Teisendorf
Permakultur ist ein weites Feld: "Jedes Projekt ist etwas Neues"

Der Oberteisendorfer Yves-Daniel Hoffmann erzählt von seiner nachhaltigen Passion

31.01.2022 | Stand 20.09.2023, 22:15 Uhr

Yves-Daniel Hoffmann bei der Planung einer Pflanzenkläranlage in der Provinz Gualaquiza in Ecuador. −Fotos: privat

In Arnolding, einem Ortsteil von Teisendorf, haben sich vor Kurzem mehrere Dorfbewohner zusammengeschlossen, um einen Permakulturgarten anzulegen. Begleitet wird das Projekt von Yves-Daniel Hoffmann aus Oberteisendorf, der als Permakulturberater tätig ist. Im Gespräch mit der Heimatzeitung hat er die Grundlagen der Permakultur erläutert, die Projekte, die er zurzeit weltweit betreut, kurz beschrieben und gezeigt, wie Permakultur auch sein Leben verändert hat.

Der Begriff leitet sich vom englischen "permanent (agri)culture" ab. Zu deutsch heißt das "dauerhafte Landwirtschaft" oder "dauerhafte Kultivierung". Permakultur ist eine Landnutzungsform mit dem Vorbild natürlicher Ökosysteme. Beim Gestalten und Bepflanzen wird vor allem auf Kreisläufe, Vielfalt und Widerstandsfähigkeit geachtet.

Praxis in vielen Bereichen anwendbar

"Permakultur ist aber ein viel weiteres Feld", stellt Hoffmann gleich zu Beginn klar. "Es ist mehr als nur eine bestimmte Art der Garten- oder Landbewirtschaftung. Permakultur kann in allen Bereichen des menschlichen Wirkens angewandt werden, im Garten, in Betrieben und Schulen, in Kommunen, in der Landwirtschaft aber auch im eigenen Alltag und in der persönlichen Lebensgestaltung." Permakultur sei eine Gestaltungspraxis, die Lösungen, Werkzeuge und Methoden aus verschiedensten Kulturen und Bereichen zusammenträgt. Mit konkreten Projekten bringe sie den Wandel der Gesellschaft zur Enkeltauglichkeit voran. Die Gründerväter der Permakultur waren die Australier David Holmgren und Bill Mollison. Sie suchten in den 1970er-Jahren mit wissenschaftlichen Mitteln und Beobachtungen in verschiedenen Kulturen weltweit nach Ansätzen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft, die im Einklang mit der Natur Böden erhält oder gar wieder aufbaut, wenig Abfall erzeugt und Artenvielfalt erhöht.

Die beiden Pioniere erkannten, dass wirkliche Veränderungen auch ethische Prinzipien brauchen. Für die Permakultur formulierten sie diese als Sorge für die Erde, Sorge für die Menschen, Begrenzung von Konsum und Wachstum sowie Verteilung der Überschüsse. Dass Permakultur eine Lebensphilosophie werden kann, dafür ist Yves-Daniel Hoffmann ein gutes Beispiel. Nach seinem Wirtschafts-Fachabitur in Rosenheim entschloss er sich, mit und für die Natur zu arbeiten. Er studierte Forstwissenschaft an der Hochschule Weihenstephan, später dann an der Universität Freiburg. Nach Praktika in Forstbetrieben, im Nationalpark Berchtesgaden und an einem Umweltinstitut in Bozen/Italien sowie den erfolgreichen Studienabschlüssen war er mehrere Jahre in der Forschung tätig als Forstingenieur und -wissenschaftler mit Schwerpunkt Waldinventur.

