Erster versöhnlicher Schritt
„70 bei Nässe“ auf B21: Gemeinde Schneizlreuth reagiert auf Entscheidung vom Landratsamt

17.12.2024 |

200 Meter soll die Sicht an dieser Stelle betragen. Zur Orientierung: Die Leitpfosten sind 50 Meter voneinander entfernt. − Foto: privat

Die Temporeduzierung auf der B 21 bei Baumgarten von derzeit 100 km/h auf 70 inklusive Überholverbot, ist seit langem Wunsch der Gemeinde Schneizlreuth. Zahlreiche Anfragen und Anträge führten bislang nicht zum gewünschten Erfolg. Auf Nachfrage der Heimatzeitung erklärte die Untere Verkehrsbehörde (UVB) im Landratsamt Berchtesgadener Land „70 bei Nässe“ als Alternative (wir berichteten). Das nimmt die Gemeinde nun zum Anlass, ihre Forderung erneut zu unterstreichen und stellt einige Punkte im Schreiben des Landratsamt in Frage.

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Laut der Pressemitteilung der Gemeinde wurde bereits im September 2022 einen Antrag auf Verkehrsschau für die B 21 im Bereich Baumgarten eingereicht und wegen des „deutlich angestiegenen Verkehrsunfallaufkommens“ eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h beantragt.

Es folgte dann bis August 2024 ein Hin und Her, in dem die Gemeinde Schneizlreuth immer wieder eine Verkehrsschau forderte – und sogar eine Unterlassungsklage in Aussicht stellte. Am 21. August wurde die Verkehrsschau unter Beteiligung der UVB, der Polizei, des Straßenbauamtes Traunstein und der Gemeinde Schneizlreuth durchgeführt.

Protokoll kam erst knapp vier Monate später



Das zeitnah zugesagte Protokoll ging erst am Dienstag, 10. Dezember, bei der Gemeinde ein. Protokolliert wurde nicht nur die Verkehrsschau selbst, sondern einiges, das erst Monate danach stattgefunden hat, heißt es in der Stellungnahme weiter. „Dies ist aber aus Sicht der Gemeinde Schneizlreuth nicht der Sinn eines Protokolls einer einzelnen Verkehrsschau.“ Zumindest hätte mit der Gemeinde kommuniziert werden müssen, dass sich das Protokoll so lange verzögert, weil weiterführende Besprechungsergebnisse der Unfallkommission eingearbeitet werden sollen. „Da dies nicht der Fall war, lässt erkennen, dass die Untere Verkehrsbehörde des Landratsamtes kommunale Antragsteller als nicht sonderlich wertig betrachtet“, so die Kritik der Gemeinde.

Ebenfalls reagierte das Landratsamt erst nach mehr als zwei Wochen auf die Anfrage der Heimatzeitung mit einer Stellungnahme, so die Gemeinde weiter. Erstmalig sei dabei der Bereich Baumgarten in der Unfalltypenkarte für den Betrachtungszeitraum 2021 bis 2023 auffällig und markiert gewesen (wir berichteten). Die Untere Verkehrsbehörde habe „erstmalig am 17. Juli 2024 über die Unfallhäufung den Überblick und die Kenntnis erlangt“, heißt es in dem Schreiben. Bei der Auswertung sei allerdings festgestellt worden, dass ein Unfall berücksichtigt wurde, der aufgrund Alkoholisierung des Verursachers nicht mit einbezogen wird. „Dies führt zu dem Ergebnis, dass faktisch keine Unfallhäufung im Bereich Baumgarten vorliegt.“ Darüber hinaus seien noch weitere Unfälle im Bereich Baumgarten geschehen, bei denen es sich nur um leichte Unfälle (Auffahrunfälle mit geringer Geschwindigkeit) handelt, schreibt das Landratsamt.

