Bad Reichenhall
Appell im Stadtrat: Impfen ist einziger Ausweg

Rathauschef Lung greift Vorstoß von SPD und Grünen auf – "Skepsis mit rationalen Argumenten nicht begründbar"

24.11.2021 | Stand 21.09.2023, 0:08 Uhr

"Treffen Sie eine bewusste Entscheidung fürs Impfen", sagte Reichenhalls Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung am Dienstagabend. −Foto: Archiv Anton

Mit einem Aufruf an die Bevölkerung, sich impfen zu lassen, hat Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung am Dienstagabend den öffentlichen Teil der Stadtratssitzung beendet. Impfen sei der einzige Weg aus der Pandemie, sagte das Stadtoberhaupt von Bad Reichenhall.

Die verbreitete Skepsis sei "nach allem, was wir wissen, mit rationalen Argumenten nicht begründbar". Er selbst werde die dritte Dosis zur Auffrischung nehmen, sobald er an der Reihe ist. An die Bürger appellierte er: "Treffen Sie eine bewusste Entscheidung fürs Impfen!"

Die Pandemie und die Gegenmaßnahmen waren bisher kaum Thema im Reichenhaller Stadtrat. Wenn, dann ging es vor allem darum, die wirtschaftlichen Folgen für heimische Betriebe abzumildern – etwa mit dem Verzicht auf Gebühren für Freischankflächen. Angesichts der vierstelligen Inzidenzen, der niedrigen Impfquote und vor allem der Lage in den heimischen Kliniken, hatten nun aber einige Stadträte das Bedürfnis, das Thema auf die Tagesordnung zu bringen.

SPD-Rat Guido Boguslawski sei auf ihn zugekommen und habe ihn gebeten, im Stadtrat einen Aufruf an die Bevölkerung zu richten, erklärte Lung. Zudem hatte Michael Nürbauer als Fraktionssprecher der Grünen kurz vor der Sitzung noch einen Dringlichkeitsantrag mit demselben Ansinnen gestellt. Demnach sollte das gesamte Gremium einen Impf-Appell starten.

"Wir alle kennen die dramatischen Berichte aus den Kliniken"

Den Antrag zog Nürbauer zu Beginn der Sitzung zurück, weil Lung ankündigte, das Thema am Ende anzusprechen. Einen Beschluss gab es nicht, das sei "aus formellen Gründen nicht möglich", erklärte der Rathauschef. Aber: "Wir sind uns einig, dass es sinnvoll ist, zum Impfen aufzurufen", fügte er hinzu. "Die Lage ist ernst. Wir alle kennen die dramatischen Berichte aus den Kliniken. Wir alle haben es in der Hand, aktiv etwas zu tun, um weitere Lockdowns zu verhindern", sagte Lung. Es gebe keine Garantie dafür, dass Geimpfte sich nicht anstecken, jedoch sinke die Wahrscheinlichkeit für schwere und schwerste Verläufe deutlich. "Wir erleben eine hochemotionale Debatte", schloss das Stadtoberhaut, das Thema sei aber "kein Punkt für einen Parteienstreit".

Der Streit blieb dann auch aus. Zu Wort meldete sich Michael Nürbauer, um Lungs Appell zu bekräftigen: "Denkfehler und Falschmeldungen führen zu großer Unsicherheit in der Bevölkerung. Klar ist jedoch, dass die große Anzahl der Ungeimpften in unserem Landkreis mit ein Hauptgrund dafür ist, dass die Inzidenzzahlen so drastisch steigen und dafür, dass die Pandemie sich derzeit so rasant besonders in unserer Region ausbreiten kann."

Nürbauer: Erschüttert über Gleichgültigkeit

Die Situation in den Kliniken eskaliere, so der ehemalige Pflegedienstleiter. Zwei Intensivpatienten aus anderen stark betroffenen bayerischen Landkreisen seien bereits bis nach Südtirol verlegt worden, weil keine Beatmungsplätze zur Verfügung standen. Nürbauer zeigte sich "erschüttert, mit welcher Gleichgültigkeit die Situation des Klinikpersonals hingenommen wird". Für ihn ist die Pandemie "keine Privatsache". Wer Solidarität verweigere, der gefährde das Gemeinwohl. "Noch gibt es bei uns keine Impfpflicht, aber es gibt eine moralische Pflicht gegenüber unseren Mitbürgern, vor allem den Kindern, den Alten und den Familien."

Guido Boguslawski erinnerte daran, dass allein am Montag dieser Woche 309 Menschen in Deutschland mit oder an Covid-19 gestorben seien. Es gebe auch Impfschäden, das sei aber nur ein Bruchteil. Die Zahl der Todesfälle in Deutschland nähere sich der Zahl 100000 – das seien so viele Menschen wie im Landkreis leben. Es gehe aber nicht nur um Todesfälle, sondern auch darum, schwere Erkrankungen durch die Impfung zu verhindern. Er berichtete von einer Freundin, die an Covid-19 erkrankt sei und ihm berichtet habe, es habe sich angefühlt, als ob sie jeden Tag bei vollem Bewusstsein ertrunken wäre. "Es gibt nur einen Weg aus der Misere", schloss der SPD-Stadtrat, der selbst bereits seine dritte Impfung erhalten hat. − Foto: Archiv