Bad Reichenhall
Der Vergessenheit entreißen

Stadtheimatpfleger Dr. Johannes Lang über den Komponisten und die Gründung der Andreas-Hofer-Gesellschaft

24.04.2022 | Stand 21.09.2023, 3:18 Uhr

Reichenhalls Kulturpreisträger Robert Schlegl (links), geschäftsführender Intendant der im September 2021 gegründeten "Andreas-Hofer-Gesellschaft", freut sich, mit Stadtheimatpfleger Dr. Johannes Lang einen Unterstützer für das Eröffnungskonzert gefunden zu haben. −Foto: Hans-Joachim Bittner

Wenn der Name "Andreas Hofer" fällt, denken wohl alle an den berühmten Tiroler Freiheitskämpfer. Nur die wenigsten bringen damit einen Komponisten in Verbindung, der im 17. Jahrhundert als Dom- und Hofkapellmeister in Salzburg wirkte. "Darin liegt eine gewisse Tragik, denn noch weniger wissen, dass der Musiker ein gebürtiger Reichenhaller war", sagt Stadtheimatpfleger Dr. Johannes Lang. "Zudem stand er bislang im musikalischen Schatten seiner Nachfolger Ignaz Karl Biber und Georg Muffat. Deshalb ist Andreas Hofer leider in der öffentlichen Wahrnehmung verschütt‘ gegangen." Dieser Vergessenheit tritt seit September 2021 die neu gegründete Andreas-Hofer-Gesellschaft entgegen (wir berichteten). Am 1. Mai soll das Eröffnungskonzert in der katholischen Pfarrkirche St. Zeno nachgeholt werden.

Im Stadtarchiv gibt es nichts über den Sohn der Salinenstadt

Andreas Hirsch, Schriftführer des Reichenhaller Heimatkundevereins und Leiter des Reichenhall Museums, hat schon vor einigen Jahren versucht, mehr über das Leben und Wirken des bedeutenden Sohnes der Salinenstadt herauszufinden. Keine leichte Aufgabe: Im Stadtarchiv ist nichts über den Komponisten Hofer zu finden, da es für die Zeit vor dem letzten großen Stadtbrand 1834 "nur eine miserable Überlieferung" von verwertbaren Daten und Zahlen gibt, wie Dr. Lang informiert. Das Feuer habe möglicherweise auch vorhandenes Archiv vernichtet.

"Zahlreiche Werke Hofers haben sich freilich an anderen Orten, insbesondere in Salzburg und Olmütz, erhalten", sagt Lang. Diese wurden zur Grundlage für die 2007 vom Verein für Heimatkunde initiierte und mitfinanzierte Herausgabe einer Musik-CD mit dem Titel "Musikalische Vesper – Andreas Hofer, Biber, Valentini, Dolar". In Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk entstand somit ein bleibendes Dokument. In dessen Rahmen hatte Dr. Christoph Großpietsch, Musikwissenschaftler bei der Stiftung Mozarteum Salzburg, einen Aufsatz über den Komponisten verfasst, während Dr. Lang den zeitgenössischen Kontext beschrieb. Andreas Hofer wurde 1666 zum Domkapellmeister und am 12. Januar 1679 von Erzbischof Max Gandolph Graf von Kuenburg zum Hofkapellmeister ernannt. Er starb am 25. Februar 1684 und wurde in der Stiftskirche St. Peter in Salzburg beigesetzt. Die Heimatzeitung hat mit Dr. Johannes Lang über das Thema gesprochen.

Herr Dr. Lang, was sagen Sie zur Gründung der Andreas-Hofer-Gesellschaft in Bad Reichenhall?
Dr. Johannes Lang: Sie löste große Zufriedenheit bei mir aus. Weil wir Andreas Hofer, den gebürtigen Reichenhaller, jetzt wieder hier verorten können. Die seinerzeit veröffentlichte CD war ein wichtiger Schritt der Bewusstmachung, doch die Gründung einer Gesellschaft stellt das dauerhafte Andenken an den Komponisten sicher. Dass mit Robert Schlegl ein ausgewiesener Fachmann die Eigeninitiative ergreift, ist eine sehr schöne Sache. Die vor vielen Jahren angelegte Saat geht jetzt sozusagen auf.

Andreas Hofers Geburt in der Salinenstadt ist gesichert?
Lang: Ja, seine Geburt ist aufgrund der späteren Quellen in Reichenhall zu verorten. Bis zu seinem 13. Lebensjahr lebte er hier. Das Problem ist, dass wir so gut wie nichts darüber wissen.

Ist etwas über Hofers Eltern bekannt?
Lang: Sein Vater Christoph war Jurist, arbeitete als sogenannter Gerichtsprokurator. Offenbar fand er eine Anstellung in Salzburg. Ob die Eltern musikalisch waren, ist nicht bekannt. Über Andreas Hofer gibt es wohl eine Dissertation, die in den USA entstand, sich jedoch überwiegend auf musikwissenschaftliche Daten konzentriert. Tatsächlich kennen wir nicht einmal sein exaktes Geburtsdatum.

