40 Monate Haft
Testament gefälscht – 312000 Euro erschlichen

67-Jährige aus dem südlichen Landkreis Altötting war Freundin und Unterstützerin des Erblassers

30.11.2023 | Stand 04.12.2023, 10:24 Uhr |
Theresia Atalay

Verteidiger Karl-Heinz Merkl hatte auf zwei Jahre mit Bewährung für seine reuige Mandantin plädiert, die im Bildhintergrund von ihren Töchtern abgeschirmt wird. − Foto: Atalay

Mit Fußfesseln haben Strafvollzugsbeamte eine 67-jährige Angeklagte in einen Sitzungssaal des Landgerichts Traunstein geführt, obwohl sie sich wegen ihrer körperlichen Schwäche auf zwei von ihnen stützen musste. Die Anreise war von der Justizvollzugsanstalt Aichach erfolgt, wo sie seit sechs Monaten einsitzt, weil sie im Mai diesen Jahres in Untersuchungshaft genommen wurde. Die bisher unbescholtene Frau aus dem südlichen Landkreis Altötting soll im April 2018 ein Testament zu ihren Gunsten erstellt, mit der Unterschrift des verstorbenen Freundes versehen und dem Nachlassgericht vorgelegt haben. Die daraus resultierenden Geldwerte von insgesamt 312000 Euro habe sie teilweise auf ein Konto ihrer Tochter gutschreiben lassen. Somit habe sie sich der Urkundenfälschung, des Betrugs und der Geldwäsche schuldig gemacht, so die Anklage.

„53 Jahre ging Hans* bei uns ein und aus, er war wie ein Teil der Familie, auch für meine Kinder und Enkel“, beschrieb die Angeklagte das Verhältnis zu dem Mann, dessen mobilen Nachlass sie sich „unter den Nagel riss“, wie Staatsanwalt Dr. Gregor Stallinger das Vergehen beschrieb. Sie habe täglich für ihn gekocht und ihn auch ins Krankenhaus gefahren, als es ihm immer schlechter ging. Das geschwisterliche Verhältnis sei noch intensiver geworden, als sie ihm ihren Schmerz darüber anvertraut habe, dass ihr Ehemann sie betrügt. Kurz bevor der schwerstkranke Mann ins Koma fiel, habe er ihre Hand ganz fest umschlossen und gesagt: „Evi*, du musst mein ganzes Geld nehmen.“ Anstatt eiligst einen Notar hinzuzuziehen, habe sie geantwortet: „Jetzt geht es nicht ums Geld, jetzt geht’s nur um deine Gesundheit.“ Die Ärzte hätten ihr geraten, die vorhandene Patientenverfügung um mehr Befugnisse erweitern zu lassen. Sie habe ihn täglich besucht und sich um alles gekümmert. Seine beiden Schwestern seien auch nicht gekommen, als es nach zwei Wochen zu Ende ging. Pias Reaktion sei gewesen: „Ich habe sowieso nur einen bösen Bruder gehabt.“

Als Hans seine Augen für immer schloss, habe sie das, was er ihr aufgetragen habe, auf einen Zettel geschrieben: „Meine gesamten Sparkonten und Lebensversicherungen vermache ich Evi, ihr habt soviel getan für mich“.

Bei allen Angelegenheiten hätten die Schwestern sie fortan um Erledigung gebeten. Erst als sich ein von allen Seiten unerwünschter Bekannter aufgedrängt habe, Betreuer der Schwestern zu werden, habe sie auch den Briefumschlag für das gefälschte Vermächtnis geschrieben und beim Amtsgericht abgegeben. Kurz darauf sei sie mit den beiden, die alleinig Haus und Grund geerbt haben, zur Bank gefahren und sie Formalitäten unterschreiben lassen. Das Geld von Hans habe sie auf Anraten der Bankberaterin auf ein Unterkonto einer der Töchter buchen lassen. Ihr eigenes Konto habe sich bei jenem Geldinstitut befunden, bei welchem ihr Ehemann früher in leitender Funktion beschäftigt war. Und dieser sollte aufgrund der inzwischen desolaten Ehe von der Erbschaft nichts mitbekommen.

Nach der Beschreibung der Angeklagten würden die beiden Schwestern des Erblassers ihr „eigenes“ Leben führen: kaum soziale Kontakte, über alle Maßen sparsam. So verbrenne Pia Laub, um Brennmaterial zu sparen. Beide hätten bis dato nicht über ein Bankkonto verfügt, Pia habe keine Krankenversicherung. Das Verhältnis zwischen Hans und den Schwestern sei äußerst wortkarg und unfreundlich gewesen. Bevor sie Rentnerinnen wurden, arbeitete Burgi* als Raumpflegerin und Pia als Näherin. „Bei uns ist nie viel geredet worden, schon zwischen den Eltern nicht“, berichteten die beiden.