Diese Ansicht teilt die Gemeinde Schneizlreuth nicht. „Jeder Alkoholunfall hat mehrere Unfallursachen.“ Neben der Hauptunfallursache „Alkohol“, komme nahezu immer noch eine weitere Verkehrsunfallursache hinzu, heißt es in der Stellungnahme weiter. Speziell in diesem von der Unfallkommission bewerteten Verkehrsunfall, habe nach Kenntnisstand der Gemeinde Schneizlreuth nicht nur der Hauptverursacher Schuld. Der weitere Beteiligte habe zur Unfallzeit die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschritten und trotz Überholverbot ein Manöver ausgeführt. Das war nach Meinung der Gemeinde Schneizlreuth unter anderem ursächlich, dass es zu diesem schweren Unfall beim Linksabbiegen gekommen ist.

Schuld soll Waldbesitzer zugeschanzt werden



In dem Schreiben spricht das Landratsamt auch die Sichtweiten bei der Ausfahrt vom Lugerbauern an. Diese werden laut Landratsamt in Richtung Galerie „nicht ganz erreicht“. Das soll sich durch die vorgesehene Geschwindigkeitsbeschränkung verbessern. Die Gemeinde habe bei dem Ortstermin am 21. August die Interessen des Grundstückseigentümers mit vertreten. Als schnelle Maßnahme schlug die untere Verkehrsbehörde vor, die Äste der privaten Bäume im Sichtbereich der Bundesstraße etwas zu kürzen. „Ob diese rasch umzusetzende Verbesserung durchgeführt wird, obliegt dem Eigentümer selbst“, zitiert die Gemeinde aus dem Bericht der Heimatzeitung.

„Das entspricht in keinster Weise den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort“, schreibt die Gemeinde weiter. Um den Vorgaben gerecht zu werden, müsste ein Sichtdreieck mit einer Schenkellänge von 200 Metern vorhanden sein. An der Ausfahrt des Lugerbauers mit Blickrichtung Unterjettenberg ist lediglich eine tatsächliche Sicht von rund 100 Metern gegeben. Wenn die Äste nicht frisch zurückgeschnitten sind, werde das sogar noch unterschritten. „Wenn die UVB hier von ,nicht ganz erreicht‘ spricht, so ist das ein typisches Beispiel wie rechtliche Vorgaben, die hier dem Schutz der Anwohner dienen würden, kleingemacht und heruntergespielt werden. Dass die Schuld für das mangelhafte Sichtdreieck den Anwohnern als Waldbesitzer zugeschanzt werden soll, verdrängt völlig die Tatsache, dass das erforderliche Sichtdreieck erst durch eine völlige Rodung des Waldstückes erreicht werden könnte, das zudem im Besitz des Straßenbauamtes ist.“ Außerdem sei es der einzige Schutz der Anwohner gegen „den Lärm und die Immissionen der Verkehrslawine, die Tag und Nacht an ihrem Anwesen vorbei rollt“.

Gemeinde will sich weiter einsetzen



Der Ablauf dieser Geschehnisse stehe beispielhaft für die Abwehrhaltung der UVB. Die sei „offensichtlich immer bemüht, auch rechtliche Vorgaben lieber klein zu reden und Gegenargumente zu finden, als auf einem kurvenreichen, unübersichtlichen und seit Jahrzehnten unfallauffälligen Streckenabschnitt ohne Fußgängerschutz, Maßnahmen im Sinne der Verkehrssicherheit und des Lärm- und Immissionsschutzes zu treffen“, so die Gemeinde weiter. Dabei könnte ohne weiteres eine besondere Gefahrenlage begründet werden – auch zum Wohle der Anwohner dieser Transitstrecke.

Versöhnlich sei hingegen die schriftlich kommunizierte Absicht der UVB bzw. der Unfallkommission, als erste Maßnahme neben der Verbesserung der Beschilderung in den kommenden Wochen im Bereich Baumgarten bis zur Lawinengalerie die Geschwindigkeit auf 70 km/h mit dem Zusatzzeichen „bei Nässe“ zu reduzieren. Allerdings könne diese Maßnahme nach Ansicht der Gemeinde Schneizlreuth nur der Anfang sein.

„Die Gemeinde Schneizlreuth wird sich weiterhin für eine Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h einsetzen – auch ohne Nässe – und für ein Überholverbot von der Lawinengalerie bis zum Gasthaus Baumgarten“, heißt es abschließend.

− red



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