Freilassing
Für Friedhofsgärtner beginnt so mancher Tag mit einem Vaterunser

05.07.2020 | Stand 21.09.2023, 21:59 Uhr

Immer gut zu tun hat der Freilassinger Friedhofsgärtner Stephan Votz. Bevor er mit seiner Arbeit loslegt, hat er manchmal schon jemanden beerdigt. −Foto: Stefanie Weschler

Der Gang über den Friedhof weckt unterschiedliche Gefühle, es ist ein Ort mit besonderer Atmosphäre. Stephan Votz kennt ihn wie seine Westentasche, denn er arbeitet dort das ganze Jahr über als Gärtner. In unserer Serie "Ein Spaziergang mit…" erzählt er, warum er manchmal in aller Hergottsfrüh aufsteht, um ein Gebet für einen Menschen zu sprechen, dessen Namen er nicht kennt.

Hallo Herr Votz, am Friedhof gibt es eine Wiese für anonyme Bestattungen. Wie muss man sich das vorstellen?
Stephan Votz: Das mache ich. So um 5 Uhr, wenn noch niemand unterwegs ist, setze ich die Urne in der Blumenwiese bei, heuer waren es schon etwa 25. Ich bete dann für den Verstorbenen ein Vaterunser. Im Sommer geht dabei die Sonne auf, es ist ganz ruhig und die Vögel pfeifen, das ist eine schöne Stimmung. Es weiß zwar hinterher niemand mehr, wer hier an welcher Stelle begraben ist, aber wer das Bedürfnis hat, etwas für ihn dazulassen, kann es unter das Kreuz legen.

Hauptsächlich sind Sie aber mit der Grünpflege beschäftigt. Was steht denn gerade an?
Votz: Zur Zeit werden die Hecken geschnitten, da hilft mir der Bauhof. Außerdem vernichte ich das Unkraut in den Wegen, das geht am besten mit heißem Wasser. Gift braucht es da nicht.

Und im Winter?
Votz: Wenn es schneit, beginnt der Tag mit Schneeräumen, denn um 8 Uhr kommen die ersten Kirchgänger.

Wetterfest sollte man als Friedhofsgärtner also schon sein.
Votz: Ja, ich bin immer an der frischen Luft, ich mag das gern. Meistens arbeite ich hier alleine, aber ich bin ja trotzdem immer unter Leute.

Wie überall gibt es auch am Friedhof Regeln. Halten sich die Besucher daran?
Votz: Die meisten schon, manche sind sogar ein bisschen kleinlich. Hier gibt es ein Hundeverbot, aber wenn eine alte Frau mit ihrem Dackel an der Leine ihr Grab pflegen möchte, geht das. Da muss man die Kirche im Dorf lassen.

Es gab mal Beschwerden über volle Mülleimer.
Votz: In der Pflanzzeit werden sie jeden Samstag ausgeleert. Aber wenn am Sonntag viel los ist, kann es schon mal sein, dass etwas daneben geht. Leider lassen manche Leute das Plastik an den Blumen, das gehört aber getrennt.

Nachbars Grab ist offenbar auch für Langfinger interessant, man hört immer wieder, dass etwas gestohlen wurde.
Votz: Manchmal kommt schon was weg, aber eine Anzeige bei der Polizei verläuft meistens im Sand.

Kerzen verschwinden regelmäßig. Was halten Sie denn von der Theorie, dass der Übeltäter ein Dachs sein könnte, der es auf das Fett abgesehen hat?
Votz: (lacht) Davon hab ich noch nichts gehört. Der Dachs ist in der Nacht aktiv, da bin ich nicht am Friedhof. Irgendwann muss ich auch mal schlafen.

Haben Sie einen Lieblingsplatz?
Votz: Es gibt hier viele schöne Ecken, besonders gut gefällt es mir beim Kriegerdenkmal.

Hier sind ja einige bekannte Persönlichkeiten begraben.
Votz: Ja, zum Beispiel Alois Irlmaier, der berühmte Freilassinger Hellseher. Ich werde immer wieder mal gefragt, wo sich sein Grab befindet, das weiß ich natürlich. Auch der amerikanische Fliegerpilot Chester E. Coggeshall liegt hier. Den hat der damalige Bürgermeister Alfred Kobus erschossen, später wurde er dafür gehängt.

Hier gibt es mehr als 3000 Gräber. Doch die Lücken in den Reihen sind nicht zu übersehen.
Votz: Es werden immer mehr Gräber aufgelöst, der Trend geht Richtung Urne. Vor allem, wenn die Angehörigen weit weg wohnen oder nicht die Zeit haben, sich darum zu kümmern. Um den Anblick ist es aber schon schade.

Auch eine Urnenbestattung ist Geschmackssache.
Votz: Manche sagen, in die rostige Urnenwand möchten sie auf gar keinen Fall hinein, andere finden genau das schön, weil der Rost die Vergänglichkeit deutlich macht. Da muss man sich darauf einlassen.

Für Leute ohne grünen Daumen: Was ist Ihr Tipp für einen Grabschmuck, der pflegeleicht ist und trotzdem was gleichschaut?
Votz: Eisbegonien gehen immer, dazu gelbe Goldtaler und Bodendecker. Das sind alles dankbare Pflanzen, die sind robust und halten auch die Hitze aus.

Eine sehr persönliche Frage zum Schluss: Der Tod ist an Ihrem Arbeitsplatz allgegenwärtig. Fürchten Sie sich davor?
Votz: Nein.
Das Gespräch führte Stefanie Weschler.