Jazzwoche in Burghausen
Die Nacht der Altmeister am Saxofon: Bill Evans und Wilson de Oliveira feiern Jazz-Tradition

25.03.2022 | Stand 20.09.2023, 5:20 Uhr

Wilson de Oliveira hat einen persönlichen Bezug zu Burghausen; hier überwand er vor zwölf Jahren eine Krebserkrankung. −Fotos: Alfred Kleiner

Vor zwei Jahren war es die Sensation, wenn aus dem nahen Umkreis jemand Corona hatte, heute ist es sensationell, wenn alle gesund sind. Offenkundig ist das Publikum nach zwei abgesagten Burghauser Jazzwochen 2020 und 2021 noch vorsichtig: Zwar dürfte die Wackerhalle jetzt wieder zu 100 Prozent gefüllt werden, doch wollten nur 477 Zuhörer das Eröffnungskonzert hören, etwas über 600 waren es jeweils beim Nachwuchspreis am Dienstag und am Donnerstagabend. Am besten besucht war bisher gestern Abend das Konzert mit Leslie Mandokis Soulmates und dem Groove-Ensemble Jungle By Night.

Der Donnerstagabend der Jazzwoche gehört traditionell den großen Instrumentalisten, dieses Mal sind es zwei Saxofonisten: der 76 Jahre alte Wilson de Oliveira, der in den 70ern aus der Diktatur in Uruguay nach Deutschland übersiedelte. Und der 64-jährige US-Amerikaner Bill Evans, der mit Miles Davis schon ebenso wie mit Mick Jagger gespielt hat.

In einer rührenden Begrüßung erzählt Oliveira von seiner Krebserkrankung – und von seiner Heilung in der örtlichen Privatklinik vor zwölf Jahren: "Ich bin Burghausen sehr dankbar." Auf sehr hohem Niveau und ohne jede Ambition auf heutige Impulse pflegt er mit Posaunist Joe Gallardo, Diego Piñera an den Drums und Markus Schieferdecker am Bass das Unesco-Welterbe Candombe, aus dem sich der Tango Argentino entwickelt hat. Der Auftritt ist ebenso ehrenwert wie selbstgenügsam.

In einen regelrechten Rausch spielt sich Bill Evans im zweiten Konzert. Im Stil eines Rockstars nimmt er die Bühne ein und zelebriert minutenlange Soli vorne an der Rampe, wobei seine dynamische Bandbreite schier grenzenlos und seine Läufe so rasend und fließend sind, als bediene er ein Streichinstrument. Evans wechselt mal ans Klavier, singt, spielt unisono und Improvisations-Ping-Pong mit Hammondorganist Simon Oslender, feiert den Powergroove von Bassist Claus Fischer und setzt mit Co-Bandleader Wolfgang Haffner am Schlagzeug den Fusionsound der Band The Spy Killer wie eine massive Lok aufs Gleis. Ohne Bremse.

Mit einem Mitsingspiel fürs Publikum, einem spektakulären Haffner-Schlagzeugsolo und teilweise Standing Ovations endet der Abend der Meister.

Raimund Meisenberger