70. Jubiläum im Jahr 2022
Europäische Wochen Passau 2021 – Bilanz einer Saison

30.07.2021 | Stand 20.09.2023, 3:19 Uhr

Von Krisenmodus war keine Rede in der Saison 2021, im Gegenteil ist es den Festspielen gelungen, besonders klangvolle Namen zu verpflichten, wie hier das Concertgebouw-Orchester in Kammerbesetzung in der Stiftskirche in Engelhartszell. −Foto: Toni Scholz

Bayreuth hatte abgesagt, der Kissinger Sommer und das Schleswig-Holstein-Musikfestival ebenso, es schien aussichtslos, im Sommer 2020 Festspiele zu veranstalten. Aber mit vielleicht etwas typisch niederbayerischem Trotz entschieden die Festspiele Europäische Wochen Passau und ihre Förderer: Wir spielen! Das Sommerfestival wurde komplett neu geplant, von Juni/Juli in den September verlegt und erreichte inmitten der Pandemie ein umso dankbareres Publikum – nicht im Stream, sondern live. 2021 hat Intendant Carsten Gerhard daher schon zu zweiten Mal Festspiele unter Pandemiebedingungen organisiert und eine erfolgreiche Bilanz vorgelegt. Wie ist das gelungen?

6500 Karten wurden nach Angaben der Festspiele verkauft, fast so viele wie vor der Pandemie, weitere 1000 Gäste besuchten Veranstaltungen bei freiem Eintritt wie Eröffnungsfeier, Festgottesdienste und eine Ausstellung an der Flusspromenade der Altstadt zum Thema Flucht und Leben der Einheimischen auf der Insel Lesbos. "Wir hätten noch viel mehr verkaufen können, wenn höhere Kapazitäten erlaubt gewesen wären", sagt Intendant Gerhard.

Von Krisenmodus war keine Rede in der Saison 2021, im Gegenteil ist es dem Intendanten gelungen, besonders klingende Namen zu verpflichten, etwa Igor Levit, Ute Lemper, Anna Prohaska, Patricia Kopatchinskaja, Ulrich Tukur, das Auryn Quartett, den Chor des Bayerischen Runfunks und das Concertgebouw-Kammerorchester. Nun sind die Europäischen Wochen, die neben Stadt und Land Passau auch in vier weiteren Landkreisen sowie im angrenzenden Oberösterreich spielen, nicht als experimentelles Festival bekannt, gerade in der Pandemie setzte man auf Populäres von Mozart, Mendelssohn, Beethoven und Brahms sowie auf Gypsy, Tango und Latin. Und doch war Platz für eine Uraufführung von Enjott Schneider (Botticelli-Tryptichon), für das Originalklang-Ensemble La Folia mit einem bezaubernden Purcell-Programm und für eine Lesung aus dem mittelalterlichen Nibelungenlied, dessen Niederschrift vermutlich der Passauer Bischof Wolfger von Erla in Auftrag gegeben hat. Die Qualität des Gebotenen war durchgehend hoch bis erlesen, die Zufriedenheit der Gäste offensichtlich.

Besonders bemerkenswert aus Sicht des Publikums: Anders als bei den Münchner Opernfestspielen oder den Salzburger Festspielen waren die Pandemie-Modalitäten ausgesprochen kommod: Es war kein Genesen-geimpft-getestet-Nachweis nötig, lediglich die Karten waren personalisiert, in Innenräumen wurde Maske getragen und 1,5 Meter Abstand gehalten. Um die Kapazitäten zu erhöhen, wurde fast jedes Konzert zweimal nacheinander gespielt.

Wesentlicher Grund für den Verzicht auf den 3G-Nachweis ist das, was nationale Medien als "Impfwunder Passau" bezeichneten: Schon im April waren über 40 Prozent der Einwohner ab 16 Jahren geimpft, doppelt so viele wie der bayernweite Schnitt. Inzwischen haben fast 70 Prozent die Zweitimpfung erhalten. So liegt die Siebentagesinzidenz der Stadt immer wieder bei null. Und null beträgt laut Intendant Carsten Gerhard auch die Zahl der notwendigen Kontaktnachverfolgungen sowohl 2021 wie schon 2020. "Man blickt in eine Richtung, man spricht nicht, hat die Maske auf, es wird viel gelüftet", sagt der Intendant. "Nach allem, was wir jetzt wissen über die Verbreitung des Virus, glaube ich, dass ein Konzert kein Ort besonderer Infektionsgefahr ist, im Gegenteil". Die Praxis scheint ihm Recht zu geben.

Zentral in der Festivalplanung für 2021 waren die 15 angesetzten Open-Air-Veranstaltungen, deutlich mehr als bisher. Trotz des instabilen Wetters mussten nur vier davon ins Innere verlegt werden, ein Konzert wurde draußen begonnen und innen zu Ende gespielt. Bitter war nur der Abschluss der Festspiele: Das krönende Open Air mit Sinfonieorchester und Lichtkunstprojektion hoch über der Stadt bei der Burg Oberhaus wurde wegen einer Unwetterwarnung kurzfristig abgesagt, als alle Gäste bereits angereist waren. Die Festspiele prüfen, ob und wann dies nachgeholt werden kann.

Nächstes Jahr feiern die Europäischen Wochen – 1952 gegründet von US-Offizieren als Projekt der Friedenssicherung in Europa – ihren 70. Geburtstag. Zum Auftakt soll dann das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks gratulieren.