Großbritannien
Eine letzte Party? Ringen um Johnsons Abschied und Nachfolge

Von Christoph Meyer und Benedikt von Imhoff, dpa

08.07.2022 | Stand 19.09.2023, 22:41 Uhr

−Foto: Frank Augstein/AP/dpa

Nach der Rücktrittsankündigung des britischen Premierministers Boris Johnson werden Forderungen nach seiner raschen Ablösung lauter. Johnson hatte am Donnerstag seinen Rückzug als Parteichef der britischen Konservativen verkündet, will aber bis zur Wahl eines Nachfolgers noch Premierminister bleiben.

Der Zeitplan und die genauen Rahmenbedingungen für die Wahl eines neuen Tory-Chefs sollen Anfang kommender Woche vom zuständigen Parteigremium, dem sogenannten 1922-Komitee, festgelegt werden.

Die Ablösung Johnsons sollte Wochen, nicht Monate dauern, sagte die konservative Abgeordnete und Johnson-Kritikerin Caroline Nokes der BBC. Der Prozess unterscheide sich deutlich von früheren Übergängen von einem konservativen Premier zum anderen, bei denen es stets um inhaltliche politische Fragen gegangen sei, sagte Nokes. "Er hat das Vertrauen der konservativen Partei aufgrund mangelnder persönlicher Integrität verloren", sagte die Vorsitzende des Ausschusses für Frauen und Gleichberechtigung. Johnson habe eine "starke Botschaft" von seiner Fraktion erhalten. "Sein früheres Verhalten wird nicht mehr toleriert."

Opposition fordert sofortige Ablösung

Die Vizechefin der oppositionellen Labour-Partei, Angela Rayner, forderte sogar die sofortige Ablösung Johnsons. "Er ist ein erwiesener Lügner, der im Filz versinkt, wir können uns nicht noch ein paar Monate davon leisten", sagte Rayner. Sie fügte hinzu: "Sie müssen ihn loswerden, und wenn nicht, dann werden wir eine Misstrauensabstimmung im Parlament einleiten." Es sei klar, dass Johnson das Vertrauen der Bevölkerung verloren habe.

Dass Johnson durch ein Misstrauensvotum im Parlament aus dem Amt gejagt werden könnte, gilt als unwahrscheinlich. Dafür müsste ein Teil seiner Fraktion gegen ihn stimmen. Es könnte dann zu einer Neuwahl kommen, an der Johnsons Konservativen derzeit nicht gelegen sein dürfte. Der Mechanismus unterscheidet sich von einem Misstrauensvotum innerhalb der Fraktion, das Johnson erst kürzlich knapp überstanden hatte.

Hochzeitsfeier auf offiziellem Landsitz geplant

Doch der skandalumwitterte Johnson macht bereits wieder Schlagzeilen, die seiner Partei missfallen dürften. Wie sein Sprecher bestätigte, plant der scheidende Premier eine private Hochzeitsparty mit seiner Frau Carrie auf dem offiziellen Landsitz Chequers und will trotz seines Rücktritts daran festhalten. Laut Medienberichten ist das Fest für den 30. Juli geplant. Johnson und seine Frau Carrie wollen demnach ihre Hochzeit nachfeiern, die wegen der Pandemie im vergangenen Jahr nur im kleinen Kreis begangen wurde.

Der von Johnson kürzlich ins Kabinett berufene Bildungsminister James Cleverly sprach sich dafür aus, dass die Johnsons die Party selbst im Fall einer baldigen Ablösung in Chequers feiern dürfen. "Ich denke, es wäre eine großzügige Geste eines neuen Premierministers, zu erlauben, dass sie stattfindet", sagte Cleverly der BBC. Dem Steuerzahler werde dadurch keine finanzielle Bürde zugemutet. Es sei "kleinlich", gegenüber zwei Menschen missgünstig zu sein, die ihre Ehe und ihre Liebe füreinander feiern wollten, fügte er hinzu.

Ein Regierungssprecher dementierte einen Bericht des "Mirror", wonach Johnson vor allem wegen der geplanten Party auf dem Gelände des großzügigen Herrenhauses in der Grafschaft Buckinghamshire noch im Amt bleiben wolle. Der Premier habe ein starkes Pflichtgefühl und werde den Dienst an seinem Land fortsetzten, bis ein neuer Regierungschef gefunden sei, sagte der Sprecher. Das Blatt zitierte jedoch auch Tory-Insider, die das Vorhaben als "krass" bezeichneten und einen unverzüglichen Amtsverzicht Johnsons forderten.

Am Freitagabend berichteten dann mehrere britische Medien unter Berufung auf Regierungskreise, die Party-Pläne seien geändert worden. Das Fest solle nun an einem anderen Ort stattfinden.

Nachfolger/in gesucht

Unterdessen nimmt das Rennen um die Nachfolge Johnsons Fahrt auf. Bis Freitagabend hatten Ex-Finanzminister Rishi Sunak, Chefjustiziarin Suella Braverman und Tom Tugendhat, der Chef des Auswärtigen Ausschusses im Parlament, ihre Kandidatur erklärt. Weitere dürften hinzukommen. In den Umfragen führt Verteidigungsminister Ben Wallace. Er wolle aber zuvor seine Familie konsultieren, war zu hören. Es wurde erwartet, dass unter anderem auch Außenministerin Liz Truss und Handelsministerin Penny Mordaunt ihre Kandidatur erklären dürften.