Burghausen
„Das Bürgerbudget ist nicht der richtige Weg“

Vorschlag von Bürgermeister Florian Schneider scheitert knapp im Stadtrat

27.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:29 Uhr

Viele Ideen hat der Bürgerrat im März und April gesammelt. Die am stärksten befürwortete war die Einführung eines bürgerlichen Vorschlagswesens. Mit dem Bürgerbudget sollte diese nun realisiert werden. Doch der Mehrheit der Stadträte gefiel das Konzept nicht. −Foto: Richter

Ein Bürgerbudget, über das Bürger verfügen und damit ihre Stadt mitgestalten können, das gibt es schon in vielen Kommunen Deutschlands, etwa in Puchheim, Unterschleißheim, Stuttgart oder Eching. Burghausen wird sich nicht in diese Liste einreihen. Das entschied der Stadtrat in seiner Januar-Sitzung mit einer knappen Mehrheit.

Geplant war es so: Bürger sollten sowohl über eine Onlineplattform als auch auf analogem Weg Projekte vorschlagen können, die mit dem Bürgerbudget umgesetzt werden können. Maximal 50000 Euro sollten dafür in den Haushalt des jeweiligen Jahres eingeplant werden. Für die digitale Cloud-Anwendung wurde bereits mit Digitalisierungsmanagerin Anna Leitmann ein Konzept entwickelt. Die Kosten für die Anwendung lägen bei rund 25000 Euro brutto für eine Laufzeit von drei Jahren.

Bürgermeister Florian Schneider gefiel die Idee des Bürgerbudgets, zumal dieses auch vom Bürgerrat, einer Gruppe ausgewählter Burghauser, die im März und April getagt hatten, gewünscht worden war. Diese hatte es als „Bürgerliches Vorschlagswesen“ bezeichnet, und mit einer Punktzahl von 46 war es sogar die Maßnahme, die neben dem Ausbau des Radwegenetzes die meisten Stimmen erhalten hatte. „Ich bin überzeugt, dass die Bürgerbeteiligung der richtige Weg ist, um die Leute bei Entscheidungen mehr mitzunehmen“, sagte Schneider und betonte: „Ich finde es gut und notwendig, für die Bürger noch weitere Zugangsmöglichkeiten zu schaffen.“ Das Bürgerbudget könne eine transparente Lösung sein. Denn nach der Einreichung könne man sich über den Bearbeitungsstand informieren, sehen wie andere Personen zu dem Vorschlag stehen und ob der Vorschlag umgesetzt wird, bzw. warum nicht. Schneider ist überzeugt, dass die Stadt mit dem Bürgerbudget nicht mehr Geld ausgibt. „Ich finde, wir sollten diesen Weg probieren.“

Stefan Angstl (Grüne) betonte den Wert von Volks- und Bürgerbegehren. Er ist sich sicher: „Die Jugendlichen nehmen das Angebot wahr.“ Sie hätten damit das Gefühl, ein Mitspracherecht zu haben. Und im Übrigen glaubt Angstl, dass es keineswegs ungerecht ist, wenn eher jüngere Burghauser Vorschläge einreichen. „Jugendliche haben einen immer geringeren Anteil an der Bevölkerung. Das Bürgerbudget ist von renommierten Institutionen gut untersucht. Die Beteiligung ist in der Regel sehr hoch.“

Die SPD-Fraktion stimmte Angstl und ihrem Bürgermeister klar zu. „Wir unterstützen das Bürgerbudget“, so Sprecher Franz Kammhuber. An den drei Beteiligungsgremien, die in 2022 abgehalten wurden, habe man gesehen, dass das Interesse sehr groß war. Im Bürgerbudget sieht er die Chance für junge Menschen, niederschwellig demokratische Arbeit zu lernen. „Was spricht dagegen, es zwei, drei Jahre auszuprobieren? Die letzte Instanz sind ja immer noch wir.“ Parteikollegin Hedi Mittermeier fügte an: „Das motiviert auch Schüler, offizielle Wege zu gehen und Vorschläge einzureichen.“ Wichtig sei es in ihren Augen aber, dass bei der Reihenfolge der Umsetzung nicht nur die „Likes“ im Internet zählen.

Grundsätzlichere Probleme mit dem Vorschlag hatte Frank Kokott (CSU). Er berichtet, dass die CSU-Fraktion intensiv diskutiert habe und zu dem Entschluss gekommen sei, nicht zustimmen zu können. Kokott glaubt, dass die Einführung des Bürgerbudgets einen Mehraufwand für die Verwaltung darstellt. „Ich sehe auch eine Benachteiligung. In der Abstimmung gewinnt derjenige, der die größte soziale Medienmacht hinter sich hat.“ Die Vorschläge der Älteren fielen seiner Ansicht nach hinten runter. Gegen eine Ideenbörse habe er nichts, auch dürfe jeder an einen der Stadträte herantreten. „Wenn der Vorschlag finanzierbar und realisierbar ist, dann wird er auch umgesetzt.“ Mit dem Bürgerbudget hingegen habe man keinen demokratischen Prozess. „Das Bürgerbudget ist nicht der richtige Weg.“ Thomas Schwembauer (AfD) sieht das ähnlich. „Keinem Jugendlichen ist es verwehrt, an den Stadtrat heranzutreten.“ Auch er sieht hier weniger Demokratie statt mehr.

Stefan Niedermeier (UWB) sagte: „Wir haben eine teure Homepage, darüber kann man sich digital an jeden Stadtrat wenden.“ Er hält die Mitsprache in Vereinen und Parteien als den Weg der Zukunft und nicht eine Partizipation übers Internet. Fraktionskollege Peter Schacherbauer (UWB) konnte sich in seinem Beitrag eine Spitze gegen Bürgermeister Schneider nicht verkneifen: „Mit Probeläufen haben sie ja reichlich Erfahrung.“ Er zählte exemplarisch den Rufbus und das Mitfahrbankerl auf, die seiner Ansicht nach nicht funktionierten. „Wir sind weder Rosario noch Porto Alegre, in denen diese Dinge großgeworden sind. Ich kann dem nichts abgewinnen und glaube nicht, dass es sinnvoll ist.“

Die Abstimmung fiel denkbar knapp aus. Die Fraktionen von SPD und Grünen waren dafür, die von CSU, UWB, FDP und der AfD-Vertreter dagegen. Am Ende stand es elf zu zwölf. Der Vorschlag wurde abgelehnt.

− jor