Mediengruppe Bayern exklusiv
Strack-Zimmermann (FDP) fordert schnelle Verlegung von Schützenpanzern in Ukraine

12.10.2022 | Stand 22.09.2023, 4:41 Uhr

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). −Foto: Michael Kappeler/dpa

Von Gernot Heller



„Wenn der Westen weiterhin bereit ist, mit unterschiedlichem militärischem Material die Ukraine zu unterstützen, dann kann die Ukraine diesen Krieg gewinnen“, sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, im Interview mit der Mediengruppe Bayern.



Russische Raketenangriffe auf Kiew und andere Städte. Ist der Krieg in der Ukraine in eine neue Phase eingetreten?
Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Nein, dieses brutale Vorgehen ist seit dem 24.Februar der Fall. In dem Moment aber, in dem Raketen Kiew erreichen, wo zig Tausende von Menschen leben, wird er besonders sichtbar. Der Krieg tobt nach wie vor im Osten des Landes, im Norden und im Süden, letzteres mit besonders hohen Verlusten. Wir können uns vorstellen, wie grauenvoll das ist, wenn Putins Angriffe auf Großstädte stattfinden und besonders perfide seine Raketen gezielt auch auf Kinderspielplätzen einschlagen.

Sie waren gerade in der Ukraine. Wie lange ist das Land in der Lage, den immer brutaleren Angriffen der Russen standzuhalten?
Strack-Zimmermann: Die Angriffe werden nicht immer brutaler, sie sind es vom ersten Tag an des völkerrechtswidrigen russischen Überfalls. Sie richten sich nicht nur gegen militärische Einrichtungen, sondern gezielt werden Zivilisten angegriffen. Es sind ja schon viele Städte in der Ostukraine in Schutt und Asche gelegt worden. In der Ukraine ist, das merkt man in Gesprächen mit wem auch immer, die Wehrwilligkeit unglaublich groß. Keiner ist gewillt, auch nur ein Fitzelchen des eigenen Territoriums auf- und abzugeben. Die Menschen sind bereit, dafür zu kämpfen, um die Integrität ihres Landes wiederherzustellen. Das hören Sie überall in der Ukraine. Wenn der Westen weiterhin bereit ist, mit unterschiedlichem militärischem Material die Ukraine zu unterstützen, dann kann die Ukraine diesen Krieg gewinnen.

Und dazu gehört auch die Lieferung von Kampfpanzern durch Deutschland?
Strack-Zimmermann: Dazu gehört mit Sicherheit der Schützenpanzer Marder. Der Kampfpanzer Leopard 2 wird seitens des ukrainischen Militärs zwar priorisiert. Aber ich weiß, dass man erleichtert wäre, wenn schnellstmöglich der Marder geliefert würde. Dessen Lieferung aus dem Bestand der Bundeswehr wäre logistisch machbar, der Bestand gäbe das auch her und könnte seitens der Industrie im Laufe eines Jahres wieder ersetzt werden. Die Ukrainer müssten wie bei der Panzerhaubitze 2000 oder dem Flugabwehrkanonenpanzer Gepard sofort noch vor dem Wintereinbruch daran ausgebildet werden. Mit dem Leopard 2 ist die Lage etwas komplexer - auch, weil der Bestand beim der Bundeswehr geringer ist. Wenn man es allerdings erreichen könnte, dass alle europäischen Staaten, die den Leopard 2 nutzen, gemeinsam die Ukraine beliefern, wäre das natürlich optimal und ein wichtiges europäisches Zeichen. Die Zeit drängt. Daher sollten wir aufhören zu diskutieren und den Marder in die Ukraine verlegen.

Wie nahe ist Russland auf seinem Eskalationskurs dem Einsatz auch taktischer Atomwaffen?
Strack-Zimmermann: Wladimir Putin redet seit dem 24. Februar immer wieder davon, dass er diese Option hat. Das ist das Narrativ, welches er seit langem verbal „spielt“, um nicht nur die Ukraine, sondern alle westlichen Unterstützerstaaten einzuschüchtern. Putin wird nicht aufhören, damit zu drohen, diese Karte zu ziehen. Man kann jetzt lange darüber spekulieren, ob er das wirklich tun würde oder nicht. Ihm und denjenigen, die nah an ihm dran sind, dürfte aber klar sein, dass dies nicht nur schwerwiegende Folgen für seine eigene Bevölkerung haben würde, sondern ein gigantischer weltweiter Tabubruch wäre und ihn dann vollends aus der Weltgemeinschaft ausschließen würde, auch von Seiten der Staaten, die noch an seine Seite stehen oder sich bisher neutral verhalten haben.

Ist Belarus schon Kriegspartei?
Strack-Zimmermann: Präsident Lukaschenko macht ja keinen Hehl daraus, dass er das russische Vorgehen vorbehaltlos unterstützt. Sein Land war im Februar bereits Aufmarschgebiet der russischen Armee. Von dort liefen die ersten russischen Angriffe auf die Ukraine. Er ist eine Marionette Putins, auch wenn er offiziell der Ukraine den Krieg noch nicht erklärt hat.

Was erwarten Sie von der G7-Telefonkonferenz zur Ukraine?
Strack-Zimmermann: Es ist ein bedeutendes Zeichen, dass Präsident Selenskyi an dieser Konferenz - virtuell - teilnimmt. Dabei wird auch über den Wiederaufbau der Ukraine gesprochen. Dass die G7-Staaten bereits jetzt darüber sprechen, wie der Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg aussehen könnte, und welchen Beitrag die Länder der G7 Staaten dazu beitragen können, ist ein wichtiges Signal. Es zeigt an: Wir stehen nicht nur jetzt humanitär, wirtschaftlich und militärisch an der Seite der Ukraine, sondern wir glauben auch daran, dass die Ukraine eine Zukunft in Frieden und Freiheit hat. Das ist sehr, sehr wichtig, und ich bin froh, dass das Bundeskanzleramt diese Initiative ergriffen hat.