Laufen
Kurz vor dem Aus: Wie junge Leute die Tafel retteten

27.06.2020 | Stand 20.09.2023, 2:06 Uhr

Wenn du glaubst es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her: So bezeichnen Tafel-Leiter Dr. Raimund Tischler und seine Frau Elfriede Salomon die überraschende Hilfe der jungen Leute. −Foto: privat

Die Corona-Krise stellte auch die Laufener Tafel vor schier unlösbare Probleme. Leiter Dr. Raimund Tischler und seine Frau Elfriede Salomon berichten über die schwere Zeit und die unerwartete Hilfe.

Nach der Schließung des Alten Rathauses am 13. März war schnell klar, dass wir etwa 100 Meter weiter auf einen idealen Platz zwischen Stiftskirche und Pfarrheim umziehen. Pfarrer Simon Eibl hatte hierfür sein Okay gegeben. Josef Kroiss schaffte prompt Bänke und Tische vom Kindergarten heran, die Ausgabe am nächsten Tag war örtlich gesichert. Aber wie sollte es weitergehen?

Bei der Fülle der anstehenden zusätzlichen Aufgaben beschlossen wir, die Krise auf Sicht anzugehen, aber möglichst gut vorbereitet zu sein. Die rund 60 ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tafel gehören überwiegend zur Risikogruppe. Sie konnten oder wollten nicht weitermachen. Wir überlegten, wen wir kennen, der nicht zur Risikogruppe gehört oder der nicht bereits neben Kleinkinderbetreuung, Home schooling oder Home office einen Kraftakt hinlegt. Die Felle drohten davon zu schwimmen. Da wurde der Trostspruch zum ersten Mal wahr: Wenn du glaubst es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her.

WhatsApp-Gruppe "Tafelhelfer" als Auftakt zum Neustart

Es erreichte uns der rettende Anruf von Sina Eder, angehende Erzieherin in und aus Leobendorf. Sie fragte, ob wir Hilfe brauchen, von ihr und ihren Freundinnen, die Kindergärten hatten ja zu. Kurz waren wir sprachlos, ob des Timings und der Lösung unseres Problems. Doch gleich konnten wir Näheres zum wann, wo und wie besprechen. Sina sagte als geübte Managerin zu, ihre Freundinnen zu informieren und eine WhatsApp-Gruppe "Tafelhelfer" zu starten.

Da brauchten wir als Organisatoren Nachhilfe, danke auch dafür.

Mit Sina, Eva, Lisa Maria (MTA), Sandra, Tina, Daniel (Student der Biologie und bald Medizin), Bettina (Lehramt) und Anne (Home office) hatten wir genügend Puffer. Denn normalerweise sind die Mitarbeiter nur einmal im Monat dran, die Corona-Gruppe war hingegen jede Woche gefordert – und das über einen Zeitraum von gut drei Monaten. Wir entwickelten ein konkretes Sicherheitskonzept und schafften Schutzausrüstung an. Der Zugang erfolgte fortan über das Brückchen an der Michaelskapelle vorbei, durch den Kreuzgang zum wunderbaren Platz mit den Arkaden. Somit war der Schutz vor Regen und Sonne weitgehend gesichert. Zudem erhielten wir von Jürgen Stelzig und der Feuerwehr Laufen ihr Zeltdach, das optimal standfest und mit sechs Leuten schnell wieder abgebaut war. Ein Dankeschön hierfür an.

Der Schreiner Piwi, Papa von Sina, besorgte die Schutzanzüge, die gefordert waren und die wir vergessen hatten. Denn auch die gab es zu Beginn des Lockdowns nicht mehr. Die Stadt Laufen erstellte uns einen Passierschein für die Grenze, denn auch aus Oberndorf erhalten wir Lebensmittel. Insgesamt ist mit über 25 Märkten, Fachgeschäften, Bauern ständig Kontakt zu halten. Sie alle – darunter die Bäckereien Steinberger aus Pietling/Fridolfing und Hartl aus Laufen sowie die Metzgereien Sichert und Spitzauer aus Laufen und Leobendorf – spenden hochwertige Lebensmittel an die Tafel und sind seit Jahren zuverlässig und unverzichtbar. Seit Wochen spendet uns Familie Putzhammer Eier von den jungen Hennen. Auch hochwertige, länger haltbare Lebensmittel zu organisieren, ist uns wichtig. Die Plastikverpackungen konnten fast gänzlich reduziert werden. Julia Wiedemann initiierte in Kirchanschöring eine Sachspendenaktion und brachte diese super Lebensmittel, die es sonst nicht gibt, zur Tafel.

