Kultursommer
Sting und Wanda begeistern auf Schloss Tüßling 15.000 Fans

25.07.2022 | Stand 22.09.2023, 2:05 Uhr

8500 Fans erlebten Sting am Freitag im Tüßlinger Schlosspark. Insgesamt kamen zum Kultursommer bisher 27.000 Besucher. −Foto: Stuffer

Die erste Runde des Raiffeisen-Kultursommers war ein musikalischer und wirtschaftlicher Erfolg: Zu den vier Konzerten sind ab Mittwoch insgesamt gut 27.000 Besucher in den Park von Schloss Tüßling im Landkreis Altötting gekommen, so viele wie noch nie.



Und der künstlerische Mix bediente auch viele Geschmäcker: Toto am Mittwoch die Classic-Rock-Fans, Sarah Connor am Donnerstag die Freunde des deutschsprachigen Pop. Und am Freitag und Samstag schließlich waren der britische Gentleman Sting mit einem Programm, das seine 45-jährige Karriere überspannte, sowie die Rock-Rabauken von Wanda zu erleben.

"My Songs " ist die Welttournee überschrieben, die Sting nach Tüßling bringt. Und es ist bezeichnend, dass der Auftritt mit einem Song seiner früheren Band The Police beginnt. Denn sein Solowerk reicht halt nicht an die Brillanz der frühen Jahre heran. Die ersten beiden Alben nach der Auflösung der Band in den 1980er Jahren überzeugten noch vollends, dann wurde aus der Kunst oft bildungsbürgerliches Kunsthandwerk. Wobei sich in Tüßling ein weiteres Mal zeigt: Live gewinnt auch manch halbgare Komposition noch einen Reiz.

Zum Auftakt schreit Sting sein "S.O.S." in die Welt

Und so schreit Sting sein "S.O.S" in die Welt hinaus: Mit "Message In a Bottle", einem der großen Police-Hits, geht’s hinein in einen sonnigen Sommerabend, der den adäquaten Rahmen für den musikalischen Mix aus Reggae und New Wave, Weltmusik und Balladen bildet. An seiner Seite hat Sting eine hervorragend eingespielte Band, mit Gitarrist Dominic Miller und Schlagzeuger John Freese arbeitet er schon seit den 1990er Jahren zusammen.

Eine Entdeckung ist der junge Mundharmonika-Spieler Shane Sager, der bravourös jene Parts übernimmt, die früher Saxofonist Branford Marsalis gehörten. Dominic Millers Sohn Rufus an der zweiten Gitarre, Kevon Webster an den Keyboards und die Backgroundsänger Melissa Musique und Gene Noble komplettieren das Line-up. Für einen Song kommt auch noch Joe Sumner, der das Vorprogramm bestritten hat, auf die Bühne, um mit dem Vater im Duett "King Of Pain" zu singen.

Außergewöhnlicher Tenor und kraftvolle Stimme

Sie alle aber sind nur Staffage, die 8500 Besucher sind wegen des Weltstars in der ersten Reihe gekommen. Seine 70 Jahre sieht man Sting nicht an, in orangerotem T-Shirt und schwarzer Jeans wirkt er Jahrzehnte jünger. Zu diesem Eindruck trägt vor allem seine Stimme bei, die nicht gealtert ist seit den späten 1970er Jahren.

Kraftvoll und ohne zu brechen hält sie während des eineinhalbstündigen Programms, erreicht noch all die hohen Töne, die Stings Tenor so außergewöhnlich machen, skandiert die ikonischen, lautmalerischen A-Yoyoyo-Reggae-Scats. Ebenfalls unverwechselbar ist sein Spiel auf dem Fender-Precision-Bass, dem Sting ein tiefes Grollen ebenso entlockt wie hohe, singende Melodien. Ganz nebenbei ist er jederzeit das rhythmische Fundament der Band.

Weltbekannte Hits

All das begeistert das Publikum, das von Anfang an stimmgewaltig mitsingt. Denn was geboten wird, sind samt und sonders weltbekannte Hits. Und im Gegensatz zu anderen Künstlern seiner Generation schraubt Sting auch nicht an ihnen herum. Die Songs kommen auf die Bühne, wie der Fan sie kennt. So gleicht das Konzert einem großen Familienfest oder einem Klassentreffen, auf das sich alle gefreut haben und auf dem für jeden etwas geboten ist.

