Marktl
Mit 50 Tonnen Zugkraft unterm Inn durch

Bayernwerk erneuert Mittelspannungsfreileitung rund um Marktl für 3,5 Millionen Euro

02.04.2023 | Stand 17.09.2023, 0:07 Uhr

In der hydraulischen Anlage mit 50 Tonnen Zugkraft dirigiert ein Mitarbeiter die Gestänge mit dem Bohrkopf von der Startgrube aus durch die Gesteinsschichten. −Fotos: Alfred Kleiner

Die Bayernwerk Netz GmbH verstärkt das Mittelspannungsnetz rund um Marktl, verlegt neue Kabel unter der Erde und investiert bis Ende des Jahres dafür rund 3,5 Millionen Euro. Um den Inn zu unterqueren, setzt der Verteilnetzbetreiber eine Spülbohrtechnik ein. Bei der Pilotbohrung ortet ein Boot mit einem Peilsender zu jeder Zeit die genaue Lage und Tiefe des Bohrkopfes.

Bislang laufen drei Freileitungen aus dem Schalthaus Marktl über den Inn und versorgen die Ortsteile Bergham, Aiching, Oberloh und Stockach. Für das neue Gewerbegebiet in Bergham sowie im Zuge weiterer Bauvorhaben ersetzt das Bayernwerk jetzt die Stromleitungen. Die Techniker verlegen dazu unterirdisch rund acht Kilometer Mittelspannungskabel mit größerer Kapazität. Mit einer Spülbohrung unter dem Fluss macht das Bayernwerk dabei den Weg für die 20000-Volt-Kabel frei.

Wie die Leitung den Inn unterquert, erläuterten bei einem Ortstermin dieser Tage Maximilian Schmauß, Netzbauleiter vom Bayernwerk-Kundencenter in Eggenfelden, Baubegleiter Manuel Lackner und der Bauleiter der Max Streicher GmbH Deggendorf, Stefan Graziani. Die Unternehmensgruppe hat bis jetzt das Sagen bei den Tiefbauarbeiten, wenn die Kabelschutzrohre eingezogen sind, ist das Bayernwerk am Zug.

Eine Baustelle nördlich des Inns im Osten des Ortsteils Gries, eine Baugrube auf der Südseite hoch über dem Steilhang in Bergham, auf einer Länge von insgesamt nahezu 500 Metern liegt zwischendrin der Fluss auf 200 Meter Breite. Auf dem Wasser sind drei Mann in einem Ortungsboot tätig. In der hydraulischen Bohranlage mit 50 Tonnen Zugkraft dirigiert ein Streicher-Mitarbeiter den Vorgang. Der Bohrkopf arbeitet sich für die benötigten Rohre immer wieder durch die Erd- und Gesteinsschichten.

Von der Startgrube aus wird eine horizontale Bohrung (Pilotbohrung) zu einer Zielgrube geführt. Mit einer Sonde und dem elektromagnetischen Messsystem wird die Bohrung ständig kontrolliert und somit zielgenau in das Erdreich eingebracht. Durch die Flexibilität der Bohrstangen und die Steuerbarkeit des Bohrkopfes lässt sich die Richtung entsprechend verändern.

Dabei wird der Boden vom Bohrkopf sowie der aus Düsen austretenden Wasser-Bentonit-Suspension unter hohem Druck gelöst. Die Maschine spült den Bohrkanal frei, bis er groß genug ist. Durch Spülungen und immer größere Bohrkopfaufsätze wird der Kanal dann Stück für Stück geweitet. Danach erfolgt im Rückzugsverfahren – ausgehend von der Zielgrube – der Einzug des Kabelschutzrohres.

Nördlich des Inns trifft der Bohrkopf im Gelände ab etwa zehn Meter Tiefe auf absolut groben Kies, darunter auf Ton; auf der Südseite arbeitet er sich den Steilhang hoch wiederum durch Grobkies und Findlinge. Für jede Geologie ist ein anderer Bohrkopf notwendig. Die Spülbohrung unter dem Fluss verläuft in gut 20 Meter Tiefe, also etwa 15 Meter unter der Sohle des Inns, der hier bis zu sieben Meter tief ist. Am Steilhang geht es von der Wasseroberfläche aus wieder bis zu 30 Meter hoch. Die Männer auf dem Boot orten mittels Peilsender die genaue Position, nicht so einfach bei der starken Strömung an dieser Stelle.

Die Bentonit-Mischung, die durch den Bohrkanal gespült wird, kann immer wieder verwendet werden. Das Material wird im Recycler gesiebt und aufbereitet, damit wieder eine homogene Masse entsteht. Anschließend wird die Spülung wieder für die nächste Bohrung genutzt, bis der Bohrkanal den notwendigen Durchmesser erreicht hat.

Auch wenn das Verfahren bewährt ist, jede Bohrung ist für sich aufgrund der unterschiedlichen Bodenverhältnisse einzigartig. Die Arbeiten in Marktl sind besonders anspruchsvoll, weiß Bayernwerk-Projektleiter Michael Jetzlsperger: „Bei der Unterquerung des Innwerkskanals sowie eines Kanalbauwerkes des Marktes Marktl im Norden der Baustelle werden die Kabel unter- und nicht nebeneinander eingebracht, um das Baufeld optimal zu nutzen.“ Laut Michael Jetzlsperger überwindet der Bohrkopf im Gelände einen Höhenunterschied von rund 50 Metern. „Präzises Arbeiten ist besonders wichtig. Gerade die sogenannte Pilotbohrung sei entscheidend für den Projekterfolg.“ Die Baustelle ist Mitte November 2022 eingerichtet worden und soll bis Ende April geräumt werden.

Die Bohrarbeiten führt die Streicher-Unternehmensgruppe als Auftragnehmer des Bayernwerks aus. Für den Bauabschnitt rechnet das Bayernwerk noch mit einer Bohrzeit von zirka drei bis vier Wochen, bis die Leerrohre eingezogen werden können. Im Anschluss werden die Erdbauarbeiten fortgesetzt. Es sind noch weitere Spülbohrungen in kleinerer Dimension, z.B. unter einem Kanalwerk, notwendig, die ebenfalls von der Firma Streicher ausgeführt werden. Vor Beginn der Arbeiten hat die Erdbaufirma Elektro Meier tragfähige Baustraßen und den gut 120 Meter vom Innufer entfernten Bohrplatz errichtet.

An den anderen Stellen zwischen dem Schalthaus in Marktl und den Ortsteilen Bergham, Oberloh und Stockach werden auf einer Länge von insgesamt gut acht Kilometern die Leerrohre überwiegend in offener Bauweise eingebracht. Diese Arbeiten führt die Partnerfirma Elektro Meier aus. Bis Ende dieses Jahres soll die Verkabelungsmaßnahme abgeschlossen sein, dann folgt die Inbetriebnahme. Die bestehenden Freileitungen mit den Strommasten werden anschließend zurückgebaut. Im Zuge der Arbeiten werden auch zwei vorhandene Trafostationen ersetzt und zwei neue Stationen im Ortsteil Bergham errichtet.

− mk