Zu Silvester verschwunden

Der Neustifter Vermisste Johann Himmelsdorfer wurde 1987 für tot erklärt – Leiche nie gefunden

30.12.2017 | Stand 20.09.2023, 22:58 Uhr

Das mysteriöse Verschwinden des damals 48-jährigen Johann Himmelsdorfer bleibt bis heute nicht geklärt. Wer hat den Familienvater und gelernten Zimmerer auf dem Gewissen? Mord verjährt zwar nie, aber ob nach 43 Jahren doch noch "Kommissar Zufall" zu Hilfe kommt, um das im Neustifter Wald vermutete Verbrechen aufzuklären? Der Passauer Heimatkundler Franz Hartl hat zu diesem Vermisstenschicksal recherchiert und berichtet darüber ausführlich in seinem Buch "Wie können Menschen nur so etwas tun?".

Himmelsdorfer wurde am 19. Juli 1926 in Steinbach im Landkreis Passau geboren. Als Kind verwöhnten ihn seine Eltern. Sein Vater starb bei einem Motorradunfall. Mit 31 Jahren heiratete er vor dem Standesamt in Heining. Seine letzte Wohnung hatte er in Passau, Schaldinger Straße 55. Mit der Ehefrau, vier Töchtern und drei Söhnen zwischen einem und vierzehn Jahren lebte er dort, arbeitslos und in Nöten, nicht zuletzt wegen seines Alkoholkonsums.

Er verschwand häufigerfür ein paar TageEr blieb häufiger mal für ein paar Tage verschwunden und tauchte immer wieder auf. So kam es auch, dass seine Frau erst am 23. Januar 1975 eine Vermisstenanzeige abgab. Und danach begann ein jahrelanges Suchen, in das sogar das ZDF 1988 mit der Sendung "XY ungelöst" des Eduard Zimmermann eingeschaltet war – vergeblich.

Dabei waren Himmelsdorfers letzte Wege metergenau und minutiös rekonstruiert worden. Und es schien zeitweise so, als sei der Mann von zwei Personen noch nach dem Silvestertag des Jahres 1974 gesehen worden. Spuren, die sich nicht mehr sichern ließen, und für die Irrtümer nicht ausgeschlossen werden konnten.

Am 30. oder 31. Dezember 1974 hatte Johann Himmelsdorfer bei der Raiffeisenbank Schalding sein Gesamtguthaben von 660 DM abgehoben, einen Teil des Geldes seiner Frau gegeben, den größeren behalten. Mit seiner damals fünfjährigen Tochter war er nach Passau spaziert, hatte in einem Stehausschank in der Bahnhofstraße Bier und Schnaps konsumiert und sich gegen 13.30 Uhr verabschiedet.

Um 15.30 Uhr war Johann Himmelsdorfer wieder in seiner Wohnung erschienen. "Ich geh’ zu Bekannten", rief er seiner Frau zu. Der passte das nicht, es kam zum Streit. Um 16 Uhr verließ er das Haus und marschierte in Richtung Rittsteig davon, dann in Richtung Neustift auf der alten Poststraße. Hier traf er zwei Metzgerlehrlinge, die mit ihm bis Eichet gingen. "Schaut’s her, ich hab Geld", prahlte der sichtlich angetrunkene Mann. "Mir langt’s über Silvester." In Eichet kaufte Johann Himmelsdorfer zwei Flaschen Wein, ging dann weiter Richtung Neustift, wo er Bekannte aufsuchen wollte: Sie sahen ihn nie mehr, er kam nicht an.

Angeklagter wurdewieder freigesprochenJahrelang wurden die Ermittlungen in der Vermisstensache Johann Himmelsdorfer geführt. Hinweise auf einen Bekannten des Zimmerers, der zeitweise in Seestetten gearbeitet hatte, verdichteten sich. Der Mann wurde angeklagt, stand in Passau vor Gericht. Doch schon der Staatsanwalt beantragte den Freispruch, den das Gericht schließlich verkündete.Am 15. Mai 1980 gruben 26 Beamte im Neustifter Wald einen Hektar Boden um, nachdem eine mit Waldbodenerde behaftete Schaufel sichergestellt wurde. Eine Leiche wurde nicht gefunden.

Ein Brief an Ministerpräsident Strauß löste weitere Nachforschungen aus. "Ich weiß von Morden", stand in dem Brief. "Mir sind die Mörder des Johann Himmelsdorfer bekannt." Doch was dem CSU-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten da bei seiner letzten Aschermittwochsrede 1988 in Passau zugesteckt wurde, erwies sich als Luftblase.

Johann Himmelsdorfer war und bleibt bis heute verschwunden. Zwar wurden aufgrund des Briefs an den CSU-Chef die dicken Aktenbündel erneut entstaubt und durchgesehen, doch neue Fakten fanden sich nicht. Und so wurden die Akten wieder geschlossen, nachdem Vernehmungen des Briefschreibers keine Hinweise auf tatsächliches Wissen brachten. Das Schicksal des seit Silvester 1974 vermissten Passauer Zimmerers und Maurers bleibt weiterhin ungeklärt.

Die Zeit verging. Frau Himmelsdorfer beantragte im Armenrecht beim Landgericht Passau 1975 die Scheidung ihrer am 21. März 1957 geschlossenen Ehe gemäß Paragraph 43 des Ehegesetzes. Begründung ihres Anwalts: "Der Beklagte hat die Klägerin am 30. Dezember 1974 grundlos verlassen und ist seitdem spurlos verschwunden. Er wird seither von der Kriminalpolizei gesucht. Die Ehe war von Anfang an unglücklich. Der Beklagte hat ständig getrunken. Im trunkenen Zustand hat er die Klägerin geschlagen, sie mit dem Messer bedroht und das Geschirr zerschlagen. Die Klägerin musste öfter die Polizei rufen." Mit Endurteil vom 4. November 1975 wurde die Ehe Himmelsdorfer aus Verschulden des Beklagten geschieden. Das Urteil wurde am 13. Dezember 1975 rechtskräftig. Weil für ihren Mann in 17 Ehejahren nur für eine Beschäftigungszeit von 15 Monaten eine Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung nachgewiesen werden konnte, erhielt Frau Himmelsdorfer keine Witwenrente. Sie heiratete am 18. Juli 1979 in zweiter Ehe und ist seit September 2009 wieder Witwe.

− red