Bad Reichenhall
Mehrheit im Stadtrat für Aldi-Erweiterung

Neuer Bebauungsplan wird aufgestellt: 160 Quadratmeter zusätzliche Verkaufsfläche

09.12.2020 | Stand 19.09.2023, 22:12 Uhr

Die Filiale des Discounters soll 4,47 Meter länger werden. −Foto: Sabine Zehringer

Der Lebensmitteldiscounter Aldi möchte seine Filiale nahe dem Reichenhaller Bahnhof erweitern. Der Stadtrat hat dafür am Dienstag einen Bebauungsplan auf den Weg gebracht. Mit 14 zu 10 Stimmen sprach sich das Gremium dafür aus, das Verfahren zu starten – trotz im Vorfeld öffentlich geäußerter Kritik des Reichenhaller Unternehmerforums (Rufo) an den Plänen.

Das Gremium solle "keine Symboldebatte führen", hatte sich Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung gewünscht, sondern über die "konkrete Sachfrage" entscheiden. Konkret will Aldi das bestehende Gebäude um 4,47 Meter verlängern. Dadurch sollen etwa 160 Quadratmeter Verkaufsfläche hinzukommen. Diese würde sich nach der Baumaßnahme auf insgesamt 1260 Quadratmeter belaufen, so Stadtbaumeister Thomas Knaus. Aldi sei zudem bereit, laute Luftwärmetauscher von der Wohnbebauung im Bereich der Frühlingstraße weg zu verlegen.

Die Verwaltung schlug vor, dem Wunsch nachzukommen und einen neuen Bebauungsplan aufzustellen. Dabei könnten auch Fehler behoben werden, die beim ursprünglichen Bebauungsplan vor 20 Jahren gemacht wurden. Aktuell sei das Areal als Mischgebiet ausgewiesen. Das sei aber nicht korrekt, denn in einem solchen müsste es auch Wohnungen geben.

Rufo: "Willentliche Schwächung der Innenstadt"

Gegen die Aldi-Pläne meldete sich zuerst Michael Nürbauer (Grüne) zu Wort. "Wir schwächen Stück für Stück die Innenstadt", warnte er und erinnerte an das Schreiben des Rufo zum Thema. Darin erklärten Reichenhaller Unternehmer: "Da sich Aldi zusehends auch im Non-Food-Sortiment bewegt, spezielle und innenstadtrelevante Aktionsware fast wöchentlich anbietet und letztendlich diese 160 Quadratmeter effektiv die Verkaufsfläche von zwei kleinen Geschäften in der Innenstadt darstellt, wäre eine eventuelle Zustimmung des Stadtrats zu den geplanten Bauvorhaben aus unserer Sicht heraus eine willentliche Schwächung der Innenstadt." Auch hatte das Rufo daran erinnert, dass im Wahlkampf zu Beginn des Jahres noch jede der im Stadtrat vertretenen Parteien und Fraktionen erklärt habe, die Innenstadt müsse gestärkt werden.

Dieses Argument führte auch Dr. Pia Heberer (Grüne) an. Die Referentin für Stadtplanung wollte "deutlich weiter denken": Wenn die Stadt schon den Bebauungsplan ändere, könnte man überlegen, "flächenfressende eingeschoßige Supermärkte" um zwei bis drei Etagen aufzustocken und so Wohnungen zu schaffen. Der Oberbürgermeister nannte es einen "perspektivisch interessanten Gedanken", bereits versiegelte Flächen "stärker in den Blick zu nehmen", jetzt gehe es aber um die angestrebte Erweiterung. Stadtbaumeister Knaus berichtete, über dieses Thema mit Aldi gesprochen zu haben, jedoch gebe die Bausubstanz an dieser Stelle keine Aufstockung her. Das wäre seinen Worten zufolge möglich, wenn Aldi einen zweiten Markt in Reichenhall errichten würde.

Nagelprobe oder Symboldebatte?

Entschieden gegen die Erweiterung sprach sich 3. Bürgermeister Hans Hartmann (CSU) aus, der sich ebenfalls auf das Rufo berief. "Wenn wir den Bebauungsplan ändern, fördern wir Aldi mit 1,5 Millionen Euro", rechnete er vor: Das sei der Umsatz, den Aldi auf der zusätzlichen Fläche pro Jahr machen werde. Hartmann fürchtet zudem, dass andere Märkte dann auch erweitern wollen. "Das ist eine Nagelprobe: Wollen wir die Innenstadt fördern oder großflächige Strukturen mit großen Lieferanten", richtete er die Frage ans Gremium.

Lung fand sich nun seinen eigenen Worten zufolge in der "Symboldebatte" wieder, die er gerne vermieden hätte. Wenn man den Umsatz von Globus in Freilassing zu Aldi in Reichenhall hole, habe er nichts dagegen, so der Rathauschef. Zudem nahm er die Verbraucher in die Pflicht: Es sei ihre Entscheidung "verantwortungsvoll" einzukaufen. Manfred Hofmeister (Bürgerliste) fand jedoch, die "politischen Rahmenbedingungen" müssten sich ändern. Fritz Grübl (FWG) dagegen bezeichnete es als "grotesk, so einen Aufstand zu machen wegen 160 Quadratmetern". Der Internethandel und hohe Ladenmieten seien der Tod der Innenstädte, nicht diese Erweiterung. "Man muss auch an die Bevölkerung denken, die froh ist, wenn sie bei Aldi billigere Non-Food-Artikel kaufen kann." Gemeint ist damit alles, was nicht zu den Lebensmitteln zählt.

Lung: "Unmittelbar keine Wohnbebauung

Guido Boguslawski (SPD) erkundigte sich nach den Kosten für den Bebauungsplan. Es sei üblich, einen städtebaulichen Vertrag zu schließen, erklärte Knaus. Dann würden die Planungskosten vom Investor getragen. Auf die Idee einer möglichen Aufstockung um Wohnungen kam Friedrich Hötzendorfer (FWG) noch einmal zurück, der den Vorschlag der Grünen-Rätin Heberer aufgriff. "Könnten man nicht das Mischgebiet lassen, um eventuell später eine Aufstockung zu ermöglichen", wollte er wissen. Der Plan hätte dann eine "Rechtsschwäche" und wäre angreifbar, antwortete Knaus. "Unmittelbar wird keine Wohnbebauung passieren", hielt Lung abschließend fest.