Konzertkritik
Sie rocken noch immer die Bühne: Guns N' Roses begeistern im Münchner Olympiastadion

10.07.2022 | Stand 22.09.2023, 1:32 Uhr

Nachdem Guns N’ Roses ihr Konzert im schottischen Glasgow erst vor ein paar Tagen krankheitsbedingt absagen mussten, war nicht klar, ob ihr Show im Münchner Olympiastadion stattfinden konnte. Doch die sorgen waren unbegründet: Die Band rockte auf der großen Bühne. −Foto: Katarina Benzova

Kann Axl Rose singen oder nicht? Nachdem das Konzert von Guns N' Roses nur wenige Tage zuvor im schottischen Glasgow wohl auf ärztlichen Rat abgesagt wurde, macht sich in München im Vorfeld der Show im Olympiastadion Nervosität breit. Im Netz kursieren die wildesten Theorien bis hin zur Aussage, der Sänger habe eine Panikattacke auf der Bühne gehabt.

Von Panik in München keine Spur, sondern vielmehr von Power. Der Frontmann ist im Gegensatz zu seinem letzten Auftritt in München vor fünf Jahren sichtlich schlanker geworden und wirkt ebenso fit wie seine Mitstreiter. Auch Dirty Honey aus Los Angeles, die den Abend bereits um 16.45 Uhr eröffnen, sind fit. Vor allem die Stimme des Sängers irgendwo zwischen Robert Plant und Janis Joplin ist stark. Dennoch sorgt der Retrorock der Amerikaner nur bedingt für Stimmung. Gary Clark Jr. mit Band und Blues im Anschluss etwas mehr, wobei der Groove nicht zwingend ins Vorprogramm von Guns N' Roses passt. Der gitarrenlastige Sound des Texaners ist eher zum coolen Kopfnicken als zum ausgelassenen Headbangen geeignet.

Das kann man dann bei "It's So Easy" ab kurz nach halb acht umso mehr. Schnell zerstreut Rose die Zweifel an seinen stimmlichen Qualitäten und Kapazitäten. Was ihm mittlerweile etwas in den Höhen fehlen mag, macht er durch Beweglichkeit und Bewegungsfreude auf der Bühne locker wieder wett. Neben ihm sind die beiden anderen Originalmitglieder Duff McKagan am Bass und Slash an der Gitarre sonnenbebrillt und stoisch breitbeinig rockend noch immer der Inbegriff von Coolness.

Aber auch die anderen Musiker wie der zweite Gitarrist Richard Fortus tragen zur Relevanz und Rockigkeit von Guns N' Roses bei. Neben Slashs Zylinder liegt das Hauptaugenmerk natürlich aufs Axls Gesang. Der ist bei einer Nummer wie "Estranged" aus dem Jahr 1991 wirklich gut und funktioniert auch bei den neueren Stücken "Hard Skool" und "Absurd", Überbleibsel der "Chinese Democracy"-Sessions. Wobei "Absurd" etwas abgefahren und gewöhnungsbedürftig klingt. Das prall gefüllte Stadion will aber die Klassiker hören und bekommt die natürlich. Darunter mit "Live And Let Die" von den Wings, "Knockin‘ On Heaven’s Door" von Bob Dylan und "I Wanna Be Your Dog" von den Stooges auch die anderer Legenden, denen die Gunners ihren Stempel aufgedrückt haben. Letzteres singt McKagan und zeigt deutlich seine punkigen Wurzeln. Nach "Live And Let Die" wirft sich Rose breitbeinig mit beidhändig hochgehaltenem Mikroständer zurecht in Siegerpose. Der Siegeszug von Guns N' Roses geht aber weiter und dauert insgesamt annähernd drei Stunden. Besonders stark "Civil War" mit ukrainischen Farben auf der großen Leinwand und die Ballade "November Rain". Allerdings wirkt die doch recht stimmungsvolle Nummer bei Tageslicht nicht ganz so eindrucksvoll, trotz digitalem Regen und vielen Handylichtern. Gegen Ende wird mit "Nightrain" noch mal Gas gegeben, bevor Rose die Lippen spitzt und das berühmte Intro zu "Patience" pfeift. Ist aber immer noch nicht der Schlusspfiff. Denn in München dürfen sich die Fans im Gegensatz zu London sogar noch über die epische Nummer "Don't Cry" freuen. Mit dem ultimativen Gassenhauer "Paradise City" geht es dann ins Ziel und heim ins gelobte Land des Rock'n'Roll. Hut bzw. Zylinder ab vor dieser rockigen und ros(e)igen Teamleistung.

Martin Buchenberger