Ziel: Hemmschwellen in der Bevölkerung abbauenAuch auf der Laufener Facebook-Seite haben wir regelmäßig über die Tafel berichtet. Unser Ziel war es, Hemmschwellen abzubauen. Jeder kann bedürftig werden, durch Krankheit, zu geringe Rente, niedrige Löhne, Arbeitslosigkeit und Flucht. Dem Aufruf, Sachspenden vorbeizubringen oder einfach vorbeizuschauen, folgten zahlreiche Laufener. Ihre Anteilnahme und Hilfsbereitschaft war überwältigend. So können Berührungsängste und Vorurteile abgebaut werden. Niemand soll sich schämen müssen, weil er ohne Tafel nicht auskommt. Schämen müssen sich andere:

Als es zu Beginn der Krise hieß, die Regierung will die Hartz IV-Empfänger mit 100 Euro monatlich unterstützen, glaubten wir Insider nicht recht dran. Es wurde auch nichts mit der Sonderzuwendung, gespart wurde bei den Ärmsten. Das ist eine Schande. Wir versuchten, die Gründe dafür zu erfahren. Es hieß lapidar, es wären zu viele mit den fast 1,5 Millionen bedürftigen Flüchtlingen. Soviel zum "Wir schaffen das". Manchmal hat man die Sonntagsreden einfach nur satt.

Deshalb war es uns auch wichtig, die Tafelbesucher mit Masken und gutem Mundschutz auszustatten. Wie soll eine Familie mit fünf Personen vom Hartz IV-Bezug zehn Masken kaufen? An dieser Stelle ein herzlicher Dank an alle Geldspender – gleich welchen Betrags.

Die Bedürftigen zollten uns, aber vor allem unseren jungen Helfern großen Respekt. Denn zuerst packten wir beschriftete Taschen, um eine möglichst kontaktarme Ausgabe durchführen zu können. Eine echte Herausforderung, auch körperlich: Kisten schleppen, keinen Schimmelbefall übersehen, Ablaufdatum prüfen, gerecht verteilen. Hut ab, da habt ihr wirklich was geleistet. Überhaupt wachsen da junge Menschen mit sozialer Kompetenz, Einsatzbereitschaft, Teamfähigkeit, Überblick, Ideen, Ausdauer und Zuverlässigkeit heran, von denen wir in Zukunft sicher hören werden, bei dem Potenzial nicht zu übersehen! Es war uns eine besondere Freude, mit euch zu arbeiten. Wir danken euch von Herzen. Schee, dass do wards. Und kommts gern wieder, wenn’s Zeit habts. A Belohnung soids a hom. Suachts eich a Konzert oder a Festival aus. Wenn eire Prüfungen vorbei san, gemma zum Essn. Mit eich koma ois schaffn!

Infos zur Tafel

Die Tafel Laufen gibt es seit Mai 2006. Träger ist die Katholische Kirchenstiftung Laufen, unter dem Dach der Caritas. Die Tafeln arbeiten unabhängig von politischen Parteien, Kirchen und Konfessionen. Rund 60 Ehrenamtliche leisten vor allem freitags mit der Anlieferung und Aussortierung und samstags mit der Ausgabe viele Stunden Arbeit. Zurzeit werden etwa 140 Menschen versorgt, fast zu gleichen Teilen Einheimische und Asylbewerber. Die Dunkelziffer an möglichen Berechtigten dürfte weitaus größer sein. Die Stadt unterstützt die Tafel, indem sie Räume im Alten Rathaus zur Verfügung stellt und das Sozialbüro stellt Berechtigungsscheine aus.

Die Laufener Tafel hat der Heimatzeitung die Impressionen der vergangenen Wochen zur Verfügung gestellt.