Stockdorf/München
Der erste Corona-Patient Deutschlands blickt zurück

"Von heute auf morgen kann sich alles verändern"

27.07.2020 | Stand 20.09.2023, 6:15 Uhr

Ein Webasto-Mitarbeiter wurde als erster Deutscher im Januar positiv auf das Corona-Virus getestet. Jetzt blickt der Mann zurück. −Foto: dpa

Genau ein halbes Jahr ist es jetzt her, dass der erste Deutsche positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Jetzt blickt der Mann zurück - und zieht Bilanz.

Es war der 27. Januar 2020, als der erste Webasto-Mitarbeiter, 33 Jahre alt, aus Oberbayern positiv auf die neuartige Lungenkrankheit getestet wurde. Erst zwei Wochen später bekam die Erkrankung von der Weltgesundheitsorganisation WHO überhaupt ihren Namen verpasst: "Sars CoV-2" und "Covid-19".

In einem Interview mit der Webasto-Pressestelle spricht der Mann, der anonym bleiben möchte, jetzt über seine Erlebnisse. Von dem Virus habe er vor seiner eigenen Erkrankung nur aus den Nachrichten erfahren, erzählt er. "Ich hatte nur die Nachrichten aus Wuhan (China) verfolgt. Damals erschien das Virus noch sehr weit entfernt. Ich hatte tatsächlich am Mittwoch, den 22. Januar, einen Termin bei unserem Betriebsarzt und dort nebenbei gefragt, wie er dieses Virus einschätzt, da ich für 2020 Dienstreisen nach Asien geplant hatte. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich gar nicht, dass ich das Virus schon in mir trage."

Als erstes an Familie gedacht

Als er von der eigenen Erkrankung erfahren habe, die er sich durch eine einstündige Besprechung mit einer chinesischen Kollegin zugezogen hatte, habe er als erstes an seine Familie gedacht, erinnert sich der Mann. "Am Wochenende hatte ich Fieber und Schüttelfrost, jedoch keine Atembeschwerden. Trotzdem war ich sofort um meine schwangere Frau und um meine kleine Tochter besorgt. Ich wusste, dass ich mich sofort auf das Virus testen lassen muss. Zu dem Zeitpunkt gab es leider noch keine offiziellen Hinweise dazu, wo man hingehen muss, um sich testen zu lassen."

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Zum ersten Mal habe er damals seiner Tochter und seiner Frau keinen Gute-Nacht-Kuss gegeben, erzählt er. Mit dem positiven Testergebnis kam gleich die Einweisung in eine Klinik in Schwabing. Zum Glück, sagt er, habe er nur einen Kollegen angesteckt, und bei dem sei die Krankheit auch leicht verlaufen.

19 Tage im Krankenhaus

19 Tage lang war er im Krankenhaus. "Ich hatte zum Zeitpunkt meiner Aufnahme, außer leichtem Durchfall, keine Beschwerden mehr. Dieser war nach wenigen Tagen weg. In der dritten Woche hatte ich an einem Tag eine leichte Panikattacke, da ich keine Perspektive auf eine Entlassung sah und mir eingebildet habe, ich würde auf ungewisse Zeit festsitzen", erzählt der Mann.

Doch schließlich wurde er entlassen. Über Spätfolgen klagt Deutschlands Patient Nummer 1 nicht: "Mir geht es bestens. Ich wurde öfter von Kopf bis Fuß untersucht, und es wurden keine Spätfolgen festgestellt." Doch auch neutralisierende Antikörper sind bei ihm nicht mehr feststellbar - seit April, wie er sagt.

Ob ihn die Erkrankung und die Erfahrungen, die er dadurch gemacht hat, etwas gelehrt haben, will der Fragesteller zum Ende des Interviews noch wissen. "Es hat mich gelehrt, dass einem auch das Unvorstellbarste widerfahren kann und, dass man das Leben nicht als selbstverständlich hinnehmen darf. Von heute auf morgen kann sich alles verändern."