Gedreht im Berchtesgadener Land
Bussi, Bussi! – Was taugen "Kitz" und "Sex, Zimmer, Küche, Bad"?

27.12.2021 | Stand 25.10.2023, 11:50 Uhr

Auch "Tatort"-Kommissarin Florence Kasumba steht auf der Besetzungsliste der Netflixserie "Kitz", die in Kitzbühel spielt, aber im Berchtesgadener Land gedreht wurde. −Foto: Netflix / Walter Wehner

Sie schlürfen Champagner in schicken Chalets. Die Berge sind dabei bloß eine nette Kulisse für ihren extravaganten Lebensstil. In der neuen Netflix-Serie "Kitz" fällt eine Gruppe partyhungriger Münchner Parvenüs in Kitzbühel ein. In dem österreichischen Nobelskiort verprasst die Jeunesse dorée das Geld ihrer Eltern. Doch der Alpin Chic bekommt Risse, als ortsansässige Altersgenossen den reichen Kids einen Denkzettel verpassen wollen.

Im Kern der sechsteiligen Young-Adult-Mystery-Serie, die wie berichtet im Berchtesgadener Land gedreht wurde, geht es um die 19-jährige Lisi (Sofie Eifertinger), die den tragischen Unfalltod ihres Bruders nicht verkraftet. Sie gibt It-Girl Vanessa (Valerie Huber) die Schuld. Mit einem perfiden Racheplan taucht Lisi in die dekadente Welt der Schönen und Reichen ein.



Dabei wird die Münchner Schickeria, deren Intrigen an die New Yorker High-Society-Clique aus "Gosspip Girl" erinnern, sehr plakativ dargestellt. Vor allem die Erwachsenen wirken wie Karikaturen neureicher Snobs. Die Charaktere bleiben trotz solider Leistungen von Jungtalenten wie Zoran Pingel und Burgtheater-Schauspieler Bless Amada flach. Die Handlung ist arg konstruiert, die Kritik am destruktiven Hedonismus sozialer Medien bleibt verhalten. Und auch die am Rande thematisierte Diskrepanz zwischen den Einwohnern eines Ferienorts, der vom Tourismus abhängig ist, und den wohlhabenden Gästen, kratzt lediglich an der Oberfläche.

Was "Kitz" allerdings gelingt, ist die selbstverständliche Darstellung von Diversität. Homosexualität zum Beispiel wird nicht problematisiert, stattdessen zeigt die Serie selbstbewusste schwule Männer. Für Konflikte sorgt hier nicht die sexuelle Identität, sondern, ähnlich wie in der spanischen Netflix-Erfolgsserie "Élite", der Klassismus. Die Münchener kommen in "Kitz" nicht gut weg – aber auch die Tiroler Jugend, so viel sei verraten, steht am Ende nicht besser da.

In einem bodenständigeren Umfeld spielt die neue Amazon-Serie "Sex, Zimmer, Küche, Bad". Hier wird der Alltag einer Münchener Studenten-WG gezeigt. Nachdem Ina nach Portugal zieht, wird ein Zimmer frei. Die Verbliebenen suchen nach Ersatz. Aus dieser Ausgangssituation entwickeln sich allerlei Geschichten rund um die sechs chaotischen Mitbewohner.



Trotz des Lokalbezugs – bekannte Locations wie die Szenebar München 72 tauchen in der Serie auf – ist das Geschehen wenig authentisch. Eine bezahlbare großzügige Studenten-Bude mitten im Glockenbachviertel? Für reale Probleme wie Mietpreiswahnsinn und Wohnungsmangel ist in der achtteiligen Comedy kein Platz. Stattdessen kommt "Sex, Zimmer, Küche, Bad" wie eine ironische Persiflage der Dauer-Soap "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten" daher.

Hinter der Serie stecken die Pantaflix Studios, die auch das Joyn-Format "Das Internat" produzieren. Beide Produktionen basieren auf einem ähnlichen Prinzip: Social-Media-Stars werden neben professionellen Schauspielern in einer fiktionalen Streaming-Story platziert, die insbesondere ein junges Publikum ansprechen sollen. Das Konzept funktioniert im Fall von Influencer Lukas White, der den schwulen Enno verkörpert, sogar recht gut. Ansonsten bleiben die Darsteller farblos, Figuren und Plot sind austauschbar.

Eifersüchteleien, Drogeneskapaden und Sex unter der Dusche – "Sex, Zimmer, Küche, Bad" spielt mit Stereotypen und Erwartungen, bietet aber wenig Überraschendes. Einige der Zimmerbewerber, darunter sehr schräge, unangepasste Charaktere, versprechen zwar durchaus Unterhaltungspotential, doch die Wahl der WG-Bewohner fällt schließlich auf die hübsche Wahl-Münchnerin Sophie, die nicht nur eine neue Espresso-Maschine und zahlreiche Streaming-Abos, sondern auch eine eigene Putzfrau mit sich bringt. Und damit auch wieder nur Klischees bestätigt.

Renzo Wellinger



•"Sex, Zimmer, Küche, Bad" ist seit 23. Dezember auf Amazon Prime Video abrufbar, "Kitz" startet am 30. Dezember auf Netflix.