Während sich Burgi nur an Fragmente erinnerte, berichtete Pia: „Von einer Bedrohung durch Evi weiß ich nichts“, und gleich darauf: „Was passiert wäre, wenn wir bei der Bank nicht unterschrieben hätten, weiß ich nicht, es war ja schon immer alles vorbereitet.“

Der 70-jährige beste Freund des Verstorbenen sagte im Zeugenstand: „Der Hans hat über die Evi nie was kommen lassen. Die zwei waren zusammengeschworen.“ Er habe sie immer hoch geschätzt. „Mit dem Hans bin ich oft auf Berge gestiegen, über finanzielle Dinge haben wir aber nie gesprochen.“ Ob die fünf alten Traktoren dem Hans oder der Evi gehört haben, könne er gar nicht mit Gewissheit sagen, so eng seien die beiden gewesen. Hans habe – wie seine ältere Schwester Pia – im elterlichen Haus gewohnt. Burgi lebe in ihrer Eigentumswohnung. Der Mann, der eine amtliche Betreuung der beiden Schwestern angestrebt habe, sei für alle ein rotes Tuch gewesen.

Nach Aktenlage habe das Vermächtnis rund 380000 Euro ausgemacht. 70000 seien zwar den Schwestern zugeflossen, allerdings von der Angeklagten mitversteuert worden. Die Erbschaftssteuer habe sich auf etwa 112000 Euro belaufen. Mit dem Tod von Hans seien einige Versicherungen fällig geworden und auf die Konten der bezugsberechtigten Schwestern geflossen.

Die Versicherungsangestellte berichtete als Zeugin, sie habe Pia und Burgi aufgesucht und gleich neue Verträge mit ihnen abgeschlossen. Später gaben beide an, sie hätten sich überrumpelt gefühlt und keine neuen Verträge gewollt. Als die Policen kamen, habe Evi deshalb den Widerruf veranlasst und das bereits eingezogene Geld auf ihr eigenes Konto überweisen lassen. Der Polizeibeamte verneinte die Frage, ob er bei der Vernehmung der beiden Schwestern den Eindruck gewonnen habe, dass sie Angst vor Evi hatten, wenngleich ihnen Widerspruch schwer gefallen sei.

Als makaber bezeichnete der Staatsanwalt die Tatsache, dass sich die Angeklagte bereits vor dem Tod ein Bild von den Unterlagen von Hans machte für die bevorstehende Erweiterung ihres Aufgabenbereiches. Weiters glaube er nicht, dass die Familie der Angeklagten nicht eingeweiht war. Nur der eingetretenen Verjährung sei zu verdanken, dass keine weiteren Ermittlungen gegen sie veranlasst würden. Die Angeklagte habe sich mit den ärmlichst lebenden Schwestern bewusst schwache Opfer ausgesucht und diese wie eine Weihnachtsgans ausgenommen. Es sei ihr ein Leichtes gewesen, die beiden derart unter Druck zu setzen, dass sie sich nicht zu helfen gewusst und alles unterschrieben hätten. Als Ehefrau eines Bankvorstands habe sie gewusst, dass ihre Eröffnung eines Unterkontos nur zur Verschleierung des Betruges diente. Deshalb sei ihr neben Urkundenfälschung und Betrug auch Geldwäsche vorzuwerfen. Dr. Stallinger beantragte eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren.

Dem Verteidiger, Rechtsanwalt Karl-Heinz Merkl, schien es, als spreche der Vertreter der Staatsanwaltschaft von einem anderen Fall. Schließlich habe die Angeklagte den letzten Willen des Verstorbenen umgesetzt, freilich mit einer strafbewehrten Methode, die seine reuige Mandantin von Anfang an eingeräumt und die Schadenswiedergutmachung sowie den Täter-Opfer-Ausgleich vollends geleistet habe. Wäre sie so gierig wie sie der Staatsanwalt sehe, wäre es ein Leichtes gewesen, sich als Erbin einzusetzen und somit auch die Immobilien von Hans zu erben. Während die Ärzte ihre Fürsorge schätzten, habe Dr. Stallinger prüfen lassen, ob sie dem Ableben von Hans auf der Intensivstation nachgeholfen habe. Der Verteidiger bat das Gericht, das Alter und die angeschlagene Gesundheit der Angeklagten zu berücksichtigen und schlug eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung, vor.

Die Vorsitzende Richterin der 6. Strafkammer, Jacqueline Aßbichler, verkündete das Urteil, das auf drei Jahre und vier Monate Freiheitsstrafe lautet. Der „brillant“ ausgestaltete Täter-Opfer-Ausgleich sei als hochwertig angesehen worden und habe als „Riesengewicht“ zu einer geringeren Strafe beigetragen. Die Angeklagte habe bis dahin ein anständiges Leben geführt, ihr Fall sei tief.

− ta


*Alle Namen wurden geändert.
 

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