Wie ist das zu erklären?
Lang: Die kirchlichen Matrikelbücher – standesamtliche Aufzeichnungen gab es noch lange nicht – beginnen für Reichenhall leider erst einige Jahre nach Hofers anzunehmendem Geburtsjahr 1628. Erst nach 1632 können wir Personen mit ihren Daten zu den Themen Geburt, eigentlich die Taufe, Hochzeit und Tod erfassen. Das ungefähre Geburtsdatum lässt sich nur über spätere Bemerkungen zu Hofers Alter errechnen. Bei seinem Sterbeeintrag zum 26. Februar 1684 zu lesen, er sei im 55. Lebensjahr gestanden.

Das 17. Jahrhundert – keine leichte Zeit.
Lang: Der Dreißigjährige Krieg brachte enorme Verwüstung und Zerstörung in ganz Deutschland und somit auch in Bayern mit sich. Möglicherweise übersiedelte Hofers Familie vor diesem Hintergrund 1642 nach Salzburg, vielleicht, weil sie sich bessere wirtschaftlich Verhältnisse erwartete. Andreas war da etwa 13 Jahre alt. Er studierte vermutlich schon ab 1643 Theologie an der Benediktiner-Universität in Salzburg und nahm Musikunterricht.

Salzburg ist sehr nah, waren die Verhältnisse dort tatsächlich so viel besser?
Lang: Die Stadt blieb zumindest von unmittelbaren Kriegshandlungen verschont. Man hatte ungeheuer in die Verteidigung des kleinen Landes investiert, wenngleich die Schweden bereits die Salzburger Enklave Mühldorf eingenommen hatten. Am Walser Berg entdeckte unser Heimatkundeverein vor einigen Jahren eine ganze Kette an Artilleriewerken, die bisher nicht bekannt gewesen waren und im Dreißigjährigen Krieg entstanden sein müssen. Sie bestätigen die Überlieferungen der damaligen Chronisten, wonach das Land Salzburg bis an die Zähne bewaffnet war. Man befürchtete wohl, dass die Schweden über das "flache" Land aus Richtung Teisendorf anrücken würden. Als natürliche Hindernisse hätten obendrein die Salzach und die Saalach gedient.

Selbst Bayerns Kurfürst Maximilian fand eine vorübergehende Bleibe im "sicheren" Salzburg.
Lang: Erzbischof Paris Graf von Lodron ist der einzige Salzburger Fürsterzbischof, der in die Walhalla in Donaustauf mit seiner Büste aufgenommen wurde. Weil er seinem bayerischen "Regierungskollegen" aus München sozusagen Obdach im Dreißigjährigen Krieg gewährte. Man hoffte auf militärische Abschreckung. Und selbst wenn es für die Schweden wohl kein wirkliches Hindernis gewesen wäre, so glich das gesamte Land Salzburg in den Augen der Zeitgenossen damals doch einer riesigen Festung.

Konnte sich darum eine gewisse Art der Kultur in Salzburg "retten"?
Lang: Inmitten des Kriegs konnten dort durch den machtbewussten und politisch fähigen Paris Lodron sogar Investitionen getätigt werden, immerhin war Salzburg die Residenzstadt eines Landesfürsten. Die Universität entstand mitten in diesem jahrzehntelangen Krieg, der Dom wurde geweiht, das Altöttinger Gnadenbild wurde hierhergebracht, um es zu schützen. Es gibt also in gewisser Weise zahlreiche Ähnlichkeiten zur aktuellen Zeit: Nach Salzburg müssen sich Ströme von Flüchtlingen ergossen haben. Dazu wütete über mehrere Jahre hinweg die Pest, auch in Reichenhall. Es herrschte eine gewisse Endzeitstimmung, verbunden mit großen sozialen Spannungen. Heute haben wir Corona und einen Krieg in Europa – Geschichte ist sich immer wieder selbst ähnlich…

Die Spannungen waren damals möglicherweise viel stärker als für die Menschen in unserer Region heute.
Lang: Für die damaligen Menschen war – wenngleich das Damoklesschwert eines dritten Weltkrieges aktuell über uns hängt – die Bedrohungslage größer, weil unmittelbarer. Denn der Krieg kam hier bereits bis auf 60 Kilometer an ihre Haustür. Es gab keine übergeordneten Hilfsprogramme, keine sozialen Systeme. Gesellschaftliche Spannungen entluden sich eher in Form von Massenpsychosen und Gewalt.

Was versprechen Sie sich von der Andreas-Hofer-Gesellschaft, haben Sie spezielle Wünsche?
Lang: Es wäre schön, wenn der Reichenhaller Andreas Hofer in seiner Geburtsstadt die ihm zustehende Bekanntheit erlangen würde. Es sollte etwas Bleibendes dabei herauskommen, sonst wäre die ganze Arbeit umsonst. Im Zusammenhang mit alter Musik wäre eine musikalische Zeitreise durch St. Zeno mein Wunsch: Beginnend mit spätmittelalterlicher Gregorianik aus dem 14. Jahrhundert bis hin zum Reichenhaller Organisten und Chorregenten Joseph Joachim Benedikt Münster Ende des 18. Jahrhunderts. Eine CD dazu gibt‘s noch nicht, ein solches Projekt wäre für Bad Reichenhall etwas sehr Wertvolles.

Interview: Hans-Joachim Bittner