Sie ist mittlerweile 31 Jahre alt, aber auf der Bühne im Burghauser Jazzkeller wirkt sie immer noch wie der Teenager, als der sie zusammen mit ihren Geschwistern bekannt wurde: Kitty Liv war über Jahre Teil der Band Kitty, Daisy & Lewis, die vom Londoner Stadtteil Kentish Town aus die Musikwelt eroberten und sich in respektable Höhen aufschwingen konnten – nicht zuletzt als Vorgruppe für Coldplay, aber auch eigenständig auf unzähligen Tourneen und mit ansehnlichen Plattenverkäufen. Jetzt hat Kitty Liv eine eigene LP herausgebracht, im August ist sie erschienen.
Dass Kitty Liv ihr erstes Soloalbum jetzt im Jazzkeller zum Auftakt des Burghauser Jazzherbstes vorstellte, war nicht geplant, weil aber die eigentlich eingeladene Layla Zoe aus Kanada krankheitsbedingt absagen musste, sprang Kitty Liv ein. Das Team der IG Jazz bewies bei der Suche nach einem Ersatz ein hervorragendes Händchen: Das Ergebnis war ein fulminanter Abend einer Sängerin, die zwar „nur“ von Liebe, Leid und Leidenschaft erzählte, aber das mit einer Stimme, die sich ebenso einprägte wie die Ausstrahlung, mit der sie das Publikum vom ersten Ton an eingefangen hatte.
Auf die Bühne gekommen war Kitty Liv zusammen mit ihrem Ehemann Jack Flanagan (Schlagzeug) und ihrem Bruder Lewis Durham (Bass). Zu dritt spielten sie sich durch Kittys Premieren-Album, dass es eine Freude war: teil recht harter, immer aber ausdrucksvoller Rock, der vom Schlagzeug so angetrieben wurde, dass keine Langeweile aufkommen konnte. Im Gegenteil – vom Start weg wurde in den Stuhlreihen geschnippt und mitgewippt. Immer noch hat Kitty Liv, die schon seit ihrem elften Lebensjahr als Musikerin auf der Bühne steht, die charmante und etwas schüchterne Ausstrahlung einer Oberstufenschülerin, die in der Schulband auftreten darf – aber diese Band ist hochprofessionell, es sitzt jeder Ton, jeder Beat und jeder Griff in die Saiten so perfekt, dass man die Lässigkeit, die so gut in das Ambiente des Jazzkellers passt, in dem das Publikum den Künstlern so nahe sitzt, richtig genießen kann.
Die Inhalte von Liedern wie „Sweet Dreams“ oder „Neck on the Line“ sind, genau genommen, relativ simpel, sie stammen aus der Welt der jungen Erwachsenen, sie handeln von Freundschaft, Sehnsucht, Liebe, die entweder gerade entsteht oder gerade verloren wurde. Und doch wirkte nichts banal, zu stark und emotional aufgeladen ist Kittys Stimme, man ist versucht, ihre jede Liedzeile als selbst erlebt zu glauben.
Kitty Liv ist eine Ausnahmemusikerin mit einem großen musikalischen Selbstbewusstsein. Sie weiß, dass sie die Show trägt und sie bleibt dem Publikum nichts schuldig. So direkt, wie sie ihre Musik spielte, war auch die Kommunikation mit dem Publikum: ein paar Worte zwischen den einzelnen Titeln, keine „Selbstbeleuchtung“, die Musikerin und Sängerin ließ lieber ihre Bass-Gitarre und ihren Gesang sprechen. Dabei allerdings gab sie alles, was vom Publikum mit langem und begeistertem Applaus quittiert wurde.
In Burghausen hat sich die junge Britin an diesem Abend viele neue Fans erspielt, bleibt zu hoffen, dass Ihre Zusage „See you again“ sich irgendwann bewahrheitet.
− tz
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