Von Christina Aicher
Fünf Starts, dabei dreimal Europameisterin und zweimal Vize-Europameisterin – für Claudia Thielemann (SG Bayer) hat sich die Masters-EM im Schwimmen zuletzt in Belgrad mehr als gelohnt. Einen großen Anteil an dem Erfolg hat ein Burghauser. Denn die 56-Jährige ist eine von mehreren Schützlingen von Stefan Hetzer vom SV Wacker. Fürs Training kommt sie deshalb auch immer wieder in die Salzachstadt und profitiert von den dortigen „perfekten Bedingungen“, wie sie sagt.
Thielemann, die in Nordrhein-Westfalen aufwuchs, war früher im deutschen A-Nationalkader und trainierte am Stützpunkt in Hamburg – „acht Stunden am Tag“, erzählt sie. Die harte Arbeit zahlte sich aus, unter anderem wurde sie Deutsche Meisterin. Mit 24 Jahren beendete sie jedoch ihre Karriere und konzentrierte sich auf ihr Studium. „Danach hört man mit dem Sport an sich natürlich nicht auf. Man muss ja auch abtrainieren.“ Statt ins Becken ging’s jedoch aufs Fahrrad. Außerdem lief sie viel. Mit dem Schwimmen hatte sie abgeschlossen. „Wenn man in einer Sportart unter Top-Bedingungen trainiert hat und das so nicht mehr hat, macht man das nicht weiter.“ Es sollte kein Ende für immer sein. Denn wie es der Zufall will: Rund 20 Jahre später hatte Thielemann Knieprobleme. Der Orthopäde riet ihr vom Laufen ab und empfahl stattdessen: „Schwimmen wäre gut.“
Für Thielemann war klar, dass, sollte sie wieder mit dem Schwimmen beginnen, „ich es richtig machen möchte“. Da es sie beruflich nach Wuppertal verschlagen hatte, klopfte sie bei der dortigen SG Bayer an. Zunächst musste sie ihre Zeit nachweisen. „Man hat schon gemerkt, dass das Alter nicht spurlos an einem vorbeigeht“, erzählt sie und fügt lächelnd hinzu: „Aber im Wasser fühlt man sich fast wie ein Teenager.“ Als ehemalige Hochleistungssportlerin war die Motivation immer noch da. So begann sie bei den Masters, für die es in Deutschland generell keine Trainer gibt. Einen solchen wollte sie aber definitiv haben.
Christof Wandratsch stellt den Kontakt her
Aus Zeiten in der Jugendnationalmannschaft kannte sie Christof Wandratsch. „Wir hatten über die Zeit immer ein bisschen Kontakt“, erklärt Thielemann, die zugleich wusste, dass der Wahl-Haiminger von Stefan Hetzer trainiert wird. „Deswegen habe ich ‚Wandi‘ einfach mal darauf angesprochen.“ Als sie das tat, war der Extremschwimmer gerade in Italien – halb Urlaub, halb Training. Die Zeit verbrachte er dort mit seinem Coach. „‚Wandi‘ meinte, dass ich doch einfach vorbeikommen soll“, so Thielemann. Gesagt getan. Daraufhin beobachtete Hetzer sie eine Woche lang und entschied sich, sie unter seine Fittiche zu nehmen. Neben dem Können „muss vor allem auch das Zwischenmenschliche passen“, erklärt der Trainer. Und die Chemie habe auf Anhieb gestimmt.
Das Duo ist seither im engen Austausch, meist telefonisch, aber auch per WhatsApp. Thielemann ist so oft es geht – meist in den Ferien – zum Training in Burghausen. „Die Bedingungen hier sind traumhaft. Auch vom Verein bin ich super aufgenommen worden. Alle sind sehr herzlich“, erzählt die 56-Jährige, die als Vorbild für die Jugendlichen etwas zurückgeben möchte. Den Job als Vice President HR, Privates, die Fahrten in die Salzachstadt und das Training unter einen Hut zu bringen, „ist nicht einfach“ – aber es ist möglich. Und es hat sogar schon zu einigen Erfolgen geführt.
Neben den kürzlich errungenen Top-Platzierungen in Serbien in der Altersklasse 55 bis 60 ist Thielemann bei den Masters unter anderem vierfache Weltmeisterin und hält mit 2:36,33 Minuten den Weltrekord über 200 Meter Schmetterling. Letzterer gelang ihr 2023 bei der WM in Japan. Es war ein Coup mit Ansage, hatte Hetzer ihr doch ungefähr drei, vier Jahre zuvor angekündigt: „Ich mache dich zur Weltrekordhalterin.“ Als es dann tatsächlich passierte, war es ein sehr emotionaler Moment für beide. Sogar Hetzer, der über Jahrzehnte schon zig Titel mit seinen Schützlingen gefeiert hat, hatte Tränen in den Augen. „In diesem einen Moment ist man als Sportler in der Unendlichkeit angekommen“, freut sich der Coach für Thielemann.
WM 2025 in Singapurist das nächste große Ziel
Und die gemeinsame Geschichte der beiden ist noch nicht zu Ende. Nach den Europameisterschaften, bei denen die von Hetzer gecoachten Schwimmer übrigens insgesamt 17 Titel, achtmal Silber und viermal Bronze holten, ist die WM 2025 in Singapur das nächste große Ziel. Das Training dafür startet im August, und dafür wird Thielemann – wie gewohnt – immer wieder mal nach Burghausen kommen.
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