Vom Ersatz zur Bronzemedaille
„Ein bilderbuchmäßiges Olympia“ – Sprinterin Alexandra Burghardt nach ihrem historischen Erfolg im Interview

23.08.2024 | Stand 27.08.2024, 17:23 Uhr |

Die Altöttingerin Alexandra Burghardt jubelt, nachdem sie mit der Sprint-Staffel Bronze bei Olympia 2024 in Paris gewonnen hat. − Foto: imago images

Es war ein Rennen für die Geschichtsbücher: Gemeinsam mit Lisa Mayer, Gina Lückenkemper und Schlussläuferin Rebekka Haase sprintete Alexandra Burghardt von der LG Gendorf Wacker Burghausen bei den Olympischen Spielen in Paris über 4x100 Meter hinter den Staffeln aus den USA und Großbritannien zur Bronzemedaille.



Damit schaffte sie bei ihrem vierten Olympia-Auftritt Historisches: Als eine von sieben Sportlern weltweit holte sie sowohl bei Sommer- als auch bei Winterspielen (Silber im Zweierbob mit Pilotin Mariama Jamanka 2022 in Peking) Edelmetall.

Dabei musste die 30-Jährige die ein oder andere Hürde im Vorfeld überwinden. Eine hartnäckige Entzündung an der Fußsehne erschwerte die Vorbereitung, letztendlich war sie in Paris nur als Ersatzläuferin eingeplant. Nachdem Sophia Junk nach dem Vorlauf muskuläre Probleme hatte, ging stattdessen Burghardt im Finale als Startläuferin auf die Bahn und ebnete den Weg zu Bronze. Gegenüber der Heimatzeitung lässt die Altöttingerin diesen Erfolg Revue passieren – und sie berichtet, wann sie von ihrem Einsatz erfahren hat, wie sie damit umgegangen ist und wie sie die Spiele insgesamt erlebt hat.

„Kann sowas erst ein paar Monate später realisieren“

Frau Burghardt, das Finale ist mittlerweile schon zwei Wochen her. Konnten Sie den Erfolg und das, was Sie in Paris geleistet haben, schon realisieren?
Alexandra Burghardt: Die Saison ist ja noch nicht ganz vorbei. Ich habe noch viel zu tun und bin viel unterwegs. Erfahrungsgemäß kann ich sowas erst ein paar Monate später realisieren, wenn ich dann mal Leerlauf und Zeit zum Nachdenken habe.

Sie hatten vor den Spielen verletzungsbedingt schwierige Monate, sind aber rechtzeitig fit geworden. Trotzdem waren Sie zunächst „nur“ Ersatzläuferin. Wie hat sich das für Sie angefühlt?
Burghardt: Wenn ich ehrlich bin, habe ich die Wochen davor schon ein bisschen das Gefühl gehabt, dass es auf eine Ersatzposition rausläuft – auch wenn mir immer gesagt wurde, dass noch alles offen ist. Ich habe im Training immer alles gegeben und sehr gute Zeiten gehabt, deshalb habe ich schon gehofft, dass ich in die Startaufstellung komme. In der Staffel ist es so: Sechs Leute fahren mit, vier laufen. Ich habe die Entscheidung akzeptiert und versucht, das Team bestmöglich zu unterstützen. Und dann sieht man, wie schnell es in der Staffel anders kommen kann. Ruckzuck hat sich meine Rolle verändert.

Der Vorlauf war am Donnerstagvormittag, das Finale am Freitagabend. Wann haben Sie erfahren, dass Sie bei Letzterem an den Start gehen?
Burghardt: Am Donnerstagabend in der Teamsitzung. Sophia war nach dem Vorlauf beim Arzt, der gesagt hat, dass sie am nächsten Tag nicht laufen kann. Das war sehr emotional, weil für sie ein bisschen ein Traum geplatzt ist. Wir wussten, dass Sophia, Lisa-Marie Kwayie (zweite Ersatzläuferin, d. Red.) und ich leistungsmäßig für die Position eins auf einem Level sind und dass es für den Medaillentraum gut ausschaut. Für mich war das in dem Moment sehr überraschend, dass ich doch laufe und mich mental umstellen muss. Insgesamt hat uns das, glaube ich, als Team nochmal mehr zusammengeschweißt.

Wie haben Sie sich auf den Wettkampf vorbereitet?
Burghardt: Es war nicht leicht, aber ich hatte etwas Zeit, mit meiner Familie und meinem Mentaltrainer zu reden. Im ersten Moment freut man sich ja nur bedingt, weil das für eine andere bedeutet, dass es nicht klappt. Ich habe mich dann entschieden, am Freitagvormittag nochmal zu trainieren. Das Training lief nicht so gut. Aber es war wichtig, dass ich das gemacht habe. Abends war ich wie ausgewechselt – ein Unterschied wie Tag und Nacht. Das ist oft so, dass man etwas braucht, bis man den Körper aufweckt und alles wieder passt.

