Burgkirchen
Ein Leben lang im Kampf gegen Krankheiten

Jetzt kämpft Werner Dunker auch noch gegen seine Krankenkasse und die Heilmittelrichtlinie – Klage vor dem Sozialgericht

09.12.2022 | Stand 17.09.2023, 21:10 Uhr

Werner Dunker (66) wurde bereits mit 17 Jahren als hundertprozentig schwerbehindert anerkannt. −Foto: Gerlitz

Werner Dunker ist zu 100 Prozent schwerbehindert und chronisch krank. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen ist der 66-Jährige eine Kämpfernatur. Geschenkt wurde ihm wirklich nichts, sein ganzes Leben lang musste er sich gegen widrige gesundheitliche sowie soziale Umstände durchbeißen.

So scheut sich der Burgkirchner nun auch nicht, gegen seine Krankenkasse juristisch zu Felde zu ziehen, wobei es in erster Linie um ein Prinzip geht: Muss sich ein chronisch Kranker, der keine Aussicht auf Genesung hat, immer wieder neu ein Rezept zur Behandlung ausstellen lassen oder kann solch eine Maßnahme zur Aufrechterhaltung der noch vorhandenen körperlichen Fähigkeiten auf Dauer genehmigt werden?

In diesem Sinne hat Werner Dunker Klage gegen die Barmer Ersatzkasse auf Bewilligung einer Kostenübernahme langfristiger Heilmittel vor dem Sozialgericht eingereicht. Sein Ziel ist, dass seine Krankenkasse die Kosten einer ambulanten Reha-Maßnahme in Form von Physiotherapie langfristig bewilligt. Wer weiß, vielleicht wird sich irgendwann in der Zukunft sogar das Bundessozialgericht mit der endgültigen Klärung dieser Frage beschäftigen. Immerhin betrifft dies prinzipiell viele chronisch Kranke im Land.

Was bei Werner Dunker den Ärger, der das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen brachte, auslöste, war ein Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenkassen, das zu dem Schluss kam, eine dauerhafte Verordnung sei nicht möglich. Der Burgkirchner kann nicht verstehen, wie seine Krankenkasse mit Schwerbehinderten umgeht: „Ich kann nicht begreifen, dass es Menschen gibt, die so unsoziale Entscheidungen nur nach Aktenlage treffen.“

Werner Dunker, der seit dem Jahr 2008 in Burgkirchen wohnt, kam 1956 in Kolbermoor zur Welt. Bei der Zwillingsgeburt stellte sich eine gesundheitliche Schädigung ein, durch die Werner Dunker von Geburt an behindert ist. Bereits im zweiten und fünften Lebensjahr musste er am Bein (Spitzfuß) operiert werden.

Nachdem er zuerst in die Sonderschule eingewiesen worden war, schaffte er es, die Landesschule für Körperbehinderte in München zu besuchen und dort eine Ausbildung zum Siebdrucker zu durchlaufen. Bereits mit 17 Jahren wurde er als hundertprozentig schwerbehindert anerkannt mit außergewöhnlicher Gehbehinderung.

15 Jahre lang arbeitete er im Wechselschichtdienst an der Pforte in der Unfallklinik Vogtareuth. 1997 bekam er eine doppelseitige Lungenentzündung. Im Jahr 2000 wurde seine Frühverrentung genehmigt.

Mittlerweile leidet Werner Dunker an einer Hemispastik rechts, einer Spinalstenose, einem degenerativen Lendenwirbelsäulensyndrom, Koxarthrose rechts, Beinverkürzung rechts, Immobilitätssyndrom und noch einigem mehr. Über die Runden kommt Werner Dunker nach eigener Aussage nur durch die Unterstützung seiner Frau Waltraud (75).

Zur Aufrechterhaltung seiner Beweglichkeit verwies ihn die Krankenkasse zunächst darauf, sich selbstständig und auf eigene Kosten bei einem Fitnessstudio anzumelden. Nach eigenen Erkundigungen konnte Werner Dunker der Barmer Ersatzkasse eine schriftliche Bestätigung eines Neuöttinger Fitnessstudios vorlegen, in dem klargemacht wurde, dass der Burgkirchner aufgrund seiner Einschränkungen nicht an den Kursen eines allgemeinen Fitnessstudios teilnehmen kann.

