Eggenfelden
Strafbaren Inhalt gelikt: Frau (60) wegen Volksverhetzung vor Gericht

28.08.2022 | Stand 22.09.2023, 2:26 Uhr

Auf der Anklagebank sitzt eine Frau von über 60 Jahren aus dem Altlandkreis Eggenfelden. −Symbolfoto: dpa

Vorgeworfen wird einer Frau von über 60 Jahren aus dem Altlandkreis Eggenfelden (Landkreis Rottal-Inn) ein Beitrag im Internet, den sie "gelikt" haben soll und der einen Inhalt hat, der strafbar ist. Nun sitzt sie auf der Anklagebank.



Es ist ein ungewöhnliches Verfahren, das am Amtsgericht in Eggenfelden verhandelt wird. Auf der Anklagebank sitzt eine Frau von über 60 Jahren aus dem Altlandkreis Eggenfelden.

Sie ist verwitwet, lebt von einer nicht eben üppigen Rente - und sie verbringt viel Zeit im Internet und in den sozialen Netzwerken. Denn sich mit Menschen persönlich zu treffen, etwa im Café, dafür fehlt es auch etwas am nötigen Kleingeld.

Vorgeworfen wird der Frau jetzt ein Beitrag im Internet, den sie "gelikt" haben soll und der einen Inhalt hat, der strafbar ist. Dies führte im vorliegenden Fall dazu, dass die Anklage von einem Generalstaatsanwalt vertreten wurde, der sich üblicherweise mit politischen Straftaten befasst.

Dass die Frau mit der schwerwiegenden Anklage der "Volksverhetzung" vor Gericht steht, "verdankt" sie einer Gruppe von bundesweit tätigen Aktivisten, die das Internet immer wieder durchforsten, um verbotene rechtsradikale Inhalte zu finden. Werden sie fündig, dann werden Meldungen weitergereicht zur Staatsanwaltschaft, die dann nach entsprechenden Ermittlungen auch Anklagen erstellt.

Verhängnisvoller KZ-Vergleich



Diese Gruppe mit dem Namen "Insider" entdeckte in einer WhatsApp-Gruppe ein Posting, das sich mit der Gesetzgebung zur Corona-Impfpflicht befasste. Im oberen Teil des Bildes war das Eingangsportal des Konzentrationslagers Auschwitz zu sehen mit der berühmt-berüchtigten Inschrift "Arbeit macht frei", mit der die Nationalsozialisten die Menschen, die später brutal ermordet wurden, verhöhnen wollten. Unter diesem Bild war eine Werbung für die Corona-Impfung zu sehen. Dazwischen stand der Satz zu lesen: "Geschichte darf sich nicht wiederholen."

Es gab in Deutschland schon eine ganze Reihe von Verfahren, an deren Ende Angeklagte, die einen derartigen Vergleich zwischen der Corona-Impfung und den grauenhaften Taten in den Konzentrationslagern gezogen hatten, zu erheblichen Strafen verurteilt wurden. Die in Eggenfelden angeklagte Frau machte aber gleich zu Beginn ihrer Aussage deutlich, dass sie mit diesem Beitrag in dem Forum nichts zu tun habe. Sie habe weder den "Gefällt-mir"-Knopf gedrückt noch ihn selbst eingestellt. Sie habe auch nichts kommentiert - sie kenne dieses Posting gar nicht. Und ihr sei auch nicht klar, wie es unter ihrem Account veröffentlicht werden konnte. "Die einzigen Gruppen, in denen ich dabei bin, das sind Handarbeitsgruppen, vor allem rund um die Kreuzstich-Stickerei", sagte sie aus. Sie sei zwar politisch interessiert und nicht mit allem einverstanden, was sich in der Politik tut, aber mit rechtsradikalen Äußerungen wolle sie nichts zu tun haben.

Name und Account



Wie aber kam dann ihr Name und ihr Account ins Spiel? "Das weiß doch jeder, dass es Leute gibt, die sich überall reinhacken können - ich musste selbst auch schon einmal mein Handy und meinen Laptop komplett neu aufbauen, weil das gerade in den sozialen Netzwerken immer wieder passiert", antwortete die Angeklagte auf diese Frage.

Ein Passauer Kripobeamter, der sich um den Fall gekümmert hatte, konnte diese Aussage zunächst einmal nicht widerlegen. Die Geräte der Frau hätten zur Untersuchung nicht vorgelegen. Wenn man hier tiefer einsteigen würde, dann könnte man sicher mehr Belege für Schuld oder Unschuld finden. Er gehe aber nach seinem Erkenntnisstand davon aus, dass die Frau den Beitrag gelikt und verbreitet habe in ihrer Gruppe.

Smartphone der Frau wird nun genauer untersucht



Der zuständige Generalstaatsanwalt offenbarte ein wenig Nachholbedarf in Sachen sozialer Medien und wie das alles genau funktioniert mit den Postings und den Likes. Dies erklärte deshalb die auf diesem Gebiet durchaus fitte Vorsitzende Richterin. Sie wollte gar nicht in Abrede stellen, dass es Manipulationsversuche geben könnte, aber es gibt eben auch "Likes" der Angeklagten für eine politisch ausgesprochen rechtsstehende Partei, die der Richterin bekannt sind. Ob die Angeklagte also wirklich so politisch naiv sei, da bestünden schon Zweifel.

Die Angeklagte wiederum wollte das nicht so stehen lassen. Persönlich sehe sie nur die Möglichkeit, dass eventuell ein naher Verwandter, der sich nach dem Tod ihres Mannes zwei Laptops "unter den Nagel gerissen" haben soll, ihren Namen missbraucht hatte. Sie sei deshalb bereit, ihr Handy, auf dem alle Gruppen, in denen sie Mitglied ist, zu finden sein sollten, der Polizei zu übergeben - inklusive aller Passwörter, wie auch ihr Verteidiger sagte. Einen Wunsch habe sie aber: "Es wäre nett, wenn ich mein Handy in ein paar Tagen zurückbekommen könnte. Ich brauche es ja wieder."

Der Kriminaler konnte das nicht garantieren. Er selbst sei im Urlaub, werde sich aber darum kümmern, dass das Gerät zügig untersucht werde. Bis dahin ist das Verfahren ausgesetzt.

− hl