Lange Zeit sprach viel für den sechsten Finaleinzug der Ringer des SV Wacker Burghausen, die im Bundesliga-Halbfinalrückkampf beim ASV Schorndorf zu Gast waren. Wenngleich die Salzachstädter im ersten Aufeinandertreffen (16:15) einen Zähler Vorsprung erkämpft hatten, lag die Favoritenrolle klar beim Team aus Baden-Württemberg. Doch die Burghauser legten los wie die Feuerwehr, lagen lange in Führung und gaben diese erst im letzten Duell aus der Hand, sodass die Hoffnungen auf eine erfolgreiche Titelverteidigung mit der 14:15-Niederlage platzten. Aufgrund des Punkte-Gleichstands entschieden am Ende die gewonnen Einzelkämpfe, bei denen der ASV die Nase vorn hatte.
Ohne den verletzten Witalis Lazovksi (Trümmerbruch der Nase) im Aufgebot, hatte sich das Trainerteam um Chefcoach Eugen Ponomartschuk im Vorfeld einige Gedanken über die Aufstellung machen müssen. Tatsächlich ging die Taktik nahezu perfekt auf. Zu Beginn trafen in der 61-kg-Kasse die beiden deutschen Spitzenringer Fabian Schmitt und Georgios Scarpello aufeinander. Da sich der Schorndorfer im Hinkampf eine Rippenverletzung zugezogen hatte, war es nicht überraschend, dass er bereits nach wenigen Sekunden verletzungsbedingt aufgeben musste. Im Freistil-Schwergewicht schickten die Burghauser Erik Thiele ins Rennen, der Mohsen Siyar trotz 15 kg weniger auf den Rippen ein Duell auf Augenhöhe bot. Letztendlich hielt er die Niederlage mit dem 4:6 gering, weshalb der Gastgeber nur einen Punkt einfuhr. Im Limit bis 66 kg bekam es Arsen Harutyunyan mit Burak Demir zu tun. Noch in der ersten Runde wurde der armenische Ausnahmeringer in Burghauser Diensten seiner Favoritenrolle gerecht und setzte sich technisch überlegen durch – damit lag sein Team mit 8:1 in Front.
Widmayer setzt sich gegen Kudrynets durch
Nun stand einer der Schlüsselkämpfe an, in dem sich bis 98 kg Greco der Schorndorfer Lucas Lazogianis und Felix Baldauf duellierten. Lange lag der Burghauser in Führung, kurz vor Schluss gelang Lazogianis jedoch eine Rolle, wodurch er zum 3:3 ausglich und aufgrund der zuletzt erzielte Wertung gewann. Es folgte das für beide Seiten unfassbar wichtige Duell der Klasse bis 71 kg im griechisch-römischen Stil, in der die Sportler beider Teams viel Gewicht machen mussten, um überhaupt das Limit abdecken zu können. So ging für den ASV Ruslan Kudrynets auf die Matte, der sich Michael Widmayer in einem ausgewogenen Vergleich mit 1:5 geschlagen geben musste. Beim Stand von 2:10 ging’s in die Halbzeitpause.
Danach wartete auf die Wackerianer noch jede Menge Schwerstarbeit. Dies traf auch auf Eduard Tatarinov zu, der bis 86 kg Freistil gegen Arsenii Dzhioev eine beherzte Leistung zeigte, dennoch ging der Schorndorfer als technisch überlegener Sieger von der Matte. Doch den ursprünglichen Gäste-Vorsprung stellte direkt im Anschluss David Baev wieder her, der in der Freistilklasse bis 75 kg erneut seine Ausnahmestellung zeigte und sich technisch überlegen nach 3:36 Minuten durchsetzte. Beim Stand von 6:14 musste sich Idris Ibaev dem Schorndorfer Ahmet Yilmaz in der Klasse bis 80 kg Greco stellen. Der Salzachstädter hielt gut mit, am Ende gingen ihm jedoch zusehends die Kräfte aus, beim 8:21 war für ihn nicht zu holen.
Bis 75 kg Greco ergab sich auf Grund von Lazovskis Verletzung und dem Umstand, dass Widmayer eine Klasse abtrainiert hatte, eine Lücke in der Gäste-Aufstellung, die mit dem Eigengewächs Sultan Muhametow gefüllt wurde. Wenngleich er sich nach Kräften wehrte, war er gegen Ibrahim Ghanem, der nach ungefähr zwei Minuten einen Schultersieg feierte, chancenlos – damit lag Burghausen nur noch mit 14:13 in Front.
