppe auf, die Rätsel der Enzyme zu untersuchen, auf der Spur der Wissenschaft, die den Körper am Laufen hält.

In der Zukunftswerkstatt Leben gingen die Jugendlichen der Frage nach, wie umweltfreundliches Wohnen in der Zukunft aussehen kann. Welche Möglichkeiten es für einen nachhaltigen Möbel- und Innenausbau gibt und welchen Beitrag das Handwerk leisten konnte, erfuhren die Teilnehmer während der Projektwoche. Zudem bauten sie aus Wiederverwertetem einen Lampen-Ventilator. Ein begehbares, smartes Kuppel-Gewächshaus mit automatischer Bewässerung, eigener Belüftung und mehreren Sensoren konstruierten die Erfinder im Hof des Schülerforschungszentrums.

Einblicke in die Geschichte der analytischen Chemie gab es, zudem einen Lehrgang, warum das Messen essenziell ist – und auch die Bestimmung von Salzen, die Massenspektrometrie sowie die Röntgenfluoreszenzmessung waren Themen bei den Chemikern.

Die Physiker beschäftigten sich hingegen mit niedrigen Temperaturen und konnten so Erkenntnisse darüber erlangen, wieso Materialien bei Kälte ihre Eigenschaften verändern. So zerspringt elastischer Stahl wie Glas, Blütenblätter zerkrümeln wie Keks. Klar ist für viele: Es war nicht das letzte Mal, dass sie sich bei der MINT-Akademie beworben haben.

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