Fürs junge Publikum
Holladio! – "Heidi" begeistert am Salzburger Landestheater

08.11.2021 | Stand 20.09.2023, 23:52 Uhr
Kirsten Benekam

Gelungenes Kinderstück im Salzburger Landestheater: "Heidi" (Patrizia Unger) findet ihr Glück und den Geißen-Peter (Aaron Röll) in den Bergen. −Foto: Salzburger Landestheater

"Juchuuuu!", jauchzen und klatschen die Kinder in den Reihen des Salzburger Landestheaters und machen ihrer Vorfreude Luft: "Wann geht’s denn endlich los?" Und schon tanzt eine wilde Schar von Geißen im Handpuppen-Großformat zwischen grünen Tannen hindurch über die Bühnenlandschaft (Bühne und Kostüme Katja Schindowski). Braune, weiße, schwarze und graue Geißen werden von den Händen der Schauspieler im Takt der schwungvollen Musik (Stephan Witt) geführt. Im Hintergrund ist die Schweizer Alpenkulisse angedeutet. Dann kommt der Geißenpeter, der lustige "Geißen-General", setzt in den Reigen mit einem Hüte-Stab-Tanz ein, und schon ist das Publikum im Heidi-Fieber.

Das "Holladio! Heidi, Heidi, deine Welt sind die Berge", kommt zwar nicht, stattdessen fetzige und witzige Tanz-Choreografien (Josef Vesely und Kate Watson) zu gut getexteten Liedern, die mitreißen. Marco Dott gestaltet "Heidi" nach seiner Fasson, trifft mit seiner Bühnenfassung des weltbekannten Kinderbuchklassikers genau den Geschmack des Theaterpublikums ab fünf Jahren.

Das saß mit offenen Mündern und staunenden Augen in der Premiere und folgte wie angewurzelt der geschmack- und gefühlvoll aufgearbeiteten Geschichte um das "Mädchen aus den Bergen". Diese Heidi-Saga im Theaterformat ist Ausdruck dessen, was Theater kann: Bei optimaler Besetzung der charaktervollen Figuren und und bei der Lebendigkeit, mit der das Ensemble ans Werk ging, bescherte dieses ein Theaterphänomen, das im Gedächtnis bleibt und so das Publikum von morgen sichert. Patrizia Unger als quirliger Wirbelwind Heidi, den man einfach liebhaben muss, Aaron Röll als lustig-listiger Peter (und in Doppelbesetzung als Hausdiener), Britta Bayer als verstaubt-neurotisches Fräulein Rottenmeier, Elisabeth Mackner als immer brave, aber kränkelnde Klara (in Doppelbesetzung als Tante Dete), und Axel Meinhardt als grummelnd-verbitterter Alm-Öhi (harte Schale, weicher Kern) und als empathischer Herr Sesemann – sie alle verpassen der Geschichte eine theatrale Runderneuerung.

Da saust die kleine Frohnatur mit der genervten Tante Dete Richtung Almhütte, wo sie dem nichtsahnenden Alm-Öhi gegenübersteht: "Das ist dein Großvater." Und schon macht sich Dete vom Acker. Der zunächst überforderte Alm-Öhi erkennt Pflicht und Chance. Seine Hütte – winzig, bescheiden und doch gemütlich – bekommt mit dem Kind neuen Glanz, sein Einsiedlerdasein verliert den Sinn und der spottende Greifvogel am Himmel, "der die Leute im Tal verhöhnt", wird sich im Verlauf der Geschichte noch wundern: Die Menschen sind gar nicht so schlecht wie ihr Ruf, erfahren die Kinder im Verlauf des Stücks. Und: "Daheim da ist, wo du sein kannst, wie du bist."

Aber vor allem, dass der Schlüssel zum Glück in den einfachen Dingen liegt. Dieses Glück findet Heidi in Peter, den Geißen und dem Großvater: Auf der Alm wird gemeckert, gesungen, getanzt und gelacht. Schluss mit lustig ist aber, als Dete zurückkehrt und das Naturkind als "kindliche Gesellschafterin" mit stimmungsaufhellender Wirkung für das reiche, kranke Stadtkind Klara missbrauchen will. Im Hause Sesemann unter dem Regime des strengen (und zum Brüllen lächerlichen) Fräulein Rottenmeier weht ein anderer Wind: ABC-Büffeln statt Alpenglühen soll "Adelheid" (statt Heidi), und statt melkwarmer Ziegenmilch gibt’s weiße "Brötchen".

Benimmregeln in Liedform, ein ewig kreischendes Fräulein Rottenmeier mit Kätzchen-Phobie und Ordnungsfimmel, ein unheimlicher Geist, der des Nachts durch die Stadtwohnung huscht, und der Hausdiener Sebastian, der bei so viel Veränderung am Arbeitsplatz so richtig auf seine Kosten kommt. Zugegeben, der Hauslehrer (Martin Trippensee) hat die größte Not, seinen "Lehrplan" durchzubringen – aber Klara blüht auf.

Wäre da nicht dieses entsetzliche Heimweh nach dem Großvater und den Bergen gewesen, dann hätte vielleicht Frankfurt eine Chance gehabt. So bekam mit dieser Produktion das Salzburger Landestheater eine Chance auf einen Platz im siebten Himmel des Kindertheaters und darf sich, gemessen an den Reaktionen des jungen Publikums, sicher sein, genau da angekommen zu sein.

Kirsten Benekam



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