PNP-Spendenaktion
Wegen Dürre: Esel einer Nomadin sterben

29.12.2021 | Stand 20.09.2023, 6:37 Uhr

Nomadin Hubiyo Mohammed (links) holt sich Wasser bei ihrer Verwandten Habibo. Jeden zweiten Tag marschiert sie mit ihren letzten beiden Eseln vier Stunden durch die heiße Savanne, um insgesamt acht Kanister Wasser nach Hause zu bringen. −Fotos: Eva Fischl

Die Dürre hat fast alle Tiere der Nomadin Hubiyo Mohammed getötet. Mir ihren letzten beiden Eseln holt sie Wasser für ihre Familie. Doch die Lasttiere werden immer schwächer.

Mehr zur PNP-Spendenaktion lesen Sie auch auf unserer Sonderseite.

Auf ihren letzten beiden Eseln ruht Hubiyo Mohammeds letzte Hoffnung. Jeden zweiten Tag macht die Nomadin sich mit den duldsamen Tieren auf die staubige Reise zu ihrer Verwandten Habibo Mohammed. Habibo lebt in der Nähe eines 10.000 Liter großen Wassertanks, aus dem Hubiyo sich alle zwei Tage acht Kanister Wasser für sich und ihre Familie abfüllen und auf die Rücken ihrer Esel laden darf.

Sie sind die einzigen Lasttiere der Familie, die die Dürre noch nicht dahingerafft hat. Doch die Nomadin merkt: auch ihren letzten Tieren fällt der Marsch durch die Savanne immer schwerer. Vor allem auf dem Rückweg, mit jeweils vier schweren Kanistern auf dem Rücken, werden die geschwächten Tiere immer langsamer, bleiben immer häufiger stehen. Sollten auch die beiden letzten Esel sterben oder den zweistündigen Weg zum Wassertank eines Tages nicht mehr bewältigen können, weiß Hubiyo Mohammed nicht mehr, wie sie an Wasser für sich, ihre Familie und die letzten überlebenden Tiere kommen soll.

"Wir haben überall gesucht, aber kein Wasser gefunden"

"Alle Wasserlöcher im Busch sind ausgetrocknet. Wir haben überall gesucht, aber nirgendwo Wasser gefunden", sagt Hubiyo Mohammed. Die Stelle, an der die Nomadin derzeit mit ihrer Familie ihre Hütte aus Ästen, Planen und Heumatten errichtet hat, ist auf keiner Karte eingezeichnet. Nur zu Fuß und mit genauer Ortskenntnis ist ihr temporäres Zuhause zu finden.

Zum Glück lebt ihre Verwandte Habibo gerade in unmittelbarer Nähe einer asphaltierten Straße, die von der Bezirkshauptstadt Garissa nach Norden führt. Unicef hat dort an einer Abzweigung den großen schwarzen Tank aufgestellt. In der Regel kommt hier alle zwei Tage ein von der Regionalverwaltung bezahlter Tanklastwagen vorbei und füllt den schwarzen Wassertank mit sauberem Trinkwasser. Seitdem die Dürre viele Wasserstellen austrocknen und zahlreiche Brunnen trockenfallen oder versalzen ließ, sieht man die meist altersschwachen Lastwagen in den kenianischen Dürregebieten oft auf staubigen Straßen und Pisten. Sie sind erstaunlich geländegängig, doch winzige Siedlungen, wie die, in der Hubiyo Mohammed momentan wohnt, steuern sie nicht an.

Angst ist ihr Begleiter auf dem Vier-Stunden-Marsch

Insgesamt mindestens vier Stunden ist die Nomadin jeden zweiten Tag unterwegs, um Wasser zu besorgen. Das Wasserholen ist in Kenia traditionell Frauen- oder Kindersache. Skrupellose Männer nutzen das aus, immer wieder kommt es in den Büschen entlang der zu Brunnen und Wasserstellen führenden Trampelpfade zu Vergewaltigungen. Auch Hubiyo hat davon gehört. Um weniger Angst haben zu müssen und die immer wieder streikenden Esel besser weiterzerren zu können, wird die 46 Jahre alte zehnfache Mutter und sechsfache Großmutter deshalb meist von ihrer Tochter Dahabo begleitet.

Bevor die beiden Frauen sich mit den gefüllten Kanistern wieder auf den Heimweg machen, ist meist noch Zeit für einen kleinen Ratsch mit Habibo, der Frau am 10.000 Liter-Wassertank. "Wie viele von deinen Tieren leben noch? Weißt du, wann dein Tank wieder aufgefüllt wird? Was glaubst du: Wann wird Gott es endlich wieder regnen lassen?" Fast immer drehen die Gespräche sich um die Dürre, denn mittlerweile gibt es bei den Nomaden keinen Lebensbereich mehr, der nicht von der seit Jahren anhaltenden Naturkatastrophe betroffen ist.

Und wenn Hubiyo Mohammed sich mit ihren mit den Wasserkanistern beladenen Eseln wieder auf den Rückweg durch die staubgraue Savanne macht, geht ihr vor allem eine Frage durch den Kopf: "Wie lange halten die Esel noch durch?"