Traunstein/Fraueninsel
Verfahren um Jodl-Grab vertagt - Kreuz im Gericht abgehängt

17.04.2019 | Stand 21.09.2023, 6:42 Uhr

Das mit roter Farbe beschmierte "Ehrenkreuz" des 1946 als Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg hingerichteten Alfred Jodl. Seine Leiche wurde damals verbrannt, die Asche in der Isar verstreut.

Ein Kreuz aus Travertin, darauf eingemeißelt ein "Eisernes Kreuz", der Name "Alfred Jodl", dessen einstiger Rang als "Generaloberst" sowie die Geburts- und Sterbedaten – dieser Stein als Teil eines Familiengrabs auf dem Klosterfriedhof auf der Fraueninsel, Gemeinde Chiemsee, hat die Justiz in Bayern schon mehrfach beschäftigt. Stets ging es um Protestaktionen des Aktionskünstlers Wolfram Kastner gegen ein ehrendes Gedenken an einen Nazi-Verbrecher. Am Mittwoch saß Kastner wieder auf der Anklagebank, dieses Mal vor dem Landgericht Traunstein. Doch die Vierte Strafkammer setzte auf seinen Antrag hin die Verhandlung aus.

Wie Vorsitzender Richter Helmut Spann per Beschluss verkündete, soll zunächst der Ausgang einer Beschwerde des Angeklagten zum Bundesverfassungsgericht gegen eine zivilrechtliche Verurteilung über alle Instanzen hinweg zur Zahlung von Schadensersatz an die Erben des Jodl-Grabmals abgewartet werden. Dabei geht es um einen identischen Sachverhalt wie im jetzigen Verfahren. Einziger Unterschied: In der Berufungsverhandlung am Mittwoch gegen ein Urteil des Amtsgerichts Rosenheim sollte die strafrechtliche Seite der Aktionen geprüft werden. Das Amtsgericht hatte im Dezember 2017 entschieden, der 71-Jährige habe sich zweier Sachbeschädigungen, eines Diebstahls und einer Nötigung schuldig gemacht. Eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 15 Euro, insgesamt 2250 Euro, sei angemessen.

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Schmiererei: "Keine Ehre dem Kriegsverbrecher!"

Den Buchstaben "J" hatte Kastner im Oktober 2015 von dem Steinkreuz auf dem Klosterfriedhof entwendet und an das Historische Museum in Berlin geschickt. 2016 beschmierte der Angeklagte das Gedenkmal mit roter Farbe und brachte eine Plastiktafel an mit der Aufschrift "Keine Ehre dem Kriegsverbrecher!". Im Herbst 2016 ging der Künstler nochmals in ähnlicher Weise vor. Der Sachschaden durch die Farbattacken belief sich auf rund 3500 Euro.

Ist die Beschädigung durch die Kunstfreiheit gedeckt?

Zum Beschluss der Vierten Strafkammer, die jetzige Verhandlung mit Blick auf die beim Bundesverfassungsgericht anhängige Beschwerde auf unbestimmte Zeit zu vertagen, sagte der Richter: Es gehe um die Rechtsfrage, "ob die Beschädigung des Grabmals rechtswidrig oder aufgrund der Kunstfreiheit rechtmäßig war".

Das Kreuz als "römisches Hinrichtungsinstrument"

Der Prozess am Mittwoch hatte besondere Begleitumstände. Zu Beginn teilte Verteidiger Hartmut Wächtler aus München dem Richter einen ungewöhnlichen Wunsch seines Mandanten mit: Jodl-Kreuz-Gegner Wolfram Kastner wolle, dass das Holzkreuz im Schwurgerichtssaal der Traunsteiner Justiz abgehängt wird. Das Gericht kam dem nach. So waren nur noch die Umrisse des abgehängten Kreuzes an der Wand zu erkennen. Auf Nachfrage der Heimatzeitung teilte Kastner am Nachmittag mit, warum ihn das Kreuz störe und beeinträchtige: "Es ist ein römisches Hinrichtungsinstrument, quasi eine Morddrohung, die bei einer Gerichtsverhandlung nichts verloren hat."

− kd/tt

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