Es ist ein bisschen wie Heimkommen. Auch wenn Burkhard Sigls mit seiner Familie im Alter von gerade zehn Jahren in die Nähe von Augsburg zog, ist ihm Burghausen mit der malerischen Altstadt und das Kurfürst-Maximilian-Gymnasium, in dem der Vater als Musiklehrer wirkte, immer Heimat geblieben.
Im Haus nebendran, mit Blick aufs Schulgebäude und auf die Salzach, hatte die Familie gelebt. Dort wurde auch der Grundstein für Burkhard Sigls Karriere als Bratschist gelegt, die ihn nun nach über 30 Jahren erstmals wieder zurück in die Salzachstadt führt.
Seit 2001 bei den Münchner Philharmonikern
1964 waren seine Eltern wegen des ersten Lehrauftrags des Vaters von Straubing nach Burghausen gezogen und hatten kurz darauf vier Kinder bekommen, 1966 kam Burkard Sigl als zweites Kind zur Welt. Musik spielte im Hause Sigl immer eine große Rolle. Auch die Mutter war begeisterte Hobbymusikerin und wie er wurden die drei Geschwister Musiker. „Wir haben viel Hausmusik gemacht“, erzählt Sigl. Allerlei Instrumente standen in der Wohnung herum und Sigl hatte sich früh für die Geige interessiert.
Erst im Studium am Salzburger Mozarteum entschied er sich für die Bratsche. „Ihr tieferer Klang gefiel mir besser. Für mich ist sie in der Kammermusik das ideale Instrument.“ Und die Bratsche brachte ihm Vorteile: Geiger gibt es viele, Bratschisten waren und sind gesucht. Womöglich hat sich so die ein oder andere Chance aufgetan, die er sonst nicht gehabt hätte, mutmaßt er.
Nach dem Studium folgten ein Lehrauftrag am Mozarteum für Viola und mehrere Meisterkurse. Nach dem Wirken in zahlreichen Ensembles entschied er sich erst mit Anfang 30 die Laufbahn als Orchestermusiker einzuschlagen. „Das war sehr spät“, sagt Sigl. Die Altersgrenze liege eigentlich bei 30 Jahren. Doch 1998 ergatterte er eine Stelle beim Philharmonischen Staatsorchester Hamburg, 2001 wechselte er zu den Münchner Philharmonikern und lebt mit seiner Familie seither in der Landeshauptstadt.
Doch die Orchesterarbeit ist nur ein Teil von Sigls Beruf. „Mein Herz schlägt für die Kammermusik“, sagt der 58-Jährige. „Das Spielen im Orchester ist wunderschön, es ist Musizieren auf hohem Niveau, aber man ist ein kleines Rädchen im Getriebe.“ Das Spielen in Ensembles dagegen biete die Möglichkeit, sich zu verwirklichen.
Im Schnitt seien es gut zwei bis drei Konzerte die Woche, die Sigl spielt. Geht er, wie jüngst mit den Philharmonikern, drei Wochen auf Japan-Tour, sind es auch mal 17 Konzerte in drei Wochen. Spielt er nicht im Orchester, nutzt er die Zeit für Kammermusik – und fürs Üben. „Ich muss trainieren wie ein Profisportler; jeden Tag, mit wenigen Ausnahmen.“ Auch nach vielen Jahren Bühnenerfahrung ist Sigl immer noch ein wenig nervös vor jedem Auftritt. „Ich finde das nicht negativ. Das zeigt, dass man konzentriert ist und einen besonderen Moment erlebt.“
Wobei die Nervosität am Sonntag ein wenig anders war als sonst. Freunde, die ihn seit der Burghauser Zeit begleiten, und Familie saßen im Publikum. Mehrmals hatte sich Sigl schon mit verschiedenen Formationen für die Reihe der Burghauser Meisterkonzerte beworben. „Ich habe mich schon immer dafür interessiert.“ Heuer hat es geklappt. Vier Orchester-Kollegen und er traten als „Philharmonisches Quintett München“ auf. Sie spielten in der fast ausverkauften Aula des Gymnasiums, in der der Vater und auch Sigl als kleiner Bub schon standen, ein zweistündiges Programm.
Image der Bratsche hat sich gewaltig verändert
Es erklangen Alexander Glasunovs Streichquintett in A-Dur op. 39 und Franz Schuberts Streichquintett in C-Dur D 956 op. post. 163. Zwei konträre Stücke, die in der ungewöhnlichen Besetzung mit zwei Violinen, einer Bratsche und zwei Celli den basslastigen Charakter gemeinsam hatten.
Ruhestand gibt es auch als Orchestermusiker. Theoretisch. „Wenn ich mich fit genug fühle, mache ich noch so lange weiter, wie es geht“, sagt Sigl. Auch weil ihm die aktuelle Entwicklung zusagt: Das Niveau der Musiker, viele von ihnen aus Asien, sei enorm gestiegen. Das Image der Bratsche habe sich in den vergangenen 15 Jahren gewaltig verändert. Das Instrument habe an Bedeutung gewonnen. Für Sigl ist das Ansporn dazulernen, dranzubleiben sich weiterzuentwickeln, denn: „Für mich ist die Musik Beruf und Hobby zugleich.“
Johanna Richter
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