Berchtesgaden
Bund Naturschutz: Lange Liste der Kritik

17.11.2021 | Stand 21.09.2023, 21:07 Uhr

Die Blaueishütte im Nationalpark Berchtesgaden soll an die Trinkwasserversorgung angeschlossen werden. Den Naturschützern ist das ein Dorn im Auge. −Foto: Kilian Pfeiffer

Bobbahn, Hotel Königssee, Hüttenerschließungen: Die Liste der Brennpunktthemen der Kreisgruppe des Bund Naturschutz Berchtesgadener Land ist lang: Nach eineinhalb Jahren Corona-Pause trafen sich die Mitglieder nun das erste Mal wieder im Hotel Watzmann. Klar ist: Es gibt so viel Arbeit wie selten zuvor.

Auch für Rita Poser hat der Tag nur 24 Stunden. Wenn man den Worten der Kreisvorsitzenden lauscht, möchte man meinen, ihr Leben bestehe aus nichts anderem als aus der Kreisgruppe. Die Kunsteisbahn am Königssee ist das nächste große Fass, das Poser vor kurzem geöffnet hat. Wird die Bahn nach dem Unwetterschaden neu gebaut? So sicher, wie das einige Politiker kundtun, ist das für die Bischofswieserin noch lange nicht.

"Hochdramatisch" sei es, wie die Politik derzeit agiere, sagt sie. Derweil ist für sie klar und deutlich, dass das Gebiet – geologisch gesehen – Risiken birgt, die auch künftig Auswirkungen auf die millionenschwere Sportstätte haben könnten. Einig sind sich die Bund-Naturschutz-Mitglieder: Das dort betriebene Rodeln und Bobfahren sei eine "Orchideensportart", so ein Mitglied aus Berchtesgaden: "Wünschen kann man sich zwar viel. Aber es muss abgewogen werden, ob und wie viel Geld man dafür ausgeben soll." Einen Wiederaufbau betrachtet ein Lehrer, ebenfalls Mitglied, als "puren Zynismus", wenn man die geologische Situation im Blick hat. Kreisrätin Marlies Moderegger aus Bischofswiesen ist sich sicher, dass über solch ein Projekt "in Zeiten des Klimawandels" gar nicht erst diskutiert werden sollte. Also doch ein Bürgerbegehren? Beim Bund Naturschutz will man dranbleiben, alle Hebel in Bewegung setzen.

Geschafft hat man das etwa bei der Villa Schön – mehrere 1000 Quadratmeter Grund, auf denen hochpreisige Eigentumswohnungen hätten entstehen sollen. Zwar wurde viel Wald abgeholzt, doch den Rechtsstreit gegen den Freistaat Bayern gewannen die Naturschützer: Außenbereich lautete das Urteil. Gebaut werden darf erst mal nicht. Nun hat das Grundstück der Freistaat Bayern selbst angemietet – der Nationalpark ist im Haus untergekommen, der in der dortigen Villa seine Mitarbeiter unterbringt.

Nicht gegen das Projekt, aber gegen die Ausmaße

Gigantische Ausmaße schreibt Rita Poser dem geplanten Hotelneubau am Königssee zu. Mit knapp 20 Metern Höhe sei das Neubauprojekt ("Betonkasten") eine "kapitale Sünde", sagen die Bund-Naturschutz-Mitglieder, "alles heillos überzogen und überreizt". Poser lehnt den Bau nicht kategorisch ab, darauf weist sie mehrfach hin. Allerdings: Die Dimension des Hauses passe nicht in das denkmalgeschützte Ensemble, in die Gegend allgemein. Zudem sei nicht daran gedacht worden, wo all das neue Hotelpersonal untergebracht werden soll. "Personalwohnungen sind nicht angedacht." Der Wohnungsmarkt in der Tourismusregion: seit langem heiß begehrt und teuer. Die Naturschützer befürchten, dass der Königssee nicht nur zugebaut, sondern von noch mehr Menschen als sowieso schon überrannt werden wird.

