Bayern
Vermieter mit Herz: Er schenkt seinen Mietern 100 Euro pro Monat

25.07.2022 | Stand 22.09.2023, 20:47 Uhr

Mietern drohen bei den Nebenkostenabrechnungen saftige Nachzahlungen. −Symbolbild: dpa/Silas Stein

Von Benjamin Neumaier

Die Energiepreise schnellen in die Höhe und lassen damit auch die Nebenkosten in ungeahnte Sphären schießen – Vermieter geben das meist eins zu eins an ihre Mieter weiter. Nicht aber Richard Reischl - er geht den genau entgegengesetzten Weg. Nicht ohne Probleme.



Reischl ist Besitzer von vier Mietwohnungen in Hebertshausen im Landkreis Dachau. Während andere Vermieter die Preise anheben und in vielen Städten die Mieten unerschwinglich werden, handelt er gegen den Trend: Reischl hat zwei Familien, die in seinen Immobilien wohnen, die Kaltmiete freiwillig um 100 Euro pro Monat reduziert – das entspricht immerhin 14 Prozent der Gesamtmiete. Zunächst bis zum Jahresende, aber: „Sollten sich die Kosten weiterhin so hoch zeigen, verlängere ich mein Angebot eben". Seine Mieter seien alles „sehr langjährige, zuverlässige Mieter - nur eben teils keine Gutverdiener. Ich möchte sie aber nicht verlieren“, sagt Reischl, Bürgermeister der gemeinde Hebertshausen.

Das könnte Sie auch interessieren:
Alles wird teurer - darf mein Vermieter nun auch die Miete erhöhen?

Er sei ein spontaner und in privaten Dingen auch manchmal unüberlegter Mensch, sagt Reischl über sich. So sei es auch hier gewesen. Denn mit seiner Mietminderung fällt die Kaltmiete seiner Wohnungen zu tief unter die ortsübliche Miete von etwa 13 Euro pro Quadratmeter. Das Problem: Wenn ein Vermieter weniger als 66 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangt, unterstellt ihm das Finanzamt Liebhaberei – also das Fehlen der Absicht, durch die Vermietung einen Gewinn zu erwirtschaften.
Reischl: Habe mich nicht über Konsequenzen informiert
Die Folge: Vermieter können dann ihre Werbungskosten nicht mehr vollständig von der Steuer absetzen, beispielsweise Handwerkerrechnungen oder Ausgaben für Modernisierungen. Wer zum Beispiel 50 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangt, kann auch nur die halben Werbungskosten geltend machen. Zugleich müssen die die betroffenen Vermieter ihre Mieteinnahmen jedoch weiterhin zu 100 Prozent versteuern. „Das ist mir aber egal“, sagt Reischl. „Ich habe mich erst nach der Mietminderung informiert. Ich muss und kann damit leben und hätte es auch gemacht, wenn ich davon gewusst hätte.“

Mit seinen anderen Mietparteien hat der CSU-Kommunalpolitiker die Mietreduzierung für die Familien, die besonders unter den steigenden Preisen zu leiden haben, abgesprochen – sie haben sofort zugestimmt. Die entlasteten Familien seien "sprachlos und total überrascht" gewesen.

Mietminderung auf Facebook gepostet

Auf Facebook machte er seine Mietminderung öffentlich. „Heute habe ich meinen beiden langjährigen Mieterparteien ein Schreiben zukommen lassen, in dem ich eine Mietreduzierung angekündigt habe“, schrieb er dort und erläuterte: „Krisen und schwere Situationen steht man immer nur gemeinsam durch. Jeder Mensch hat sich zu hinterfragen, wie er hier beitragen kann. Ich kann es, indem ich Familien mit Kindern, die aktuell am meisten unter der explosiven Entwicklung aller Kosten leiden, eine Mietminderung zukommen lasse. Auch ich erlebe natürlich Mehrkosten, aber wer mehr hat, kann mehr geben.“ Mittlerweile verdiene er als Bürgermeister von Hebertsfelden sehr gut. „Ich war aber früher Elektriker, kenne die andere Seite“, sagt der 45-Jährige.



Die Resonanz war überwältigend. Innerhalb einer Woche wurde sein Post auf Facebook mehr als 2700 Mal gelikt, mehr als 650 mal geteilt und knapp 600 Mal kommentiert. Normalerweise erreiche er mit seinen Posts zwischen 5000 und 10.000 Menschen, sagt Reischl. Als Bürgermeister der Gemeinde Hebertsfelden (6000 Einwohner), habe er ein gewisses Standing in der Region, seine Facebook-Seite gut 2000 Follower. Doch seinen Mietminderungspost setzte er mit seinem privaten Profil ab.

„Mittlerweile haben es große Portale wie ,Die größten Baufehler aller Zeiten, gepostet - warum auch immer“, sagt Reischl. „Aber dadurch wurde mein Beitrag nun schon millionenfach gesehen. Einfach Wahnsinn.“



Die Rückmeldungen sind meist positiv. „Höchsten Respekt“ zollen ihm Menschen auf der Social-Media-Plattform oder rufen auf, seinem Beispiel zu folgen. Dabei wollte er das gar nicht, schreibt er schon in seinem Post: „Ich rufe nicht dazu auf, mir in diesem Beispiel zu folgen, sondern dazu, dass sich jeder Gedanken machen sollte, wie er seine eigene Situation beurteilt und vielleicht etwas geben kann.“ Aber einige tun es eben doch.

Reischl ein Vorbild für andere Vermieter

Er habe schon mehrere Anrufe erhalten, „wo mir wildfremde Menschen aus ganz Deutschland mitteilen, dass sie als Vermieter jetzt genau das Gleiche tun“, sagt Reischl. Nur selten schlage es ins Gegenteil um. Mancher werfe ihm Wahlkampf vor oder gar Werbung für seine Partei, die CSU, zu machen. „Da kann ich nur lachen“, sagt Reischl. „Kommunalwahl ist erst in vier Jahren und die CSU kritisiert kaum jemand so wie ich.“ 2018 ging er in einem offenen Brief an die CSU in der Tat nicht zimperlich mit der Partei um, kritisierte deren Füchtlingspolitik in harschen Worten. Heute sagt er nur: „Als Mensch in einer christlichen Partei handelt man christlich. Ich möchte Teil einer menschlichen Gemeinde sein und das ist mein Beitrag dazu.“

Von der Politik erwarte er zwar langfristige Lösungen, wisse aber auch, „wie schwierig das auf Landes- oder Bundesebene ist“. Der Tankrabatt sei ein „Paradebeispiel. Der war gut gemeint“, sagt Reischl: „Aber eigentlich war es eine indirekte Subvention der Mineralölkonzerne.“