"The Beatles: Get Back" auf Disney+
Den Beatles so nah wie nie: Peter Jacksons 6-Stunden-Doku + Quiz

25.11.2021 | Stand 20.09.2023, 7:19 Uhr

Der Zuschauer fühlt sich, als wäre er selbst unbemerkt im Studio dabei und könnte all die produktiven und frustrierenden Momente der Beatles miterleben: Paul McCartney (von links), George Harrison, Ringo Starr und John Lennon. −Foto: Apple Corps/Disney+

Man könnte meinen, dass es inzwischen nichts Neues mehr über die Karriere der Beatles zu erfahren gibt. Doch für die Phase vor ihrer Trennung im Jahr 1970 bietet die dreiteilige Dokuserie "The Beatles: Get Back" neue Erkenntnisse über manche Mysterien der Band.

(Ein Beatles-Quiz finden Sie weiter unten im Artikel.)

So hören wir Paul McCartney milde über die Omnipräsenz Yoko Onos, der künftigen Ehefrau Lennons, sagen: "Es ist nicht so schlimm, die beiden wollen einfach zusammen sein. Es wäre dumm, es ihnen zu verbieten." Regie führt Peter Jackson ("Der Herr der Ringe"). Als Grundlage dienten ihm knapp 60 Stunden digital restauriertes Filmmaterial, das die Band im Studio zeigt. Aber wie kam es dazu, dass sich die Beatles von einem Kamerateam filmen ließen?



Nachdem die Beatles, von der Beatlemania verschreckt, im Jahr 1966 das Touren eingestellt hatten, konzentrierten sie sich auf ihre Arbeit im Studio. Mit "Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band" und "The Beatles" (White Album) feierten sie große Erfolge. 1969 wollten sie sich wieder ihrer früheren Arbeitsweise annähern und gemeinsam an Songs arbeiten, die ohne Studioexperimente auskommen. Der Plan: innerhalb von drei Wochen 14 neue Songs schreiben und aufnehmen, um sie bei dem erstem Livekonzert nach über zwei Jahren zu spielen. Zusätzlich wurden diese "Get Back Sessions" von einem Kamerateam begleitet, das die Entstehung der neuen Songs für die Alben "Abbey Road" und "Let It Be" dokumentieren sollte.

Die im Mai 1970 veröffentlichte Dokumentation, die wie das Album "Let It Be" hieß, erreichte nie ihr volles Potenzial, da sie zeitgleich mit der Auflösung der Beatles erschien. Viele sahen in den spannungsgeladenen Momenten während der Sessions, als beispielsweise Harrison die Band zeitweise verließ, den Grund für die Trennung. Dem Projekt haftet seither der Ruf an, der finale Nagel im Sarg der Beatles zu sein. Kurz nach Veröffentlichung wurde die "Let It Be"-Dokumentation vom Markt genommen und die Filmrollen in einem Archiv weggesperrt.

Dort blieb das Material für knapp 50 Jahre unangetastet, bis Peter Jackson 2017 das Angebot annahm, es zu einer Dokumentation zu verarbeiten.

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Die Aufnahmen wurden von einer neuseeländischen Produktionsfirma aufwendig restauriert. Um die Filmnegative von Staub oder Kratzern zu befreien, kommen komplexe Algorithmen zum Einsatz, die durch Handarbeit nochmals korrigiert werden. Dafür wird jedes Standbild stark vergrößert, um Fehler zu beheben. Die Qualität der Bilder bei hellen Lichtverhältnissen ist beeindruckend. Der Farbverlauf, den die Band in der Studiohalle an die Wand projizieren ließ, bietet eine spannende Kulisse. McCartneys fettige Haare, Starrs Tränensäcke, Lennons irre Blicke und Harrisons ausgefallene Kleidung sind in hochwertigen Bildern zu erleben. Bei Gesprächen in weniger gut ausgeleuchteten Bereichen des Studios sieht man den teilweise etwas verschwommen Gesichtern an, dass das Material stark bearbeitet wurde.

Entstanden ist eine sehr besondere Dokumentation. Jackson traf die Entscheidung, auf nachträgliche Experteninterviews zu verzichten und lässt die Aufnahmen, bis auf spärliche Einblendungen, für sich allein stehen. Das ist mutig, widerspricht der Konvention von Dokumentationen und lässt die Zuschauer auf eigene Faust ins Jahr 1969 eintauchen. Beatles-Fans dürften diesen puristischen Ansatz begrüßen.

Der Zuschauer fühlt sich, als wäre er selbst unbemerkt im Studio dabei und könnte all die produktiven, aber auch frustrierenden Momente miterleben. Für die einen ein wahr gewordener Traum, für andere eine zähe Angelegenheit. Denn die zwei- bis dreistündigen Filme folgen einer nur sehr losen Dramaturgie.

Die Stimmung der "Get Back Sessions" war – konträr zur allgemeinen Meinung – nicht andauernd angespannt, sondern durchaus auch ausgelassen und albern. McCartney und Lennon haben großen Spaß daran, die Songs mit verstellten Stimmen und verschiedenen Akzenten zu proben. Hier gibt die Doku Einblicke ins Innere der Band. In einem privaten Gespräch tauschen sich McCartney und Lennon nach dem Ausstieg Harrisons über die Zukunft der Beatles aus. "Ich gehe einfach mal davon aus, dass er zurückkommt." Aufgenommen wurde es über einen verwanzten Blumenstrauß.

"The Beatles: Get Back" zeichnet das Bild vierer Freunde, die bei kreativen Grundsatzentscheidungen schwer mit sich ringen, sich beim gemeinsamen Musizieren aber dennoch blind verstehen.

Tilmann Wensky



•Zu sehen beim Streaminganbieter Disney+, Folge 1 wird am 25. November veröffentlicht, Folge 2 am 26. November, Folge 3 am 27. November