Salzburger Landestheater
Ein Mordsspektakel: "Macbeth" in der Felsenreitschule

01.11.2021 | Stand 21.09.2023, 21:52 Uhr
Kirsten Benekam

Umjubelter Opern-Premierenerfolg in der Felsenreitschule: Annemarie Kremer und Simon Neal als Lady Macbeth und Macbeth in der Verdi-Premiere in der Felsenreitschule. −Foto: Anna-Maria Löffelberger

Düsternis, aufsteigende Nebel und zwielichtige Stimmung. Im Halbdunkel der mystisch-archaischen Felsenreitschule sind vor dem Hintergrund riesiger Kupferwände schemenhaft schwarz gekleidete Gestalten zu sehen. Sie werden in den einzelnen Szenen Zeugen und Mittäter destruktiver Machenschaften um egomanes Ringen nach Macht: Die Premiere der Verdi-Oper "Macbeth" war am Wochenende fürs des Salzburger Landestheaters ein rauschender Erfolg voller beklemmender Intensitäten.

Der Chor als Masse von Geistern

Auf der Bühne waten die Protagonisten strauchelnd durch schwarzbraunen Morast: Machtbesessenheit vernebelt die Sinne und ist in der Nähe von Wahnsinn anzusiedeln. Da versinkt man leicht mal im moorig-dreckigen Terrain, selbst mit Gummistiefeln. Schon der erste Blick auf Alexander Müller-Elmaus atemberaubende Bühne macht genau das offenbar. Der Wahnsinn hat vielerlei Gestalt, ist geschlechtslos und taktiert in hübsch-hässlichem Gewand. Kollateralschäden auf dem Weg nach oben tangieren nicht.

Verdis Opernthriller "Macbeth" um den schottischen König, der mit seiner machtgierigen Lady die Herrschaft mit skrupelloser Radikalität gewaltvoll an sich reißt und im Verderben landet, ist nicht gerade ein Stimmungsaufheller. Und die Komposition – seine einzige Vertonung eines Shakespeares-Stoffs, soll "Musik mit Drama verschmelzen" und dabei unbedingt dem großen Dramatiker mit "Etwas jenseits des Gewöhnlichen" gerecht werden.

So lässt sich auch die Inszenierung von Amélie Niermeyer beschreiben: Mit kunstvoll-inszenatorischem Handgriff hat sie die Essenz destilliert, eine Opernproduktion geschaffen, die sich vom "Gewöhnlichen" weit abhebt, und die mit ungewöhnlicher Wucht das umsetzt, was hinter Shakespeares Drama steht. Blut aus vorausgegangenen Schlachten klebt schon in der ersten Szene an Macbeths Händen. Doch das ist nur der Anfang. Die Weissagung der Hexen, unheimliche Erscheinungen blondhaariger Kindergestalten, Königsmord – es ist ein morbides Treiben und blutrünstiges Morden.

"Der Weg zur Macht ist voller Verbrechen", heißt es. Das Waschen der Hände in Unschuld entartet zum Waschzwang. Ein Mordsspektakel in beeindruckenden Bildern ließ das Premierenpublikum des Schauens und Grausens nicht satt werden.

Simon Neal gestaltet die Titelrolle mit starkem Gespür für emotionale Zwischentöne, rüstet Macbeth mit Machtgier, Verstörtheit, Gebrochenheit und Obsessivem aus und kann stimmlich voll überzeugen. Kraftstrotzend und knallhart zielorientiert verkörpert Annemarie Kremer die Lady Macbeth. Ihre Stimme – voluminös, in den Höhen stählern, in den Tiefen bedrohlich, hat ein zu teuflischen Tönungen fähiges Timbre. In exzellenter Besetzung und gesanglich brillant tragen auch die übrigen Solisten zum musikalischen Gesamteindruck bei: Raimundas Juzuitis als Banco, Luke Sinclair als Macduff und Chong Sun als Malcolm.

Als fantastisch bereicherndes Extra ist die Chor-Inszenierung zu loben: In klug gestellten Massenszenen produziert sie Schauer-Momente, in denen Geister- und Hexenwesen räkelnd, robbend, schreitend oder in stilisierter Geste applaudierend zum morbiden Geschehen beitragen, ohne dabei Präzision und Flexibilität im Gesang einzubüßen. Am Pult stand, krankheitsbedingt für Leslie Suganandarajah eingesprungen, Gabriel Venzago und bewies ein enormes Gespür für Verdis martialisch-düstere Partitur.

Das Mozarteumorchester Salzburg und der Chor des Salzburger Landestheaters folgten seinem eindringlichen Dirigat mit Verve. Zum Schluss half nur noch eines, um sich der Opern-Begeisterung Luft zu verschaffen: Klatschen, bis die Hände kribbeln – genau das tat das Salzburger Publikum dann auch.

Kirsten Benekam



Wieder am 6./12./14./19./21./25. und 27. November, Karten: 0043/662/871512-222, service@salzburger-landestheater.at