Für den selbst organisierten Lernweg entschieden

Bald aber dämmerte es ihm, dass das nicht seinem Lebensziel und -inhalt entsprach. "Ich merkte, ich habe die Erdung verloren. Ich wollte mit der Natur arbeiten, die Natur schützen, nun saß ich ständig am Computer und wälzte Zahlen", beschreibt Hoffmann seine damaligen Zweifel. "Mein Herz hat sich wie ein Stein angefühlt. Ich fragte mich, wo will ich wirklich hin? Und suchte nach neuen Wegen." Bei seiner Suche stieß er zufällig auf Kurse, die das Permakultur-Institut angeboten hat. Der deutschlandweit tätige gemeinnützige Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, die Entwicklung zukunftsfähiger Lebensweisen zu unterstützen, indem er die Bildungsarbeit zu dem Thema Permakultur an verschiedenen Orten organisiert und interessierte Akteure vernetzt. Zurück von einer längeren Auszeit in Südamerika hat Hoffmann einen 72-stündigen Grundlagenkurs am Monviso-Institut/Piemont besucht. Dort hat er die Grundlagen der Permakultur kennengelernt. Für die Weiterbildung zum Permakultur-Designer hat er sich für den mehrjährigen selbst organisierten Lernweg entschieden. Das heißt für ihn, dass er sich die Kenntnisse und Fähigkeiten in der Permakultur selber aneignen muss. Dabei wird er von selbstständigen Tutoren des Permakultur-Instituts begleitet. Gleichzeitig muss er mehrere Permakulturprojekte organisieren und begleiten. Eines dieser Projekte ist das in Arnolding, wo eine Gruppe interessierter Bewohner mit der Bitte auf ihn zugekommen ist, sie beim Anlegen einer Permakulturfläche am Dorfrand zu unterstützen. Als Erstes wurde die Fläche beobachtet und analysiert, dann ein Gestaltungsplan konzipiert und abgestimmt. Es folgte die Gestaltung eines Weidentipis für Kinder, der Bau einer Feuerstelle, die Pflanzung einer Wildhecke als Lebensraum für Pflanzen- und Tierarten.

In Kürze sollen Obstbäume gepflanzt werden, die Flächen wurden bereits vorbereitet. Das Wichtigste für einen Permakulturberater sei es, mit den Menschen zu arbeiten, so Hoffmann, ihnen zuzuhören, zu prüfen, ob ihre Wünsche und Bedürfnisse zu ihnen, zu der Fläche, der ganzen Umgebung passen, gemeinsam mit ihnen neue Visionen und Gestaltungsmöglichkeiten zu entwickeln. Dann folgt die Planung und die Umsetzung gemeinsam mit den Auftraggebern. Kinder dürfen natürlich mitmachen. Erfolge und Meilensteine in der Umsetzung würden gemeinsam gefeiert. Das sei etwas eminent Wichtiges, denn es stärke die Gemeinschaft und die Bindung zum Projekt. In diesem Sinne habe er auch seine Projekte in Ecuador und Peru gestaltet, so Hoffmann. Es ging dort um Gestaltungsüberlegungen für einen Gemeinschaftsgarten, ein Abwassersystem mit Pflanzenkläranlage sowie den Aufbau einer Kaffee-Kooperative. Immer im Sinne einer ressourcenschonenden und nachhaltigen Entwicklung.

Kein Projekt ist wie das andere

"Jedes Projekt ist etwas Neues, denn Permakultur gibt keine fertigen Antworten, sondern hilft, die richtigen Fragen zu stellen und durch Nutzung von Prinzipien und Methoden angepasste Lösungen zu finden." Als studierter Naturwissenschaftler und -ingenieur bringt Hoffmann in seinen Beratungen auch wissenschaftlich-technische Ansätze mit ein, wie beispielsweise das Arbeiten mit Geoinformationssystemen, Pflanzenbestimmungen oder Bodenbeschreibungen. Auch im Arnoldinger Projekt wurde eine Bodenkartierung vorgenommen, um die Verhältnisse vor Ort besser beurteilen zu können.

Der Kontakt mit der Permakultur hat auch seine eigene Lebensweise geändert, erzählt Hoffmann. Er setzt jetzt auf ressourcenschonende Mobilität, Fahrrad oder E-Roller statt Auto, wo immer es geht, und er achtet stets auf seine eigenen Ressourcen. Er geht auf die Menschen zu, will aber nicht missionieren. Jetzt hofft er, noch in diesem Jahr die Akkreditierung zum Diplom-Permakulturdesigner zu erhalten. Bereits jetzt wirkt er als Selbstständiger mit Leidenschaft, um den Menschen Permakultur nahezubringen.

Das Arnoldinger Projekt wird er weiter begleiten als Mitglied des Vereins, der sich in der Gründungsphase befindet. "Mit diesem Projekt wollen wir das ganze Dorf verändern und auch die Region mitnehmen", so Hoffmann. "Deshalb arbeiten wir unter anderem mit dem Landschaftspflegeverband, der Biosphärenregion Berchtesgaden und den Schulen zusammen. Es gibt nur die eine Natur, wir Menschen sind ein Teil davon." Ein Schlusswort, das für den Permakulturberater Lebensmotto ist. Kontakt zu Yves-Daniel Hoffmann unter "vividus-permakultur.de".