Trotz eines überraschend starken Exportwachstums im März muss sich Chinas Wirtschaft auf schwierigere Zeiten einstellen. Ein erstes Zeichen ist die plötzliche Importschwäche, die auf geringeren Konsum durch die strengen Corona-Lockdowns in der zweitgrößten Volkswirtschaft deuten.
Zum dritten Mal innerhalb einer Woche warnte Chinas Regierungschef Li Keqiang vor neuen Wachstumsrisiken, die "stärker als erwartet" seien. Experten weisen auf die Schwächung der globalen Erholung durch Russlands Krieg gegen die Ukraine hin, was die Nachfrage nach "Made in China" bremsen wird. Schwächelt China, hat das auch Folgen für die deutsche Wirtschaft.
Exporte rauf, Importe runter
Dem globalen Druck konnten die chinesischen Ausfuhren im März vorerst noch entgehen. Wie der Zoll am Mittwoch in Peking berichtete, kletterten die Exporte stark um 14,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat auf umgerechnet 276 Milliarden US-Dollar (254 Mrd Euro). Hingegen fielen die Importe völlig überraschend um 0,1 Prozent auf 228 Milliarden Dollar, obwohl sie im Januar und Februar zusammen noch kräftig um 15,5 Prozent zugelegt hatten. Darunter litten auch deutsche Exporte nach China mit einem deutlichen Rückgang um 9,8 Prozent auf 9,272 Milliarden Dollar.
"Insgesamt zeigt sich der Außenhandel Chinas im ersten Quartal noch robust", sagte Jens Hildebrandt, Chef der deutschen Handelskammer in China (AHK). "Doch die Effekte aus dem Krieg in der Ukraine und den strengen Lockdowns in Chinas Wirtschafts- und Produktionszentren sind hier noch nicht eingepreist." Das werde im kommenden Monat und im zweiten Quartal zu Buche schlagen. Fast 50 Städte, die für mehr als 40 Prozent der chinesischen Wirtschaftsleistung stünden, hätten entweder teilweise oder komplette Lockdowns verhängt, um die Ausbreitung der Omikron-Variante einzudämmen.
Peking hält an "ehrgeizigem" Ziel fest
Die schlechten Importzahlen ließen schon auf eine "sehr gedämpfte Stimmung" in Chinas Wirtschaft schließen. "Ob das für das Gesamtjahr angestrebte Wirtschaftswachstum dann noch realistisch ist, scheint nun mehr als fraglich", sagte Hildebrandt. So hatte Chinas Regierung 5,5 Prozent Wachstum für dieses Jahr ins Auge gefasst. Trotz der plötzlich auftretenden Krisen durch die neue Corona-Welle in China und Russlands Invasion in die Ukraine hält die Regierung aber an dem Ziel fest, das vorher schon als "ehrgeizig" galt.
Auffällig stark entwickelten sich im März die Importe aus Russland, die um 26,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zulegten. Dagegen gingen Chinas Exporte an seinen "strategischen Partner" überraschend um 7,7 Prozent zurück. Dabei hatte China in den zwei Monaten vor dem Ukraine-Krieg noch mit satten Wachstumsraten in sein Nachbarland geliefert. Ob der Rückgang an möglichen Sorgen chinesischer Unternehmen liegt, nicht bezahlt zu werden, war unklar.
"Abwärtsdruck auf die Wirtschaft"
Zollsprecher Li Kuwen sprach von "unerwarteten, plötzlichen Faktoren im gegenwärtigen internationalen und heimischen Umfeld" sowie "vielen Risiken". Die externe Umgebung des Außenhandels werde schwieriger. In all den Unsicherheiten warnte Premier Li Keqiang vor "Abwärtsdruck auf die Wirtschaft". Er forderte Provinzvertreter auf, "das Gefühl der Dringlichkeit zu verstärken". Die Regierung erwäge Maßnahmen, um die Wirtschaft zu stärken. "Wir müssen höchst wachsam für unerwartete Veränderungen in der internationalen und heimischen Situation sein."
Das bevölkerungsreichste Land erlebt gerade seine größte Corona-Welle seit dem Ausbruch der Pandemie vor mehr als zwei Jahren. Die strengen Maßnahmen durch die Null-Covid-Strategie belasten Unternehmen. Der Lockdown der 26 Millionen Einwohner zählenden Metropole Shanghai beeinträchtigt den größten Hafen der Welt. Es fehlt schon an Lastwagen, die Container oder Waren über Land transportieren. Auch der Transport über Provinzgrenzen hinweg ist beeinträchtigt.
Seit Wochen stehen Werke von Volkswagen in Shanghai sowie in Changchun still - ähnlich die Produktion von BMW in Shenyang. "Der Lieferketten-Stress wird sich wahrscheinlich über Asien hinweg in den kommenden Monaten verschärfen", meinte der Ökonom der Finanzagentur Bloomberg, Chang Shu. "Längere Lieferzeiten deuten darauf hin, dass den Versorgungsketten Schlimmeres bevorsteht, während sich Chinas Covid-19-Lockdowns besonders in Shanghai hinziehen."
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