Neuer Vize am Landgericht

Landgerichts-Chefin Eva-Maria Kaiser-Leucht verabschiedet Ursula Raab-Gaudin ans Bayerische Oberste Landesgericht

05.07.2019 | Stand 19.09.2023, 22:17 Uhr

Vertreter-Wechsel im Landgericht für Präsidentin Eva-Maria Kaiser Leucht (2.v.r.): Wolfgang Hainzlmayr löst Ursula Raab-Gaudin (l.) als Vize ab und hat durch mehr Verwaltungsaufgaben nun auch mehr mit Geschäftsleiterin Ursula Thumann zu tun. −Foto: cp

Passau hat mit dem Wechsel im Vizepräsidentenamt am Landgericht einen neuen zweithöchsten Juristen. Durch die Beförderung Ursula Raab-Gaudins ans Bayerische Oberste Landesgericht brauchte Präsidentin Eva-Maria Kaiser-Leucht einen Nachfolger. Nun überreichte sie Wolfgang Hainzlmayr die Ernennungs-Urkunde.
Spannend ist so ein Strafkammer-Vorsitz allemal. Raab-Gaudin musste mit ihren Kollegen zum Beispiel im Fall des nach einer Schlägerei im Zentrum verstorbenen Schülers Maurice entscheiden, Hainzlmayr unter anderen im Fall des Beziehungsmordes an einer jungen Mutter in Freyung. Wer aber, wie die Juristin vormals und der Chef des Schwurgerichts nun, dabei auch noch Vizepräsident ist, der muss zusätzlich Verwaltungsaufgaben erledigen. Mit Blick auf die bisherige Zusammenarbeit und beider berufliche Lebensläufe, zu denen auch der Wechsel zwischen Gerichten und Staatsanwaltschaft gehört sowie das hauptamtliche Ausbilden der Referendare, lobt die Präsidentin: Raab sei "für die Passauer Justiz eine feste Größe, eine sichere Bank, ein Begriff auch für die Referendare", Hainzlmayr "ein ausgewiesener Kenner aller beim Landgericht anfallenden Rechtsprechungstätigkeiten sowohl auf dem Gebiet des Zivil- als des Strafrechts".
Ursula Raab-Gaudin studierte in Passau, München und Lausanne. Schon damals also lebte sie aus, was bis heute gilt: "Ich liebe den Wechsel." Sie war 1993 in Passau als Staatsanwältin in die Justiz eingestiegen, wechselte 2001 als Zivilrichterin ans Landgericht, war ab 1997 nebenamtlich und ab 2005 hauptamtliche Leiterin der Arbeitsgemeinschaft (AG) für Referendare in Passau und Landshut, arbeitete 2013 parallel als Amtsrichterin in Freyung und Passau, um im August als Oberstaatsanwältin zurückzukehren zu den Anklägern, deren Vizechefin sie ein Jahr später wurde. 2016 wechselte Raab-Gaudin, nun Vizepräsidentin, wieder zum Landgericht, hatte als Strafkammervorsitzende den Schwerpunkt Schleuserkriminalität.
Letztes Jahr erstand das 2006 abgeschaffte Bayerische Oberste Landesgericht in München auf. Es befindet sich mit Außensenaten in Bamberg und Nürnberg noch im Wiederaufbau. Seit Mai 2019 ist Ursula Raab-Gaudin Richterin an diesem höchsten Gericht im Freistaat, blieb aber noch ein Weilchen abgeordnet für Passau. Ihre neue Aufgabe in München heißt "Beisitzende Richterin in einem Strafsenat, zuständig für Revisionen gegen Urteile der Strafrichter und gegen Berufungsurteile der Landgerichte in Strafsachen aus dem Bezirk des Oberlandesgerichts (OLG) München". Wer, wie sie, den Wechsel liebt, bekam "nun mit dem Bayerischen Obersten wieder Gelegenheit dazu, zu einer neuen Tätigkeit, die mir liegt". Lachend ergänzt sie: "Das ist nochmal eine neue Herausforderung auf meine alten Tage. Jetzt oder nie." Aber sie geht schon auch mit einem weinenden Auge. Ursula Raab-Gaudin empfindet "ganz großen Abschiedsschmerz. Natürlich habe ich mich freiwillig wegbeworben. Aber in der Passauer Justiz, hier im Landgerichtsgebäude, in dem damals die Staatsanwaltschaft untergebracht war, habe ich am 1. Juni vor 26 Jahren begonnen. Da schmerzt der Abschied massiv von Personen, mit denen ich beruflich groß geworden bin." Da tröstet, dass sie im neuen Gericht "kollegial und freundlich aufgenommen wurde, auf beiden Seiten wurde gar nicht gefremdelt". Der neue Job, nun geht es einzig um Rechtsfragen, "macht mir momentan Freude und fordert mich. Und er baut auf all dem auf, was ich bisher machte inklusive Unterrichten." Ihr Senat könnte auch ein Urteil aus Passau überprüfen müssen – "wegen der Außenwirkung würde ich da aber zunächst zurückhaltend sein."

