"Mitten im Leben"

Seit vier Monaten ist Prälat Günther Mandl im Ruhestand – In seine neue Rolle hat er sich bestens eingefunden

31.12.2020 | Stand 20.09.2023, 5:24 Uhr

Zwölf "Fremdsprachen" in vier Wochen: Prälat Günther Mandls neuer Nymphensittich ist ausgesprochen gelehrig. Die Uhr, die der Ruhestandsgeistliche geschenkt bekommen hat, lässt zu jeder vollen Stunde eine andere Vogelstimme ertönen. Stefan, so heißt der Sittich, kann sie bereits alle nachahmen. −Foto: Hölzlwimmer

Altötting/Vilshofen. "Der und sonst keiner" – das war ihm, so sagt Prälat Günther Mandl, auf den ersten Blick klar. Beim Umzug im März in seinen Ruhestandsitz an der Mühldorfer Straße in Altötting, wo der ehemalige Pfarrer von Straßkirchen vor 18 Jahren Stadtpfarrer wurde, war ihm seine Nymphensittichdame Pippi entflogen. Auch der Einsatz der Feuerwehr, die nach einer Sichtung des Vogels samt Drehleiter angerückt war, konnte daran nichts mehr ändern.

Nun hat er wieder einen Vogel, wie Mandl selbst scherzhaft sagt. Und zwar einen ganz besonderen: Der Sittich ist weiß, seine Flügel sind silberfarben: "Er ist einmalig und schaut ein bisschen aus wie eine Friedenstaube." Da war die Frage nach Pippis Nachfolger umgehend entschieden, als Mandl den Vogel im Laden entdeckt hatte. Auch die Frage nach dem passenden Namen war schnell beantwortet – und doch ist er noch nicht hundertprozentig sicher. Weil Rita Klostermann, die Haushälterin Mandls, den Bischof sehr schätzt, heißt der Sittich wie er: Stefan. Freilich könnte daraus noch eine Steffi werden, denn ob Mandl einen Hahn oder eine Henne erstanden hat, das wird sich erst mit der Zeit zeigen.

Klar ist hingegen schon, dass der Sittich gelehrig ist. Alle zwölf Vogelstimmen, die eine Uhr im Hause Mandls zu jeder vollen Stunde ertönen lässt, kann er bereits täuschend echt nachahmen. Das hört Mandl gerne – wobei es mehr ist als nur ein Spleen. Auch bei den mindestens einstündigen Spaziergängen, die der Geistliche täglich unternimmt, lässt er sich von Vogelstimmen und überhaupt von der Natur verzaubern, egal ob am Isenweg nach Engfurt, in Haiming am Salzachdamm oder im Öttinger Forst, wo er inzwischen so gut wie jeden Weg kennt. Zu Fuß unterwegs zu sein, das tut ihm gut, sagt Mandl. "Da wird der Kopf klar", da sucht er das Gespräch mit dem Herrgott und findet zur Ruhe.

Ruhe hat er – zumindest wenn nicht gerade die Wände wackeln, weil, wie in den letzten Wochen, das Nachbarhaus abgebrochen wird – deutlich mehr als früher, seit er vor vier Monaten in den Ruhestand gegangen ist. Der bekommt ihm gut, wie er sagt. Er fühlt sich "nicht wie auf dem Abstellgleis", sondern hat sich in seine neue Rolle eingefunden, ist "mitten im Leben". Zu dem gehört für den ehemaligen Stadtpfarrer, Administrator, Wallfahrtsrektor und Stiftspropst auch die tägliche Messfeier, zumeist zelebriert er um 9 Uhr in der Gnadenkapelle.