Ein olympisches Finale vor 80000 lautstarken Zuschauern im Stade de France. Wie ist es Ihnen gelungen, sich dabei aufs Rennen zu fokussieren?
Burghardt: Das ist uns allen gut gelungen. Wir waren total fokussiert, konzentriert und nicht überdreht. Es lag den ganzen Tag schon etwas in der Luft. Wir wussten, dass wenn wir alle unseren Job machen, wir nicht zaubern und auf Fehler der anderen hoffen müssen, um die Medaille zu holen. Ich war dann im Flow, wie in einer Blase. Als hätte ich Ohropax drinnen. So hat sich das angefühlt, also genauso wie es sein muss. Wir haben uns dann alle treiben lassen. Der Regen hat dem Ganzen noch eine passende Dramatik gegeben. Es war schon ein bisschen Gänsehaut-Feeling.

Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Lauf?
Burghardt: Sehr zufrieden. Ich bin heuer nicht so oft Kurven gelaufen, wegen dem Fuß. Ich habe ein super Rennen gemacht und die Staffel gut angeschoben.

Die Übergabe des Staffelstabs zwischen Ihnen und Lisa Mayer lief nicht ganz reibungslos ab, wie haben Sie diese Situation denn erlebt?
Burghardt: Wir haben die Übergabe noch nicht so richtig besprochen. Vielleicht hat bei mir ein bisschen die Konsequenz gefehlt, dass ich da nicht fest genug reingehauen habe. Der Stab ist Lisa wegen der Nässe etwas aus der Hand gerutscht. Dann hat sie versucht zu greifen, was auch nicht einfach war. Aber uns war klar, dass es innerhalb der Wechselzone war – und das ist das Wichtigste. Der Rest ist nach so einem Rennen egal.

Sie sind nun eine von nur sieben Sportlerinnen und Sportlern, die es geschafft haben, sowohl bei Winter- als auch Sommerspielen eine Medaille zu holen. Ein besonderes Gefühl?
Burghardt: Wenn mir das jemand vor vier Jahren gesagt hätte, hätte ich es nicht geglaubt. In dieser Zeit ist so viel passiert. Es war nicht mein primäres Ziel, zwei olympische Medaillen in zwei Sportarten zu holen. Meine persönliche Leistung und Zeit waren im Vordergrund. Ich hatte auch das Glück, dass ich so schnelle Teammitglieder habe. Ich bin nicht alleine dafür verantwortlich. Aber es ist schon was Besonderes. Dem letzten deutschen Sportler ist das 1988 gelungen, im vereinten Deutschland gab es das also noch nie. Ich bin gespannt, wer es als nächstes schafft.

Viele Aktive und Zuschauer schwärmen von den Olympischen Spielen in Paris. Wie lautet ihr Gesamtfazit?
Burghardt: Das waren für mich die schönsten Olympischen Spiele. Ich denke, dass das kaum mehr jemand so bald toppen kann. Die historischen Gebäude, die in die Sportstätten einbezogen wurden, 80000 Leute im Stadion, ausverkaufte Vormittagssessions, das Olympische Dorf, das Essen, die Leute. Man kennt ja das ein oder andere Vorurteil gegenüber Franzosen, dass sie nicht mit einem reden wollen. Aber das kann ich überhaupt nicht bestätigen. Die Leute waren happy, wollten sich austauschen und waren interessiert. Es war genauso, wie es sein muss. Ein bilderbuchmäßiges Olympia.

Nach dem ISTAF in den Urlaub Richtung Süden

Wie geht’s nun weiter für Sie?
Burghardt: Ich werde jetzt am Wochenende an einem Abendsportfest in Regensdorf/Schweiz teilnehmen und dann ist noch das ISTAF in Berlin. Es kommt aber auch darauf an, wie ich mich fühle. Ich war nämlich zuletzt ein paar Tage erkältet. Nach dem ISTAF ist es definitiv gut für heuer. Danach geht’s in den Urlaub. Irgendwo in den Süden, das machen wir spontan.

Mit Blick auf 2025: Was haben Sie noch für sportliche Ziele?
Burghardt: Ich bin voll motiviert fürs nächste Jahr und möchte meine persönliche Bestzeit angehen. Dann ist auch noch die WM in Tokio. Mit der Bahn dort habe ich gute Erfahrungen gesammelt. Dort möchte ich auf jeden Fall hin.

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