Danach forderte die Krankenkasse den 66-Jährigen auf, nochmals aktuelle Diagnosen vorzulegen, was er im Mai tat. Nach Auskunft aller den Burgkirchner behandelnden Ärzte ist Grundvoraussetzung für eine weiterhin wenigstens minimale Beweglichkeit des Patienten eine dauerhafte Therapie. „Ich muss auf Dauer an Geräten trainieren, sonst werde ich steif, sagte mir ein Orthopäde“, unterstreicht Werner Dunker.

Bereits seit vier Jahren trainiert er im Rehazentrum Alt-Neuötting. An drei Tagen in der Woche trainiert er dort an drei bis vier Geräten: Radfahren, Beinpresse, Rücken. Die Fahrten von Burgkirchen nach Altötting unternimmt er mit seinem eigenen Auto. Die Rezepte für diese Reha-Maßnahme bezahlte die Krankenkasse bis Anfang 2022. Seit Mai muss Werner Dunker nach eigenem Bekunden die Behandlung selbst bezahlen, was sich auf 69 Euro pro Monat beläuft.

Jedenfalls war eine Ablehnung seines Antrags die Aussage, die der 66-Jährige den Briefen der Krankenkasse entnahm. Möglicherweise schlich sich hier ein Missverständnis ein. Daraufhin beauftragte der Patient den Töginger Rechtsanwalt Markus Engleder mit einer Klage vor dem Sozialgericht München.

Der Rechtsanwalt erläuterte im Gespräch mit der Heimatzeitung, dass im Sozialrecht das Gericht selbst die Entscheidungsgründe ermitteln muss. Auf Kosten des Gerichts werden die behandelnden Ärzte angeschrieben mit der Bitte, Diagnosen mitzuteilen. Danach wählt das Gericht einen unabhängigen Sachverständigen aus, der ein Gutachten erstellen soll. Bis das Sozialgericht die Arztberichte eingeholt hat, wird es noch dauern nach Auskunft des Rechtsanwalts. Er rechnet mit einer Verfahrensdauer von drei Jahren, was dem Durchschnitt am Sozialgericht München entspricht. Für Engleder ist das ein Missstand.

Unter Umständen reichen die Arztberichte für das Gericht aus, um einen Vergleich anzuregen. Das geschieht dann, wenn das Sozialgericht die Lage für geklärt hält. Ansonsten wird das Gericht ein Gutachten in Auftrag geben. Dann müssen Werner Dunker und sein Rechtsanwalt abwarten, bis es einen Verhandlungstermin am Sozialgericht gibt.

Im Laufe der Recherchen der Heimatzeitung wurde klar, dass die Barmer Ersatzkasse nicht grundsätzlich gegen eine Kostenübernahme für die Heilbehandlung ist, sondern nur gegen eine unbefristete Verordnung. Pressesprecherin Stefani Meyer-Maricevic nannte als Grund dafür die Heilmittelrichtlinie. „Mit einer Langzeitverordnung können Ärzte bei Diagnosen schwerwiegender Krankheiten Heilmittel verordnen, die ein Patient über einen langen Zeitraum, mindestens ein Jahr, benötigt. Maßgeblich für die Bewilligung einer Langzeitverordnung ist die Heilmittelrichtlinie. Hat ein Patient eine Erkrankung, deren Diagnose in Anlage 2 der Heilmittelrichtlinie geführt wird, handelt es sich um einen langfristigen Heilmittelbedarf. Die Diagnoseliste der Heilmittelrichtlinie definiert der gemeinsame Bundesausschuss“, erläuterte die Krankenkassensprecherin.

Für die Physiotherapie der bei Werner Dunker diagnostizierten Koxarthrose darf die Krankenkasse nach den Worten von Stefani Meyer-Maricevic keine langfristige Therapie bewilligen, weil die für Dunker erstellte Diagnose in der Heilmittelrichtlinie nicht verzeichnet ist. Aber: „Obwohl wir keine langfristige Therapie der Koxarthrose übernehmen können, darf der Arzt weiterhin medizinisch notwendige Heilbehandlungen mit kürzerer Geltungsdauer zur Behandlung der Koxarthrose verordnen“, hob die Krankenkassensprecherin hervor.

Dennoch will Werner Dunker seine Klage vor dem Sozialgericht München aufrechterhalten. Der Kämpfernatur geht es eben ums Prinzip.