Sie moderiert Passauer Eulenspiegel-Slam
Kabarettistin Teresa Reichl über Feminismus und Selbstsicherheit

06.07.2022 | Stand 25.10.2023, 10:39 Uhr
Florentina Czerny

Mit Instragram durch die Pandemie: Die Kabarettistin Teresa Reichl aus dem Landkreis Dingolfing-Landau überstand den Lockdown, indem sie sich online eine große Followerschaft aufbaute – jetzt steht sie mit ihrem Solo "Obacht – I kann wos" wieder auf der Bühne – und moderiert beim Eulenspiegel-Festival. −Foto: Lolografie

Selbstsicher, witzig und emanzipiert: Teresa Reichl hat sich zum Ziel gesetzt, genau der Mensch zu sein, den sie in ihrer Jugend als Vorbild gebraucht hätte. Die 25-Jährige – geboren in Haunersorf nahe Simbach bei Landau und wohnhaft in Regensburg – tourt mit ihrem Debütprogramm "Obacht, i kann wos" im ganzen deutschsprachigen Raum von Hamburg bis Brixen. Am 13. Juli moderiert sie den Poetry Slam beim Eulenspiegel-Festival an der Passauer Ortspitze. Wie sie auf der Bühne landete, wie sehr ihr das Internet bei der Karriere hilft und was sie ihren Fans und Followern mit auf den Weg geben will, verrät sie im Interview.

Kabarettistin und Poetry Slamerin sind nicht gerade die typischen Traumberufe. Wie bist du auf der Bühne gelandet?
Teresa Reichl: Eigentlich wollte ich immer Lehrerin werden. Also bin ich 2015 nach dem Abitur nach Regensburg gezogen, um Lehramt zu studieren. Das allererste Wochenende sind wir weggegangen und haben uns nach der Pause auf einen Poetry Slam in der Regensburger Mälzerei geschlichen. Und ich dachte mir: Wie cool, da stehen Leute auf der Bühne, die selbst schreiben! Ohne, dass ich es wusste, hat mich meine Freundin an diesem Abend für den nächsten Poetry Slam angemeldet.

Sie hat das hinter deinem Rücken gemacht? Wann hast du davon erfahren?
Reichl: Drei Tage vor dem Slam habe ich eine Mail vom Veranstalter bekommen. Ich habe natürlich sofort meine Freundin angerufen und gesagt: Ich glaub’, du spinnst! Sie hat nur gesagt: Ich glaub‘, du musst einen Text schreiben!

Was hast du auf die kurze Zeit aufs Papier gebracht?
Reichl: Ich habe als Teenager über 400 Gedichte geschrieben, es war für mich also nicht das große Problem, etwas zu schreiben. Mein erster Poetry-Slam-Text war eine lustige Geschichte über eine Unterrichtsstunde in einer furchtbaren Klasse. Ab da war ich auf jedem Poetry Slam in der Mälzerei: Pro Monat einen Text, dafür sparte ich mir den Eintritt (lacht)!

Und dann ging es schnell aufwärts für dich: bayerische und deutsche U20-Meisterschaft gewonnen, bei der Großen Deutschen Meisterschaft angetreten, Auftritte in der Roten Fabrik in Zürich, im Schauspielhaus in Graz und in der Elbphilharmonie in Hamburg – und dann dein erstes Soloprogramm.
Reichl: Genau, damit bin ich 2020 zum ersten Mal auf der Bühne gestanden. Darin erzähle ich meine komplette Lebensgeschichte − ich bin erst 25, deshalb dauert es auch nur eineinhalb Stunden (lacht). Den ersten Auftritt habe ich mir komplett selbst organisiert – ich habe mir den Saal beim Hager in Niederhausen (ein Landgasthof im Landkreis Dingolfing-Landau; Anmerkung der Redaktion) gemietet und die Tickets über die Zeitung verkauft. Das hat super funktioniert, es sind 200 Leute gekommen. Dann kam Corona, damit war es schnell vorbei mit den Liveauftritten.

Was hast du gemacht, um in den Köpfen zu bleiben?
Reichl: Ich habe einfach jeden Tag Zeug von mir ins Internet geballert! Über die zwei Jahre habe ich mir eine Followerschaft aufgebaut, die mich jetzt live sehen will.

Was du auf Instagram postest, ist oft sehr persönlich: Du sprichst über deinen Körper, deine Gefühle. Bist du wirklich so selbstsicher, wie du online wirkst?
Reichl: Am Anfang bin ich mir vorgekommen wie eine Hochstaplerin. Denn ich hatte schon immer Angst, zum Beispiel davor, dass mir irgendwann nichts Witziges mehr einfällt. Durch Social Media habe ich aber gemerkt, es ist ein Krampf, wenn ich mich nicht traue, Dinge auszusprechen. Denn im Internet bist du ja nie allein. Du bist nie die Einzige, der es so geht − in deinem Ort vielleicht schon, aber im Internet gibt es immer jemanden, dem es auch so geht. Das ist das Schöne daran, dass man sich weniger allein fühlt. Ich schmeiße jetzt aber auch keine halbfertigen Gefühle ins Internet, sondern erst, wenn ich drauf herumgedacht habe.