Showdown im Limit bis 80 kg Freistil
Beim Showdown im Limit bis 80 kg Freistil standen sich Murad Kuramagomedov und der Burghauser Chermen Valiev gegenüberstanden. Es entwickelte sich ein taktisch geprägter Kampf, in dem sich der Gastgeber leichte Vorteile erarbeiten konnte, doch technische Wertungen gelangen beiden in den ersten fünfeinhalb Minuten nicht. Als er 1:2 hinten lag, unterlief Valiev ein folgenschwerer Fehler: Während er davon ausging, unbedingt gewinnen zu müssen, war den SVW-Trainern klar, dass auch diese knappe Niederlage für den Finaleinzug reichen würde. Wie im Tunnel setzte Valiev weiter zu Angriffsversuchen an – und dann geschah das Unglück: Nach einem Konter des Schorndorfers erhielt dieser zwei Punkte zugesprochen, die auch nach dem Videobeweis bestehen blieben. So setzte sich Kuramagomedov mit 5:1 durch und brachte die Grauhalde zum Toben. Denn der ASV führte nun 15:14 und egalisierte somit den Gesamt-Rückstand. In so einem Szenario hat dann die Mannschaft die Nase vorne, die in Summe mehr Einzelsiege zu verbuchen hat. Damit setzte sich der Hausherr durch, der elf der 20 Begegnungen für sich entschieden hatte.
„Ein so knappes Ausscheiden tut natürlich extrem weh“
„Es waren zwei sensationelle Halbfinalkämpfe. Ein so knappes Ausscheiden tut natürlich extrem weh, und es ist schwierig, nach so einem nervenaufreibenden Kampfverlauf die richtigen Worte zu finden“, war von den Burghauser Verantwortlichen zu vernehmen. „Unser Team hat bis zur letzten Minute alles gegeben. Am Ende hat es einfach nicht sein sollen. Wir haben die perfekte Aufstellung erwischt, um hier doch noch das schier Unmögliche möglich zu machen. Doch bei so knappen Kämpfen wird jeder Fehler gnadenlos bestraft. Das Ausscheiden nun an einer Person festzumachen, wäre komplett falsch. Wir gewinnen als Team und wir verlieren als Team.“
Am Ende müsse man festhalten, dass Wacker im ersten Aufeinandertreffen zu viel liegen gelassen habe. „Nachdem uns bereits kurz vor dem Kampf mitgeteilt wurde, dass ein Schorndorfer verletzt aufgeben würde, haben uns viele Leute einen Protest nahe gelegt. Fakt ist aber: Wir haben auf der Matte verloren. Der ASV hat uns diese Saison dreimal besiegt und steht verdient im Finale. Deshalb Glückwunsch nach Schorndorf und viel Erfolg in den Endkämpfen“, so der SVW, der sich besonders bei den Fans bedankte.
ASV Schorndorf – SV Wacker Burghausen 15:14/bis 61 kg griechisch-römischer Stil (GR): Georgios Scarpello – Fabian Schmitt 0:4 (Aufgabe nach 21 Sekunden), bis 66 kg Freistil (FS): Burak Demir – Arsen Harutyunyan 0:4 (Technische Überlegenheit/TÜ 0:15 nach 2:53 Minuten), 71 kg GR: Ruslan Kudrynets – Michael Widmayer 0:2 (Punktsieg/PS 1:5), 75 kg FS: Shamil Ustaev – David Baev 0:4 (TÜ 0:16 nach 3:36), 75 kg GR: Ibrahim Ghanem – Sultan Muhametow 4:0 (Schultersieg/ScS 17:0 nach 2:19), 80 kg FS: Murad Kuramagomedov – Chermen Valiev 2:0 (PS 5:1), 80 kg GR: Ahmet Yilmaz – Idris Ibaev 3:0 (PS 21:8), 86 kg FS: Arsenii Dzhioev – Eduard Tatarinov 4:0 (TÜ 16:1 nach 4:15), 98 kg GR: Lucas Lazogianis – Felix Baldauf 1:0 (PS 3:3), 130 kg FS: Mohsen Siyar – Erik Thiele 1:0 (PS 6:4).
− rh
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