Wolfgang Hainzlmayr studierte in Passau und Regensburg, begann seine Karriere im Januar 1988 als Proberichter am Landgericht Regensburg, wechselte zur Staatsanwaltschaft, Ende 1989 in Deggendorf, ein Jahr darauf in Passau. Nach drei Jahren ging er 1993 hier als Richter ans Landgericht. Ab Dezember 1994 war er hauptamtlicher AG-Leiter der Referendare, was, wie bei Raab-Gaudin 2011, bei ihm 2000 die Beförderung zum Richter beim OLG mit sich brachte. 2005 war für Hainzlmayr wieder Praxis angesagt im Landgericht als Vorsitzender der Kammer für Handelssachen. Ende 2006 kehrte er zum Strafrecht zurück als Chef einer Berufungs- und der Großen Jugendkammer, der Prozess um den Mord an der Studentin Caro gehörte gleich dazu. Seit Juni 2016 ist er parallel in Passau wieder Vize-Prüfungsleiter, seit August 2016 Vorsitzender des Schwurgerichts und seit Juli eben Vize-Präsident.
Beide kennen menschlich bewegende Sachverhalte, die sie als objektive Richter mit Kollegen zu beurteilen haben. Raab-Gaudin: "Wir bekommen Einblick in Lebensbereiche, der weit über Juristisches hinausgehen. Bei aller Professionalität lässt einen das nicht kalt." Beide beschäftigt das, nicht nur bei spektakulären Verfahren wie dem Tod des Schülers Maurice. Raab: "Es gibt Lebenswelten, über die man, aus geordneten Verhältnissen stammend, manchmal sehr erstaunt ist. Es ist auch eine gesellschaftliche Aufgabe, diese jungen Leute nicht abdriften zu lassen, sie nicht an den Rand zu schieben sondern zu versuchen, sie aufzufangen. Heute ist schon ihre Sprache so hart. Wenn dieser Jargon der normale Umgangston, ist, ist der Schritt zu körperlicher Gewalt nicht mehr groß." Hainzlmayr: "Unser Manko ist, dass wir häufig erst am Ende dieser Abwärtsentwicklung tätig werden. Da ist das Jugend-Strafrecht beschränkt, wir sind keine Sozialarbeiter. Scherben zu kitten ist das Eine, früher eingreifen zu können wäre gut."
Präsidentin Kaiser-Leucht greift das in Richtung Raab-Gaudin auf: "Die Praxis in Zivil- und Strafrecht, die Position als Vorsitzende, dazu stets wissenschaftliche Tätigkeit und Auseinandersetzung für Fachpublikationen sind eine ideale Kombination für die Arbeit beim Bayerischen Obersten. Da tritt jemand an, der wissenschaftlich arbeiten kann, aber aus der Praxis kommt, der nicht nur hinter Büchern saß, das finde ich toll." Hainzlmayr lobt sie als profunden Kenner des Passauer Landgerichts, er habe in 25 Jahren alle Aufgaben, die hier richterlich geboten sind, ausgeübt, dazu die örtliche Prüfungsleitung, die sehr viel Zeit bindet. "Hier gehöre ich schon zum Inventar", sagt der neue Vize, "ich bin länger am Landgericht, als manche unserer Mitarbeiter auf der Welt sind".