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Starke Männer und nackte Schafe bei der Schurmeisterschaft

08.08.2016 | Stand 19.09.2023, 6:48 Uhr
Davina Decher
Knochenarbeit nennt Rainer Blümelhuber aus Eggenfelden die Schafschur. −Foto: Davina Decher

Die Wolle muss einmal im Jahr runter vom Schaf und das möglichst in kurzer Zeit. Daraus haben Schäfer auf der ganzen Welt einen Berufswettbewerb gemacht. 20 Schäfer sind zur Bayerische Schurmeisterschaft 2016 am Sonntag nach Haidlfing (Landkreis Dingolfing-Landau) gereist. Einer von ihnen ist Rainer Blümelhuber (52) aus Eggenfelden.

Wolle runter in zwei Minuten

Blümelhuber packt das vierte und letzte Schaf. Drei hat der drahtige, gebräunte Mann mit den muskulösen Armen schon geschoren. Mit hochrotem Kopf und konzentriertem Blick klemmt er sich den Schafskörper zwischen die Beine und rasiert ihm die Wolle runter. Sein linker Nachbar kämpft mit seinem strampelnden Tier. Seine Kontrahenten scheren gerade das dritte Schaf. Blümelhuber geht von der Tribüne, die Zuschauer jubeln: Er ist fertig. Sechs Minuten und 37 Sekunden hat er für vier Schafe gebraucht.


"Die Technik ist entscheidend", sagt Rainer Blümelhuber. Mit den Füßen hält er das Schaf fest, man darf nicht zu fest drücken, aber auch nicht zu wenig. Es muss das Gefühl haben, dass es nicht weglaufen kann, erklärt er. Blümelhuber hatte mit 18 Jahren das erste Mal eine Schermaschine in der Hand. Sein Vater und sein Großvater waren Schäfer. Seit 1995 führte er die Schäferei in Moosham. 2015 wurde er deutscher Meister und qualifizierte sich für die Weltmeisterschaft in Neuseeland im Februar 2017.

Surrende Klingen geführt von sehnigen Männerarmen bahnen sich ihren Weg durch dichte, schmutzig-weiße Schafwolle und lassen kahle Streifen zurück. Schafe liegen waagerecht auf der Holztribüne oder sitzen auf ihrem Hinterteil, Tierköpfe klemmen zwischen Menschenbeinen, Hufe recken in den wolkenlosen Himmel. Schaf für Schaf wird aus seiner Wolle gepellt.

Punktabzug gibt es, wenn Wolle am Schaf zurückbleibt. Pro zehn Zentimeter verteilen die Richter einen Strafpunkt. Schnittwunden geben ebenfalls ein Minus. Das Vlies soll möglichst in einem ganzen zusammenhängenden Stück vom Schaf herunterkommen. Nachscheren kostet auch Punkte.

Schnittwunden oder Kratzer beim Scheren kommen vor, egal wie schnell das gemacht wird, sagt Rainer Blümelhuber. "Das Schaf will eben weglaufen und wehrt sich". Für alle Fälle sind zwei Tierärzte vor Ort.

"Schäfer sind Idealisten"

Blümelhuber hütet auch Schafe. Das habe nichts Romantisches. Unter einem Baum entspannen, während die Schafe grasen ist nicht drin. "Man muss ständig aufpassen." Morgens bis abends geht er mit den Schafen und seinen drei Hütehunden auf die Weide. "In der freien Natur zu sein ist schön. Und die Arbeit mit den Tieren macht Spaß." Urlaub hat er allerdings nie. Schäfer zu sein werde immer schwerer. Immer neue Gesetze, immer mehr Vorschriften, wachsender Bürokratismus. "Als Schäfer muss man schon in bisschen Idealist sein."