„Sehr nahe am Grenzbereich“
Söder fordert Beteiligung bei tschechischer Atommüllendlager-Suche

14.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:14 Uhr

Markus Söder (CSU), Parteivorsitzender und Ministerpräsident von Bayern. −Foto: Matthias Balk/dpa Pool/dpa

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat bei seinem ersten offiziellen Besuch in Prag eine Beteiligung seines Bundeslandes bei den tschechischen Planungen für ein Atommüllendlager gefordert.



„Wir haben da einfach Sorgen, weil es sehr nahe am Grenzbereich ist“, sagte der CSU-Vorsitzende nach einem Treffen mit dem tschechischen Regierungschef Petr Fiala am Donnerstag. Tschechien rechnet mit dem Bau eines Tiefenlagers für hoch radioaktiven Atommüll bis 2065.

Bayerischer Wald-Böhmerwald als Option

Vier Standorte sind in der näheren Auswahl, von denen keiner mehr als 200 Kilometer von Deutschland entfernt ist. München sorgt sich um den grenzüberschreitenden Naturraum Bayerischer Wald-Böhmerwald. Die Entscheidung dürfe keine rein politische, sondern müsse eine fachliche sein, verlangte Söder.

Weiteres Thema der Gespräche waren die Folgen des russischen Krieges gegen die Ukraine auf die Energieversorgung. Söder kündigte an, dass Bayern auf Wunsch Tschechiens die Durchlaufkapazität der Transalpinen Ölleitung (TAL) um 17 Prozent auf 7500 Kubikmeter je Stunde erhöhen werde. Die Leitung beginnt im Hafen von Triest. „Das ist ein wichtiger Schritt hin zur Derussifizierung unserer Wirtschaft“, sagte Fiala dazu.

350 Kilometer lange gemeinsame Grenze

Bayern und Tschechien teilen sich eine mehr als 350 Kilometer lange Grenze. Nach Horst Seehofer (CSU) ist Söder erst der zweite bayerische Ministerpräsident, der das Nachbarland besucht. Tschechien hat seit Anfang Juli für sechs Monate die rotierende EU-Ratspräsidentschaft inne und damit die Aufgabe, Kompromisse zwischen den Mitgliedstaaten zu suchen.

Für die Zukunft regte Söder die Bildung einer grenzüberschreitenden Wasserstoffregion an. Sogenannter grüner Wasserstoff, der mithilfe erneuerbarer Energiequellen gewonnen wird, gilt als ein Schlüsselelement bei der Energiewende. Wasserstoff kann zum Beispiel zum Betrieb von Fahrzeugen mit Brennstoffzellen genutzt werden. Tschechien ist derzeit im Vergleich mit anderen EU-Staaten besonders stark von russischem Gas und Erdöl abhängig.

Söder für Modernisierung der Zugstrecke München - Prag

Ein Dauerthema sind die Verkehrsverbindungen. Die Fahrzeit mit der Bahn zwischen München und Prag liegt bei mehr als fünfeinhalb Stunden - wenn keine Verspätungen zum Beispiel wegen Personenkontrollen an der Grenze ins Spiel kommen. „Mir kann es nie schnell genug gehen“, sagte Söder und kündigte an, sich auch bei der Bundesregierung weiter für die Modernisierung und Elektrifizierung der Strecke einzusetzen. Was die Polizeikontrollen angeht, stellte er eine Überprüfung in Aussicht, was dabei eventuell zu beschleunigen wäre.

Ein früherer Besuchstermin Söders in Prag im Dezember 2019 musste aus terminlichen Gründen abgesagt werden. Im März 2020 wollten sich der damalige tschechische Ministerpräsident Andrej Babis und Söder dann an der gemeinsamen Grenze in Zelezna Ruda (Markt Eisenstein) treffen, doch die Corona-Krise kam dazwischen. Durch die Pandemie und die damit verbundenen Grenzschließungen kamen viele grenzüberschreitende Projekte vorübergehend zum Erliegen.

Söder kam auch auf die Vertreibung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg zu sprechen, die die Beziehungen lange belastet hatte: „Die Frage ist, ob man alte Wunden immer wieder aufreißt, damit sie sich neu entzünden. Oder nimmt man eine alte Narbe eher als Motivation, die Zukunft zu gestalten?“ Der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, begrüßte den Prag-Besuch Söders. Es sei gut und wichtig, dass „Nachbarn einander kennen und vertrauen, vor allem wenn im Dorf ein gefährlicher Brandstifter wie Herr Putin unterwegs ist“.

− dpa