Im Falle eines Blackouts
Sechs Phasen: Das würde bei einem längeren Stromausfall in Deutschland passieren

19.10.2022 | Stand 22.09.2023, 4:23 Uhr

Eine stundenweise, krisenhafte Situation im Stromsystem im Winter 2022/23 ist zwar „sehr unwahrscheinlich“, kann aber nicht vollständig ausgeschlossen werden. −Foto: Nicolas Armer/dpa

Von Teresa Kaiser

Dass es in Deutschland zu einem längeren, flächendeckenden Stromausfall kommt, ist sehr unwahrscheinlich. Was aber passiert, wenn der Fall eintritt? Ein Papier der Berufsfeuerwehren beschreibt sechs Zeitphasen eines Blackouts.



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Kurze Stromausfälle gibt es immer wieder. Sie sind normalerweise wenige Minuten bis Stunden lang und treffen in der Regel nur einzelne Regionen. Als Blackout aber wird ein großflächiger, langanhaltender Stromausfall bezeichnet. Die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren (AGBF) in Deutschland beschreibt in sechs Phasen, wie ein solcher Blackout ablaufen würde und wie er sich auf kritische Infrastrukturen auswirken würde (Grundsatzpapier KRITIS, Stand: 11. Mai 2015).

1. Bis zu zehn Minuten nach dem Stromausfall

In den ersten zehn Minuten eines Stromausfalls gehen Störungsmeldungen von Privatpersonen, Institutionen und Meldeanlagen ein. Es kommt zu ersten Einschränkungen bei der Kommunikation, Teile der Infrastruktur für Mobil- und Festnetztelefonie fallen aus. Erste Hilferufe kommen aus Aufzügen, die steckengeblieben sind.

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2. Zehn bis 60 Minuten nach dem Stromausfall

Handynetze brechen zusammen - wegen Überforderung. Denn laut AGBF wollen nun viele Menschen ihre Termine verschieben. Die öffentliche Kommunikation wird dadurch massiv eingeschränkt. Auch im Verkehr wird es immer chaotischer: Ampelanlagen fallen aus und im ÖPNV mit Elektroantrieb - etwa bei U-Bahnen und S-Bahnen - kommt es zu Störungen. Als Folge von Betriebsstörungen lösen automatische Brandmeldeanlagen aus. Notstromaggregate laufen an.

3. Ein bis zwei Stunden nach dem Stromausfall

Je nach Witterung machen sich nach ein bis zwei Stunden ohne Strom die ersten Heizungsausfälle bemerkbar. In der Patientenversorgung kommt es zu ersten „Hilfeersuchen“, heißt es. Als Beispiele werden aufgezählt Heim-Beatmungsplätze, Heim-Sauerstoffversorgung, Heim-Dialyse oder Absaugung von Patienten.

4. Zwei bis acht Stunden nach dem Stromausfall

Nun kommt es laut AGBF zum Zusammenbruch der öffentlichen Kommunikation: Die Infrastruktur für Mobil- und Festnetztelefonate fällt aus. Auch Behörden und Institutionen zur Gefahrenabwehr können auf diese Weise nicht mehr miteinander kommunizieren. Der digitale BOS-Funk - Funk für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben - fällt aus, wenn der Akku der Basisstationen leer wird. Für die Versorgung von Patienten gehen immer mehr Hilferufe ein. Der Ausfall von Komponenten zur Wasserversorgung zeigt erste Auswirkungen. Probleme bei der Massentierhaltung beginnen.

5. Acht bis 72 Stunden nach dem Stromausfall

Gefahren- und Brandmeldeanlagen fallen aus. Der Ausfall von „ziviler, privater Kraftstoffversorgung“ - sprich Tankstellen - zeigt erste Auswirkungen. Erste Netzersatzanlagen fallen etwa wegen Treibstoffmangels oder Ermüdungserscheinungen aus. Die Probleme bei der Massentierhaltung weiten sich massiv aus. Es kommt zu ersten Bränden und Schäden, weil unsachgemäß mit Feuer und offenem Licht hantiert wird. Fast alle Ressourcen des lokalen Katastrophenschutzes werden gebraucht. Engpässe bei der Trinkwasser- und Lebensmittelversorgung beginnen.

6. Über 72 Stunden nach dem Stromausfall

Mittlerweile gibt es massive Versorgungsengpässe bei allen Gütern des täglichen Bedarfs - laut AGBF auch in den Haushalten, die vorgesorgt haben. Viele öffentliche Dienstleistungen funktionieren nicht mehr. Dem lokalen Katastrophenschutz gehen die Mittel aus und überregionale Hilfe wird erforderlich. Gesellschaftliche Strukturen „destabilisieren“ sich.

Weiter heißt es: „Die bei den Katastrophenschutzbehörden bzw. Einheiten der Gefahrenabwehr verfügbaren Notstromaggregate bzw. Netzersatzanlagen reichen nicht im Ansatz aus, um auch nur die Bedarfe zu decken, die zur Vermeidung von schweren Personen- oder Sachschäden erforderlich wären.“

Polizeieinsätze und Lage in Krankenhäusern

Auswirkungen eines Blackouts auf die Polizei wie Diebstähle, Einbrüche oder Plünderungen sind in diesem Papier nicht beschrieben. Sie würden die Polizei aber zeitgleich massiv beschäftigen.

Eine Erhebung des Deutschen Krankenhaus-Instituts (DKI) zeigt außerdem: Im Fall einer Notstromversorgung reicht die Überbrückung bei mehr als der Hälfte der Krankenhäuser (59 Prozent) nur für wenige Tage. Sollte es zu einem mehrtägigen Stromausfall kommen, könnten laut Umfrage bloß 14 Prozent der befragten Krankenhäuser hinsichtlich ihrer Patientenversorgung normal agieren - rund 40 Prozent der Kliniken nur mit deutlichen Einschränkungen oder nur mit der Notfallversorgung. Bei sieben Prozent der Krankenhäuser müsste die Versorgung demnach sogar eingestellt werden. An der Umfrage nahmen im Oktober 288 Einrichtungen aus dem Krankenhaus-Pool des Deutschen-Krankenhaus-Instituts mit über 50 Betten teil.

Wie wahrscheinlich ist ein Blackout?

Aber wie wahrscheinlich ist ein Blackout in Deutschland? Die vier Übertragungsnetzbetreiber haben im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in einem „Stresstest“ die Sicherheit des Stromnetzes für diesen Winter unter verschärften äußeren Bedingungen untersucht. Das Ergebnis: Eine stundenweise, krisenhafte Situation im Stromsystem im Winter 2022/23 ist zwar „sehr unwahrscheinlich“, kann aber nicht vollständig ausgeschlossen werden.

Vor diesem Hintergrund bereiten auch Kommunen in Bayern Notfallkonzepte zur Versorgung der Bevölkerung vor. „Leuchttürme“ sollen dann die Rettung sein.