Feminismus ist ein Thema, das dir sehr wichtig ist – auch darüber sprichst du viel auf deinem Account. An welchem Punkt steht da unsere Gesellschaft?
Reichl: Wir sind längst nicht so weit, wie wir denken. Es gibt so viele Sachen, bei denen den meisten nicht mal auffällt, dass Frauen benachteiligt sind. Ich habe viele Bücher darüber gelesen, da ist mir dann erst mal aufgefallen: Krass, die Welt ist wirklich gegen mich und meine Bedürfnisse gebaut! Wir machen kleine Schritte vorwärts, ja, aber das große, riesige System ist vielen nicht bewusst. Oft ist es auch so: Wenn Frauen etwas bekommen, haben Männer das Gefühl, dass ihnen etwas weggenommen wird. Bestes Beispiel: kostenlose Periodenprodukte auf öffentlichen Toiletten. Wenn man da die Kommentare im Internet liest! Da steht dann zum Beispiel: Wenn Frauen kostenlose Tampons bekommen, dann wollen wir kostenloses Rasierzeug oder Toilettenpapier. Ich meine, ist denen noch nicht aufgefallen, dass es auf allen öffentlichen Toiletten kostenloses Toilettenpapier gibt (lacht)?

Wirst du auch in deinem Beruf als Kabarettistin anders behandelt, weil du eine Frau bist?
Reichl: Ja, das merke ich sehr. Ich werde viel öfter als männliche Kollegen gefragt, ob ich mir wirklich sicher bin, dass ich das machen möchte. Oft wird mir vorgeschrieben, ich soll nicht über Nischenthemen sprechen, Menstruation zum Beispiel. Einmal hat mir ein Veranstalter eine Stunde lang erklärt, was Kabarett überhaupt ist und ein männlicher Kollege hat mich mal Backstage mit den Worten begrüßt: Ich merke mir eh nicht, wie du heißt, ich nenn’ dich einfach Baby. Und das sind keine Einzelfälle, das zieht sich durch die ganze Branche. Bei jeder Veranstaltung gibt es genau eine Quotenfrau, man denkt gar nicht daran, mehr weibliche Kabarettistinnen einzuladen. Und man muss auch manchmal aufpassen: Es gibt einen Veranstalter, zu dem man als Frau lieber nicht alleine fährt, weil sonst was passieren könnte, dass man angefasst wird oder so was. Das ist bekannt, das wissen alle in der Szene – und ändern tut sich nichts.

Inwiefern kannst du deinen Teil zu der Debatte beitragen? Welche Botschaft möchtest du deinen Followern und Fans mitgeben?
Reichl: Ich kann Dinge sichtbar machen. Das habe ich auch schon als Lehramtsstudentin versucht, als ich meinen Dozenten jedes Semester vorgeschlagen habe, mal eine Lektüre einer weiblichen Autorin zu lesen. Das hat genau einmal funktioniert. Ansonsten versuche ich genau der Mensch zu sein, den ich in meiner Jugend gebraucht hätte. Als junge Frau hat man immer das Gefühl, man darf sich für nichts begeistern, alles ist peinlich, man muss immer cool sein. Ich will zeigen, dass Begeisterung cool ist! Dass ich Schminke mag, und Gedichte und Secondhandmode, und dass ich gerne lese. Ich bin doch ein Mensch, mich interessieren viele Dinge, und ich sehe nicht ein, warum ich das nicht erzählen darf.

Beim Poetry Slam des Eulenspiegel-Festivals in Passau wirst du als Moderatorin zu sehen sein. Worauf dürfen wir uns freuen?
Reichl: Es wird auf jeden Fall brutal, so viel kann ich sagen (lacht)! Es gibt ein tolles Line-up. Und es gibt auch zwei Plätze auf der offenen Liste – da kann sich jeder gerne bei mir melden und sich eintragen lassen. Und zwar wirklich jeder – auch wenn er vorher noch nie auf der Bühne stand!

Florentina Czerny



Eulenspiegel- Festival 2022


• Das Eulenspiegel-Festival an der Passauer Ortspitze beginnt am Mittwoch, 6. Juli, mit dem Musik-Comedy-Duo Die Feisten. Im Zelt gehen die Veranstaltungen bis 23. Juli, zwei Veranstaltungen finden am Domplatz statt: Hubert von Goisern (16.7.) und Gerhard Polt mit den Well-Brüdern (9.8.).

• Info: eulenspiegel-passau.de

• Poetry Slam am 13. Juli, Anmeldung zum Mitlesen an teresa.reichl@hotmail.de