Theater an der Rott
"Real Fake": Europa sitzt in Eggenfelden auf der Anklagebank

20.03.2022 | Stand 21.09.2023, 0:03 Uhr

Einseitig und moralinsauer gerät sein selbst verfasstes Solostück: Guido Frank in "Real Fake" am Eggenfeldener Theater an der Rott. −Foto: Sebastian Hoffmann

Europa sitzt zweieinhalb Stunden lang auf der Anklagebank. Selbst ernannter Staatsanwalt im Studio am Theater an der Rott in Eggenfelden ist Guido Frank. Die von ihm verfasste One-Man-Show "Real Fake" hält fest, was den Bewohnern des Abendlands übers Premierenwochenende hinaus vorgeworfen wird: Abschottung gegenüber Migranten, neokoloniale Ausbeutung, Schuld am Klimawandel.

Dass diese Vorhaltungen aufs Gemüt schlagen, ist gewollt, Theater jenseits jeder Komfortzone einkalkuliertes Ergebnis. Auch wenn das gezeigte Horrorszenario nicht aus der Luft gegriffen ist und dem Publikum bewusst etwas zugemutet wird: Am Ende überwiegt das Gefühl, es handle sich um ein einseitiges, moralinsaures Projekt ohne Antworten.

Als graues, getriebenes Männchen empfängt Guido Frank. Die Punkte seiner Hauptklage: Europa lässt Menschen im Massengrab Mittelmeer kaltherzig ertrinken und macht illegale Pushbacks. Dazu kommen Nebenklagen, etwa zur Pädophilie innerhalb der katholischen Kirche. So verbirgt sich hinter dem schwammigen Titel "Real Fake" nicht weniger als ein Frontalangriff auf die europäische Gesellschaft. Die dazugehörige Kapitalismuskritik stammt aus dem linken Meinungsspektrum. Der von Guido Frank geforderte Humanismus ("We are human. Basta.") verkehrt sich verstörend ins Gegenteil. So droht die Herbergssuche von Yusuf und Maria an unüberwindbaren Mauern zu scheitern. Das am Boden liegende Kreuz und das daneben platzierte Schlauchboot wirken wie Asservaten. Die im Programm angekündigten kabarettistischen Züge findet keinen Platz.

Trotz aufrichtigem Bemühen bleibt es ein bruchstückhafter Rundumschlag. Naturgemäß wirken radikale Attacken undifferenziert oder werden vom Geschehen überrollt. Während Frank Polen wegen der ablehnenden Haltung gegenüber Flüchtlingen, die via Belarus kamen, scharf kritisiert, öffnet das Land für Millionen benachbarter Ukrainer alle Tore.

Akteur Frank, ehemaliges festes Ensemblemitglied, wird bei der Choreographie von Daniel Morales Pérez unterstützt. Für die Filmsequenzen bei der Sinnsuche ohne Happy End zeichnet Christian Etzelsbeck verantwortlich. Abzuwarten bleibt, wer den Mut aufbringt, bei den restlichen drei Aufführungen auf der Anklagebank Platz zu nehmen.

Herwig Slezak

Wieder 25./26. März 19.30 Uhr, 27. März 18.30 Uhr, 08721/1268980