"Man müsste eine Höchstgrenze für Touristen einführen", sagt Paul Grafwallner. Andernfalls könne man die Region in Zukunft vergessen. Im Unterstützerboot sitzt auch der Landesbund für Vogelschutz, der an der Seite des Bund Naturschutz steht. Beim Bund erwägt man eine Normenkontrollklage wegen des Hotelprojekts. "Wer sehen will, wie hässlich ein See werden kann, nachdem Investoren da waren, muss nur mal zum Mondsee fahren", sagt ein anwesendes Mitglied. Der Anblick sei mittlerweile eine Zumutung.

Kritik üben die Naturschützer auch am Skizentrum Götschen. Dort ist die Erweiterung eines Beschneiungsteichs geplant. "In Zeiten des Klimawandels ist es ein Unding, wenn man Beschneiungsanlagen erweitert oder neu baut", stellt Paul Grafwallner klar. Wie und ob sich der Bund Naturschutz der Sache annehmen wird, ist noch nicht geklärt. Einsatz zeigen wollen die Mitglieder aber in Sachen Blaueis und Kühroint. Auf Kühroint befindet sich die Jungmannschaftshütte der DAV-Sektion Berchtesgaden. Die Selbstversorgerhütte ist im Besitz des Nationalparks Berchtesgaden, wurde an die Sektion verpachtet und ist ausschließlich für Sektionsmitglieder zugänglich. "Das von der Bundespolizei betriebene Ausbildungszentrum soll an den öffentlichen Kanal sowie die Trinkwasserversorgung angeschlossen werden", bestätigt Daniel Hrassky von der DAV-Sektion Berchtesgaden. Den Naturschützern ist das ein Dorn im Auge. Denn im Zuge der geplanten Arbeiten prüft der Deutsche Alpenverein gegenwärtig, "ob auch ein Anschluss der Jungmannschaftshütte sinnvoll und ökonomisch ist". Eine abschließende Entscheidung sei hierzu noch nicht getroffen worden.

Und auch bei der auf 1680 Metern Höhe gelegenen Blaueishütte im Nationalpark Berchtesgaden sollen Infrastrukturmaßnahmen stattfinden. "Das fällt ihnen jetzt ein, weil man es vor zehn Jahren nicht getan hat", sagt Rita Poser. Die Blaueishütte bezieht ihr Trinkwasser bisher aus drei Quellen unterhalb des Blaueisgletschers. "Da davon auszugehen ist, dass diese Versorgung im Zuge der Klimaerwärmung in den nächsten Jahren versiegen wird, hat der Vorstand der Sektion beschlossen, diese nach Möglichkeit an die öffentliche Trinkwasserversorgung der Ramsau mit anzuschließen", sagt Daniel Hrassky. Aktuell laufen hierzu Prüfungen und Genehmigungsverfahren. Für den Bund Naturschutz Stoff genug, tätig zu werden.

Geschäftsmodell: Bauland schaffen

Einwendungen seitens der Naturschützer hatte es auch beim geplanten Forstzentrum in Bischofswiesen gegeben. Dort wollten die Bayerischen Staatsforsten im Außenbereich ein neues Forsthaus bauen, ein "privilegiertes Vorhaben", wie es aus dem Forstbetrieb Berchtesgaden immer wieder hieß. Laut Rita Poser stehe der Standort in Bischofswiesen nicht mehr im Fokus, vielmehr haben die Bayerischen Staatsforsten nun ein Grundstück in Schönau am Königssee für sich entdeckt. "Da wird in Gunstlagen Bauland geschaffen", kritisiert Paul Grafwallner. In der Vergangenheit hatten die Staatsforsten etliche im Besitz befindliche Forsthäuser veräußert. Nun brauchen sie aber wieder Platz für die eigenen Förster. "Das ist deren neues Geschäftsmodell: Bauland schaffen, irgendwann wieder teuer veräußern", sagen die Naturschützer. "Nach meinem Dafürhalten ist das Missbrauch am Baurecht", sagt Grafwallner, dem eine andere Sache ebenfalls seit langem sauer aufstößt: "Jeder Wanderweg bei uns wird zum Lkw-Fahrweg ausgebaut." Als "unnötige Versiegelung" bezeichnet er etwa den Königsseer Fußweg, der komplett asphaltiert werden soll. "Wir fahren mit Mountainbikes mühelos auf den Berg, müssen aber einen einfachen Spazierweg versiegeln."