Auf den letzten Drücker, kurz bevor die Pforten der Landesausstellung endgültig geschlossen wurden, konnte der Kultur- und Geschichtsverein Vilshofen eine Führung durch die "Götterdämmerung – die letzten Monarchen" für einen kleinen Kreis Kulturinteressierter anbieten. Corona-bedingt waren nur zwölf Teilnehmer erlaubt, die von Andreas Scherrer, einem der vier Kuratoren der Ausstellung, kompetent und detaillreich informiert wurden und eine unterhaltsame und lebendige Führung erleben durften.
Ausgestattet mit Kopfhörern, wurden den Vilshofenern die letzten Monarchen Europas bis zur Revolution 1918 vorgestellt: Kaiserin Elisabeth von Österreich und ihre Geschwister, Prinzregent Luitpold mit seiner Tochter Therese und seinem Sohn Ludwig III. von Bayern, Queen Victoria und ihre Enkel wie der deutsche Kaiser Wilhelm II. und die letzte russische Zarin Alexandra.
Kämpfen um den Platz in der Gesellschaft
Sie alle kämpften um ihren Platz in einer Gesellschaft, die sich durch die Erfindung der Elektrizität, durch neue Kommunikationstechniken und die Entwicklung der Mobilität innerhalb weniger Jahrzehnte rasant verändert hatte. Statt der Kerze gab es jetzt elektrisches Licht, die Brieftaube wurde durch das Telefon ersetzt und die Pferdekutsche wich dem Automobil, erläuterte der Kurator mit einem Augenzwinkern.
Die Menschen strömten in die Städte, um Arbeit zu finden. Mit den prekären Beschäftigungsverhältnissen und der miserablen Wohnsituation entwickelten sich soziale Spannungen, die mit der Gründung von Gewerkschaften und der SPD einhergingen.
Während in Europa Aufbruchsstimmung herrschte, leistete sich die Aristokratie noch manche Extravaganzen und ignorierte weitgehend die sich rasant veränderten Verhältnisse. Obwohl die europäischen Adelshäuser durch eine geschickte Heiratspolitik alle miteinander verwandtschaftlich verbunden waren, kämpften sie nicht für den Frieden in Europa, sondern ließen einen vernichtenden ersten Weltkrieg zu.
"Wir sind alle auf der Abschussliste"
Mit dem verheerenden Krieg, mit Hunger und Entbehrungen sank das Ansehen der Monarchie und gipfelte schließlich 1918 in der Revolution. Die alte Zeit des Gottesgnadentums war vorüber. "Wir sind alle auf der Abschussliste", fasste Kaiser Wilhelm II. schon 1908 die Lage der europäischen Monarchie zusammen. Wer nicht ermordet wurde wie das russische Zarenpaar mit seinen Kindern, dankte ab und ging ins Exil wie Kaiser Wilhelm II.
Einzig der Bayerische König Ludwig III. weigerte sich abzudanken. Er ergriff die Flucht und wurde in der Nacht zum 8. November von Kurt Eisner als abgesetzt erklärt. Ludwig III. entband daraufhin seine Soldaten und Beamten ihres Treueeids, verweigerte aber weiterhin eine Abdankung.
War die alte Zeit wirklich so gut?
Als Ludwig III. 1921 starb, wurde er – der noch 1918 wegen seiner Liebe zur Landwirtschaft als Millibauer vom Volk belächelt wurde – mit allen Ehren und großem Pomp beerdigt. Dieses prunkvolle letzte Geleit spiegelte die Sehnsucht der Menschen nach der vermeintlich "guten alten Zeit" wider.
Dagegen waren sich die Teilnehmer des Kultur- und Geschichtsvereins einig, "dass wir froh sein dürften, in einem demokratischen Freistaat leben zu können", wie es abschließend hieß.
Artikel kommentieren