Festspiele Europäische Wochen Passau
Wunder gefällig? – Bamberger Symphoniker in Niederalteich

12.07.2022 | Stand 20.09.2023, 6:52 Uhr

Ist es die Präsenz der Musiker, die dieses Konzert so intensiv macht? Oder Intensität der Musik selbst? Oder die prachtvolle Kulisse? Die Bamberger Symphoniker schaffen einen großen Festspielabend. −Foto: Toni Scholz

Wer sich nach Wundern sehnt, sollte ins Konzert gehen – zum Beispiel dann, wenn die Bamberger Symphoniker zu erleben sind. Ist es die Perfektion im Zusammenspiel? Die Präsenz der Musiker? Oder schlicht die Intensität der Musik selbst, dargeboten vor prachtvoller Kulisse? Was jenen letzten Zauber ausmacht, der aus solidem Musikgenuss große Kunst macht, bleibt ein Geheimnis. Seine Wirkung aber ist wunderherrlich und hinterlässt beseelte und beglückte Zuhörer.

"Finlandia" wird zum klingenden Ausrufezeichen

Beim Konzert "Aufbruch und Reminiszenz" der Bamberger Symphoniker bei den Festspielen Europäische Wochen Passau am Sonntagnachmittag in der nahezu voll besetzten Basilika Niederaltaich im Landkreis Deggendorf ist das Wunder großer Kunst eindrucksvoll zu erleben. Dabei zeigt sich: Der Klang der Bamberger Symphoniker ist zu Recht legendär und so konstant wie lebendig. Es ist ein Klang ohne Brüche, warm, weich und fließend, mit besonderem Schmelz und höchster Präzision. Fast vergisst man beim Lauschen die physische Dimension der Instrumente, den Geigenstrich oder die Blastechnik, derart überlegen kommunizieren die Musiker miteinander und atmen mit ihren Instrumenten im Gleichklang.

Mit "Finlandia" op. 26 von Jean Sibelius erfüllt zum Auftakt ein gewichtiges Werk die Kirche, dessen politische Dimension einem klingenden Ausrufezeichen gleichkommt. Sibelius komponierte das Stück einst als Hymne auf den finnischen Kampfgeist, den nationalen Stolz und die ersehnte Autonomie, die Ende des 19. Jahrhunderts unter russischem Einfluss stark beschnitten werden sollte. In Niederalteich lassen es die Symphoniker monumental einrasten, der finnische Dirigent John Storgårds setzt das Opus wuchtig präzise in Szene.

Mit fokussierter Energie, sprechenden Augen, ungemein nah dran an den Musikern und kraftvoll erdverbunden, gestaltet Storgårds auch das weitere Programm. Im Zentrum steht dabei das Konzert für Oboe und kleines Orchester D-Dur AV 144 von Richard Strauss, ein sehnsuchtsvoll schwebendes Stück mit lyrisch-virtuosem Solopart, geprägt von spielerischer Virtuosität und feinem Humor. Hochsensibel begleitet vom Orchester, gestaltet Oboist Andrey Godik frei, filigran und anmutig die Bögen und arbeitet mit sprechendem Duktus die kommunikativen Facetten der Partitur heraus, bevor er bei der Zugabe mit seiner innigen Interpretation der Händel-Arie "Lascia ch'io pianga" zu Tränen rührt.

Zum Schluss erklingt mit Edward Elgars "Enigma-Variationen" op. 36 ein hintersinniges Stück, das mit seiner unmittelbaren und farbenreichen Tonsprache einmal mehr die Klangkunst des Orchesters offenbart. Mit reichlich Augenzwinkern und jeder Menge musikalischer Raffinessen, komponierte Elgar hier verschiedenste Miniaturen als musikalische Charakterzeichnungen seiner Freunde. Die Bamberger Symphoniker schöpfen in ihrer Interpretation der klingenden Psychogramme aus dem Vollen und lassen die verschiedensten Typen erscheinen, mal pathetisch, mal linkisch, mal sinnlich, mal aufbrausend, mal keck.

Als Zugabe schlägt das Ensemble mit dem "Valse triste op. 44" von Sibelius schließlich den Bogen zurück zum Beginn und betört mit intimstem Pianissimo und tänzerischer Eleganz.

Am Ende großer Applaus und erfüllte Gesichter auf und vor der Bühne. Ein wunderherrliches Konzert.

Dorothea Walchshäusl

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