Hervorragende Unterhaltung von einem Helden, der aus dem Punk kam und jetzt, als älterer Herr, noch immer weiß, wie er die Massen unterhält. Das geht dann zum Schluss gar so weit, dass er bei der Zugabe ins Publikum fragt: "What do you want? Roxanne? Oh, no, no, no!" Ist natürlich nur Spaß, auch dieser Wunsch wird noch erfüllt. Ein Vollprofi halt!

Am Samstag wurde es mit Wanda rotziger und rockiger

Doch während der Gentleman am Freitag typisch britisch überwiegend Zurückhaltung und Understatement im direkten Kontakt mit dem Publikum übt, wird es am Samstag dafür umso emotionaler, vor allem aber rotziger und rockiger. Wanda aus Wien haben sich nach einer Zuhälterin benannt und Frontmann Michael Marco Fitzthum hat sich kurzerhand, der Halbwelt-Ikone zuliebe, den Künstlernamen in Marco Michael Wanda zugelegt.

Seit 2012 sind sie im Geschäft, singen einerseits über Themen, die bisweilen im Schlager besser aufgehoben wären. Konterkariert wird das andererseits durch die teils expliziten Texte nicht zuletzt über Psychosen und Trunksucht und die Rock-’n’-Roll-Attitüde, mit der das Quintett auftritt, in Tüßling verstärkt durch einen Saxofonisten und ein Streicher-Trio. Als Aufwärmer ist am Samstag Josh am Werk, der 2018 mit "Cordula Grün" einen Hit hatte und sagt, für Wanda würde er immer im Vorprogramm spielen. Auch wenn der Bruch zwischen dem Josh-Pop und dem nun folgenden Rabauken-Rock schon hart ist.

Bierdosen für das Publikum

Und im Mittelpunkt steht Marco Wanda. Altmodische Lederjacke, tief geschnittenes T-Shirt, die schütteren Haare unfrisiert, die Fender-Stratocaster-Gitarre im Anschlag – so kommt er auf die Bühne. Die brennende Zigarette spuckt er aus, denn jetzt heißt es: "Bussi Baby!" Vom ersten Moment an ist der Sänger eins mit dem Publikum, ein Transparent wird ihm entgegengereckt.

Im Stil der großen 1970er-Stars steht er am Bühnenrand, einen Fuß auf der Monitorbox, singt auf dem Rücken liegend, alles ist Pose, vor allem lustig und augenzwinkernd. Etwa wenn er die Zuhörer eindringlich bittet: "Macht’s was ihr wollt, aber passt’s auf die heiligen Rosen auf!" – um im nächsten Moment in die Rabatten zu springen, damit er näher bei seinen Fans ist. Auch um die Getränkeversorgung kümmert sich Marco Wanda persönlich, schmeißt immer wieder Bierdosen in die Menge.

Eineinhalb Stunden Vollgas und ganz viel Amore

In ihren Anfangstagen war die Band fest in der Rock-’n’-Roll-Tradition verhaftet, die jüngeren Produktionen kamen poppiger daher. Auf der Bühne dominieren die Wurzeln: Sänger, Gitarre (Manuel Christoph Poppe), Bass (Reinhold Weber), Keyboards (Christian Hummer), Schlagzeug Valentin Wegscheider) und eineinhalb Stunden Vollgas. Die 6500 im Schlosspark sind von der ersten Sekunde an voll dabei, grölen mit, die Hände in der Luft und im Takt winkend. Und sie werden dafür mit Liebesbezeigungen, mit ganz viel Amore belohnt, als Baby und Schatzi betitelt. Wenngleich der Sänger noch mehr will: "Tüßling, gibst du mir wirklich alles?"

Es gibt eine klare Antwort: Ja! Insbesondere bei den Krachern der ersten beiden Platten, bei der verführerischen "Luzia", bei Tante Ceccarelli in "Bologna" und beim Rausschmeißer "1, 2, 3, 4", der in einem satten, schwülen Reggae-Groove einen brutal rockenden, unterhaltsamen Sommerabend ausklingen lässt.

Rainhard Fendrich und Hubert von Goisern am 25./26. August

Der Raiffeisen-Kultursommer geht am 25. August mit Rainhard Fendrich und am 26. August mit Hubert von Goisern in die zweite, finale Runde. Die beiden Österreicher spielen jeweils ab 20 Uhr auf dem Kapellplatz in Altötting.