Kabarett im Scharfrichterhaus
Vorsicht beim Träumen! – Philipp Webers "KI: Künstliche Idioten"

13.03.2022 | Stand 21.09.2023, 0:29 Uhr
Gabriele Blachnik

Philipp Weber lief im Scharfrichterhaus zu humoristischer Hochform auf. −Foto: Gabriele Blachnik

Kabarettisten haben derzeit das verständliche Bedürfnis, sich zu rechtfertigen. So auch Philipp Weber, als er in Passau auf die Scharfrichterbühne kommt: "Ja, man darf lachen, weil es gut tut." Die nächsten zwei Stunden erfüllt er seinen Beruf als Humorist mit besonderer Inbrunst, haben Kabarettisten ja noch die vorausgehende Krise samt ihrer Beschränkungen zu kompensieren. Und das Publikum macht und lacht mit, was den quirligen Unterfranken zusätzlich anspornt.

Dabei sucht sich der studierte Biologe, der vor 20 Jahren in Passau das Scharfrichterbeil mit nach Hause in den Odenwald nahm, stets kritische Gegenwartsthemen aus. Aktuell hat ihn der Fortschritt umgetrieben, genauer gesagt dessen elektrischen und digitalen Auswüchse. Fünf "Webersche Gesetze des menschlichen Fortschritts" bilden den roten Faden seines Programms. Seine kurze Rückschau auf deutschen Erfindergeist zeigt: Fortschritt ist weder gut noch schlecht. Vielmehr gilt zu bedenken: Jede Lösung eines Problems erzeugt ein neues Problem.

Dass der Computer ein neu angeschlossenes Gerät nicht erkennt, macht Weber wütend. Aus der Fassung bringt ihn das geliehene autonome Auto mit seinen tausenden Lichtern und Displays, ständigem Warnpiepsen, einem irritierenden Geruchssimulator und automatischer Massagefunktion. Seinem Onkel erzählt Alexa auf Wunsch sogar Witze. Aber sind diese einprogrammierten Witze wirklich zum Lachen? Weber liefert mit eigenen Exemplaren den Gegenbeweis und ein Plädoyer für seine berufliche Kernkompetenz: "Humor ist die größte geistige Leistung der Menschheit. Menschen zum Lachen zu bringen – dieses Problem kann nur von Menschen gelöst werden, nicht von künstlicher Intelligenz."

Nebenbei erzählt Weber von seinem Freund Konrad, ein bekennender Transhumanist. Für den ist Selbstoptimierung das Gebot der Zeit. Braucht man dazu "VR (Virtuelle Realität)-Genitalköcher" oder gar "Babydesign", wird es langsam aber sicher gruselig.

Doch Weber hält sein Versprechen durch: liefert Witze am laufendem Band, dabei aufgeregt über die Bühne hüpfend, wild gestikulierend, kichernd und mit seinem Publikum scherzend. Seine Fortschrittzweifel tauchen auf wie Blitze in einem lang anhaltenden Klamaukgewitter.

Am Ende stellt er die mehr als berechtigte Frage: Sind passwortgepflasterte Internetzugänge, intelligente Toiletten und Sexroboter der Fortschritt, den wir uns gewünscht haben? Und gibt als Antwort: "Früher hat der Fortschritt unseren Träumen gedient. Heute sollten wir gut darüber nachdenken, wovon wir träumen."

Gabriele Blachnik