Im Sommer 2025, wenn die Stadt Burghausen 1000 Jahre urkundliche Erwähnung feiert, starten die Helmrecht-Freiluftspiele. Sie sind das Herzstück der Feierlichkeiten. Die ganze Bevölkerung ist eingebunden und engagiert sich in verschiedenen Abteilungen. Diese werden in einer monatlichen Serie kurz vorgestellt. Im elften Teil erzählt Bill Soutter, Leiter der Gleichstellungsabteilung.
„Wir fördern die Inklusion“, stellt er voran. Seiner Abteilung ist es wichtig, dass jeder, der mag, trotz Hindernissen mitmachen kann. „Wer dem Projekt technisch oder kreativ wertvolles beitragen will und wer trotz allerlei Einschränkungen unser Festspiel miterleben will – dem soll dies irgendwie ermöglicht werden.“ Alle Abteilungen sähen sich hier in der Pflicht. Die Abteilung Gleichstellung befasse sich zudem ausdrücklich mit der praktischen Überwindung solcher Probleme. „Oft in Absprache mit anderen Abteilungen initiieren wir Ansätze zum Abbau aller Barrieren und Ungleichheiten.“
Dank der Arbeit der Gleichstellungsabteilung gibt es einen verbindlichen Verhaltenskodex, eine unverzichtbare Hilfestellung dort, wo mehrere Hunderte Menschen aus allen Altersgruppen über viele Monate eng zusammenarbeiten wollen. Darin heißt es: „Wir achten auf ein freundliches Miteinander auf Augenhöhe – auch bei Stress; auf Grenzen: Nein heißt Nein. Nur Ja heißt Ja; besonders auf die Sicherheit und Bedürfnisse von Kindern; auf den verantwortungsvollen Umgang mit dem Alkohol.“
Ins Leben gerufen wurde eine Art Awareness-Team, das während der ganzen Produktions- und Aufführungsphasen schnell und diskret reagiert, wenn sich Helmbrechtler und Helmbrechtlerinnen oder Gäste unwohl, missachtet oder schlecht behandelt fühlen. „Geschlecht, Alter, Herkunft und Gesundheitszustand gehören respektiert. Alle Helmbrechtler sind aufgefordert, nicht wegzuschauen, sondern gemeinverantwortlich dafür zu sorgen, dass mit Helmbrecht alle nur Spaß und Freude verbinden“, betont Soutter.
Während der Produktionssaison sollen sowohl in der Theaterzeitung als auch vielerorts sonst Bierdeckel erscheinen, die an die Inklusion erinnern und gewohnheitsmäßige Ungleichstellungen vergegenwärtigen dürften.
Ein weiteres wichtiges Thema: Die Barrierefreiheit, die komplett angestrebt wird; gleich ob für Hör- oder Gehgeschädigte. Für letztere soll es beispielsweise einen Shuttledienst und Tribünenplätze für Rollstuhlfahrer geben.
Für jene, für die eine mittelalterliche Erzählung schon vom allgemeinen Wissensstand her ein noch zu fremdes Terrain ist, oder denen die deutsche Sprache manchmal auch im Weg steht, soll es Unterstützung im Programmheft geben. Ebenfalls geplant sind Voraberläuterungsveranstaltungen an den örtlichen Schulen.
Im bunt gemischten Gleichstellungsteam machen derzeit acht Menschen aktiv mit. „Es werden hoffentlich mehr hinzukommen“, so Soutter.
Miriam Peuker, die sich beruflich und von der Aus- und Weiterbildung viel mit Menschen mit den verschiedensten Problemen befasst, hat federführend die Geburtsstunde der Abteilung geleitet. Birgit Reineke-Reiprich vom Kulturbüro und der Organisationsabteilung unterstützt. Jay Jeske hilft, die Reichweite und Konsequenzen der Verantwortung besser zu verstehen. Frank S. Mayer steuert mit seinem allgemeinen und geschichtlichen Wissen Informationen und Hinweise bei. Das Awareness-Team begann als ein Kind von Hannah Eberle, die es dann vorwiegend mit Johanna Schachtl mit einer detaillierten Konzipierung realisiert hat. Sozialarbeitsstudentin und Bezirksrätin Johanna Schachtl schaut außerdem jedem in puncto Gendern auf die Finger. Maria Hackinger steht dem Team mit ihrem Wissen aus erster Hand über das Thema Behinderung zur Seite und knüpft Kontakte. Bill Soutter – Ausländer, Neuburghauser, Rentner, Behinderter – fühlte sich von der Grundidee dieser Abteilung angezogen. Mit der Leitungsfunktion, aber auch auf der Bühne mit der geteilten Rolle des Wernher (also des Autors von Helmbrecht) und mit mehreren kreativen Aufgaben in der Abteilung Art Direction ist sein neues Rentnerdasein reichlich durchorganisiert.
„Noch vor uns steht die endgültige Ausgestaltung und Besetzung der Dolmetscherfunktion, die Verfassung eines Programmbeihefts in bildungsgerechter Form mit Informationen über die Geschichte, Figuren, Aussagen, Lehren und Zwecke des Stückes, die Suche nach einem Sponsoringpartner für unsere Bierdeckel und Gespräche mit Fachberatern, wie wir unsere Bemühungen besser feinstimmen können“, so Soutter. Er betont: „Wir werden unsere Arbeit als Erfolg erachten, wenn sich alle, die im nächsten Sommer die Bergerhofwiese betreten, an keine vermeidbaren Unglücksmomente erinnern können.“
− red/Foto: red
Alle bisher erschienenen Serienteile und weitere Berichte zu den Spielen finden Sie online unter www.pnp.de/helmbrecht
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