Politischer Gillamoos
Warm-up für den Landtagswahlkampf: Auch Koalitionspartner bekamen Pfeile ab

05.09.2022 | Stand 22.09.2023, 6:01 Uhr

Frühe Wahlkampfhilfe aus NRW: Regierungschef Hendrik Wüst unterstützt Ministerpräsident Markus Söder −Fotos: dpa

Von Isolde Stöcker-Gietl, Christine Schröpf und Harald Rast

Der politische Gillamoos in Abensberg lieferte einen klaren Vorgeschmack auf dem Landtagswahlkampf: Wer wem zur Seite steht und auf wen es viele Pfeile hagelte, lesen Sie in unserem Überblick.



Fotos und Videos vom politischen Gillamoos finden Sie in unserem Liveticker.

CSU: Layla-Lied, Komplimente und Breitseiten

Ministerpräsident Markus Söder absolviert einen politischen Trainings-Parcours: Erst geht es vorbei an einer Demo der Atomkraftgegner, die sich gegen die von ihm forcierte Verlängerung von Atomlaufzeiten stemmen. Es folgt ein kurzes Wärmebad im Pulk von CSU-Fans, die im Hofbräuzelt Spalier stehen, bevor ihn der Kelheimer Landrat Martin Neumeyer gemeinsam mit dem nordrhein-westfälischen Regierungschef Hendrik Wüst in eine Übung im Poker-Face-Schneiden schickt: Der Parteifreund taucht dafür bei seiner Begrüßung in die Abgründe der politischen Unkorrektheit ab, lässt den Layla-Song („schöner, jünger, geiler“) aus Lautsprechern dröhnen. Die Gesichtszüge von Söder und Wüst changieren zwischen ausdruckslos und vorsichtig amüsiert. Die Stimmung im Bierzelt ist dagegen prächtig. Söder wird Neumeyer später zum „besten Comedy-Landrat“ Bayerns küren und sich selbst ein wenig aus dem Fenster lehnen. „Das ständige Humorlose und Aggressive: das stört.“

Es ist der erste Gillamoos der CSU mit zwei Ministerpräsidenten: Wüst revanchiert sich für die Wahlkampfhilfe Söders in NRW: „Bayern braucht eine starke CSU.“ Spott gilt der Ampel und Kanzler Olaf Scholz, der jetzt Zufallsgewinne von Stromerzeugern abschöpfen will. „Zufallsgewinn? Was soll das sein?“ Ihm selbst falle da nur der Sieg von Scholz bei der Bundestagswahl ein. Söder arbeitet sich an den Grünen ab, speziell an den Energiespartipps in der Energiekrise. Bei Waschlappen-Empfehlungen droht bei ihm schlimmes Kopfkino. Eltern könnten ihren Kindern auch nicht kaltes Duschen im Winter schönreden. Bayern sieht er bei der Energieversorgung vom Bund abgehängt. Dabei liefere der Freistaat via Länderfinanzausgleich jedes Jahr einen hohen Beitrag: aktuell erstmals über neun Milliarden Euro.

Freie Wähler: Aiwanger bringt Winnetou mit

Als zu den Klängen der berühmten Film-Melodie zwei Schauspieler aus Pullman-City als Winnetou und Old Shatterhand durch den Weißbierstadel ziehen, gibt es bei den Freien Wähler kein Halten mehr: „Hubsi, Hubsi“ jubeln sie ihrem Parteivorsitzenden zu. Hubert Aiwanger ist mit dem Auftritt der berühmten Romanfiguren ein Coup geglückt. Ihm ist, so findet es jedenfalls ein Paar aus dem niederbayerischen Biburg, auch die beste Rede gelungen: „Freilich populistisch, aber besser als Markus Söder.“ Aiwanger positioniert sich als Stimme des arbeitenden Volkes. Er fordert ein steuerfreies Grundeinkommen von 2000 Euro im Monat. Trittbrettfahrern im Sozialsystem müsse genauer auf die Finger geschaut werden. Es könne nicht sein, dass derjenige, der bis Mittag faul im Bett liege, genauso viel Geld zur Verfügung habe, wie Menschen im Niedriglohnsektor.

Mit großem Beifall wird auch Aiwangers Vorstoß bedacht, die Besteuerung vererbter Eigenheime aufzuheben. In Bezug auf die Energiekrise spricht er sich für eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke Isar 2 und Gundremmingen aus – wenn es sein müsse, über einen Winter hinaus. Seine Anhänger schwört er schon auf den Landtagswahlkampf 2023 ein: „Das normale Volk muss wieder sagen, wo es lang geht!“

SPD: Kühnert sieht Union in Selbstfindungs-Krise

Der Berliner fühlt sich wohl im beschaulichen Abensberg: Kevin Kühnert kennt und mag den Gillamoos. Schon beim Eintreffen auf der Festwiese, flankiert von den beiden bayerischen SPD-Vorsitzenden Florian von Brunn und Ronja Endres, ist die Stimmung tiefenentspannt. Der SPD-Generalsekretär lässt es sich an einer Bude nicht nehmen, mit Pfeilen auf Luftballons zu werfen. Als Belohnung für Treffsicherheit gibt es einen grauen Filzhut. Unter den Klängen Defiliermarsches und dem Beifall der Besucher zieht er danach ins gut gefüllte Bierzelt ein, nimmt einen Schluck aus der Maß und feuert verbale Pfeile ab: „Was bin ich froh, dass Olaf Scholz dieses Land heute leitet und nicht Armin Laschet, der schon beim Anschein einer Krise zerbricht.“

Den Unionsparteien wirft er vor, nach der Wahlniederlage in der „Selbstfindungsphase“ zu stecken und auf die gewaltigen Probleme mit „Unernsthaftigkeit und Verantwortungslosigkeit“ zu reagieren. Die Opposition sei bereit, für eine „schnelle Schlagzeile den Industriestandort Deutschland“ aufs Spiel zu setzen. Doch auch der liberale Koalitionspartner bekommt einen Seitenhieb ab: Wenn es um die Gerechtigkeit gehe, rufe die Regierungspartei SPD nicht erst bei Bundesfinanzminister Lindner an, so der 33-Jährige.