Auch als Seelsorger ist er nach wie vor gefragt und hat, seit er im Altenteil ist, rund ein Dutzend Beerdigungen und halb so viele Taufen gehalten. Auch als Beichtvater und Ratgeber wird er immer wieder angefragt, in Corona-Zeiten verstärkt per Telefon, E-Mail und WhatsApp – alles Aufgaben, die er gerne übernimmt. Am wichtigsten aber ist ihm der Seelsorgedienst, den er mit Diakon Thomas Zauner sowohl im Klaraheim, vor allem aber im gleich benachbarten Seniorenzentrum des BRK versieht. Speziell für Letzteres will er nach dem Vorbild von Prälat Max Absmeier so etwas wie ein "Hausvater" werden.

Häusliche Pflichten weltlicher Natur hat Mandl auch übernommen: Er hat seine Leidenschaft fürs Kochen entdeckt. Aus seinen freilich nur scherzhaft gemeinten Plänen, als Italien-Liebhaber im Ruhestand eine Pizzeria "Alla Madonna" oder "Al Cielo" zu eröffnen, ist natürlich nichts geworden, zu Hause aber ist es jetzt er, der fürs Mittagessen sorgt: "Da kocht der Chef", sagt er. Auch wenn er Neuling ist: Mit nahezu allen Nudelvarianten kennt er sich schon aus; Salate und Öle, von denen er viele ausgefallene geschenkt bekommen hat, seit sich sein neues Hobby herumgesprochen hat, weiß er auch richtig einzusetzen; und Suppen bereitet er als bekennender "Suppenkasper" ebenfalls gerne zu – am liebsten von allen Grießnockerlsuppe.

Nichts geworden ist bisher aus Mandls Plänen, im Ruhestand zu reisen. Vor allem den Mittelmeerraum und da speziell Italien und Rom, wo er ja studiert hat, stehen auf der Liste seiner Ziele – abhaken kann er bis auf Weiteres keines davon, coronabedingt. Immerhin bleibt so mehr Zeit zum Lesen. Und die nutzt Mandl ausgiebig. Viel Lektüre hat sich angesammelt, der Griff zu einem guten Buch ist ihm eine liebgewordene Routine: "Es gibt ja soviel unglaublich Interessantes", sagt er. Zuletzt hat er beispielsweise ein Buch über Alexander den Großen quasi verschlungen.

Prinzipiell ist es aber die spirituelle Literatur, die es ihm angetan hat, ist diese doch sinnstiftend und erbaulich. Doch nicht nur das: Lesen hält auch geistig fit, findet Mandl. Das Gehirn zu trainieren ist ihm wichtig – und setzt dabei auch auf Kreuzworträtsel, die er liebend gerne löst.

Dass Mandl beim Rätseln, Lesen und Kochen dieser Tage nicht die gewohnte Konzentration aufbringen kann, das ist durchaus möglich, eines geflügelten Störers wegen: Stefan, der Sittich, darf nach ein paar Wochen Eingewöhnungsphase nun erstmals aus der Voliere und seine Runden im Haus drehen. Solche Ablenkung nimmt Mandl freilich wirklich gerne in Kauf.

VITAGünther Mandl wurde am 17. Februar 1946 in Osterhofen geboren, ist mit zehn Geschwistern in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen. Nach dem Abitur am Gymnasium Leopoldinum in Passau 1965 studierte er Theologie in Passau und Rom. 1972 folgte die Priesterweihe in Rom, dann die fünfjährige Kaplanszeit in Vilshofen. Mandl wurde Studienrat, Oberstudienrat und Studiendirektor am Leopoldinum, wo er als Seminarleiter junge Religionslehrer aus ganz Bayern für die zweite Lehramtsprüfung vorbereitete.

Nebenamtlich betreute er 24 Jahre die Pfarrei Straßkirchen im Landkreis Passau. Seit 2002 lebt Mandl in Altötting, arbeitete unter anderem als (Stadt-)Pfarrer, Stiftspropst, Dekan. 2014 schließlich ernannte Bischof Stefan Oster Prälat Mandl zum Administrator der Heiligen Kapelle und Wallfahrtsrektor in Altötting.