Grüne: Hofreiter rechnet mit Wahlsieg in Bayern

Toni Hofreiter arbeitet sich am Krieg in der Ukraine ab: „Es gibt dort Unmengen an Kriegsverbrechen.“ Ihn entsetzt die massive sexualisierte Gewalt der russischen Soldateska, die sich gleichermaßen „gegen Frauen, Männer und sogar Kinder“ richte. „Es darf nicht der Stärkere siegen, sondern das Recht“, fordert der Bundestagsabgeordnete der Grünen. Damit begründet er die in seiner Partei umstrittenen Waffenlieferungen an die Ukraine. Fehler der Vergangenheit – wie im Irak-Krieg – seien kein Argument, die Demokratie nicht aktiv zu verteidigen. Die AfD und die Linksradikalen bezichtigt Hofreiter gleichermaßen, „Putins fünfte Kolonne“ zu sein. Diese Gegner der Demokratie müssten endlich unter die Fünf-Prozent-Hürde gebracht werden.

Die Energiekrise will der 52-jährige Biologe mit Windkraft und Photovoltaik bekämpfen. Das sei technisch möglich, es müsse nur endlich umgesetzt werden. Zudem müsste in diesem Sommer jedem klar geworden sein, dass die Klimakrise nicht weiter eskalieren dürfe. Zum Schluss macht er der grünen Basis Mut: „Ab dem nächsten Jahr regieren wir Bayern.“

FDP: Martin Hagen kritisiert das viele „Mimimi“

Im Weißbier-Karussell drehen sich schon um 9 Uhr die ersten Frühschoppen-Besucher. Die FDP hat gleich daneben das kleinste Zelt auf der Festwiese gebucht. Nur ein paar Biertische und Bänke, große Besucherströme werden hier offenkundig nicht erwartet. Landeschef Martin Hagen schießt sich in seiner Rede auf Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ein. „Söder hat seit Jahresbeginn erst an drei Landtagssitzungen teilgenommen, aber in den letzten fünf Wochen 13 Volksfeste besucht“, lästerte er und weiter: „Gut so – im Bierzelt kann er deutlich weniger Schaden anrichten als auf der Regierungsbank im Maximilianeum.“

Er wünsche sich wieder mehr „Mia san mia“ und weniger „Mimimi“ in Bayern, sagt der FDP-Mann. Die Berliner Koalition bleibt nicht unangetastet. Gesundheitsminister Karl Lauterbach nennt er „das Ein-Mann-Panikorchester der deutschen Sozialdemokratie“. Die Grünen hätten sich in den vergangenen 40 Jahren von Pippi Langstrumpf zu Fräulein Rottenmeier entwickelt, sagt er.

AfD: Söder bekommt die Schuld – für Alles

Die AfD schießt aus dem Schlossgarten Pfeile in Richtung Berlin und München. „Die AfD ist die einzige Partei, die noch klar zu deutschen Interessen steht, die die Rentner. die Kinder und das Bildungssystem unterstützen will“, nennt der Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka als seine Kernbotschaft. Die „Altparteien kümmerten“ sich lieber um die Ukraine, den Irak oder Syrien.

Auch für die Landtagsabgeordnete Katrin Ebner-Steiner ist der Fall klar_ „Söder hat mit seiner CSU die ganze Misere eingebrockt.“ Er habe mit seinem Bashing gegen Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet die Ampel-Koalition an die Regierung gebracht, „die jetzt unser Land systematisch zu Grunde richtet“.

Die besten Zitate

Markus Söder
(CSU): „Man spürt jeden Tag, dass der Putin mit uns ein Spiel treibt.“

Markus Söder (CSU) zu Corona: „Diese ständigen Panikattacken aus Berlin können auf Dauer nicht richtig sein.“

Martin Hagen (FDP) zu Söders Rückhalt durch Regierungschef Hendrik Wüst. „Als wäre Söder allein nicht schon wüst genug…“

Agnes Becker (ÖDP): Partei: „Orange ist das neue Grün.“

Kevin Kühnert (SPD) zu Zufallsgewinnen: „Das sind vulgäre und unanständige Gewinne.“

Hubert Aiwanger (Freie Wähler) „Wenn alle Menschen Freie Wähler wären, wäre diese Welt eine bessere.“

Katrin Ebner-Steiner (AfD): „Es ist das beste Deutschland aller Zeiten, jedenfalls für Verrückte, Sozialisten und Masochisten.“

Anton Hofreiter (Grüne): „Im nächsten Jahr regieren wir Bayern.“

Florian von Brunn (SPD) über Söder: “Gestern noch Bäume umarmt, heute wieder Atomkraft.“

Hubert Aiwanger (FW): „Unser Hauptproblem in Deutschland ist diese Bundesregierung.“